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Seuchen: "Viren verändern sich ständig"

Detlev Krüger leitet das Institut für Medizinische Virologie (Helmut-Ruska-Haus) der Berliner Charité. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht er über Seuchengefahren.

Herr Professor Krüger, das Institut, das Sie leiten, ist die älteste auf Viren spezialisierte universitäre Einrichtung in Deutschland. Es wird in dieser Woche 50 Jahre alt. Haben Viren seitdem nicht viel von ihrer Bedrohlichkeit verloren?

In dieser Zeit gab es große Siege im Kampf gegen die Viruserkrankungen. Siege, die wir Impfungen verdanken. Die Pocken wurden ausgerottet, die Kinderlähmung ist in Europa keine Gefahr mehr. Bluttransfusionen sind sicherer geworden, weil wir die Erreger der Hepatitis B und C nachweisen können. Ermutigend ist auch, dass ein neues Virus wie der Sars-Erreger in wenigen Wochen entdeckt und seine Ausbreitung verhindert wurde. Dafür gibt es eine ganz große Herausforderung, und das ist Aids.

Ist auch die Vogelgrippe eine solche Gefahr?

Wir hatten mehrere Jahrzehnte lang keine Influenza-Pandemie. Aber dass tierische Viren auf den Menschen übergehen könnten, stellt eine permanente Gefahr dar. Wenn sich das Vogelgrippe-Virus an den Menschen anpasst, droht eine weltweite Epidemie. Auch der Aids-Erreger HIV war ja zunächst ein Virus, das nur bei Affen vorkam. Eine andere neue Gefahr geht von Viren aus, die gegen Medikamente resistent werden. Wir haben bereits solche mehrfach resistenten HIV-Stämme, bei der Hepatitis gibt es eine ähnliche Entwicklung. Viren sind nun einmal biologische Gebilde, die sich zur Wehr setzen und ständig verändern. Sorgen machen uns auch Krankheiten wie das Dengue-Fieber, die wegen des Klimawandels zunehmen: Die Stechmücke, die das Virus überträgt, breitet sich durch die Erderwärmung immer mehr aus, und durch Fernreisen haben wir auch hierzulande immer mehr Fälle.

In Ihrem Institut beschäftigen Sie sich besonders mit der Erforschung des Hanta-Virus. Es führt zu einer der fünf häufigsten meldepflichtigen Viruserkrankungen. Welche Gefahren birgt es?

Hanta-Viren werden von Nagetieren übertragen, und das geschieht inzwischen auch in Deutschland, wo wir im vergangenen Jahr etwa 1700 Fälle von Hanta-Virus-Erkrankungen hatten. Die Infizierten bekommen hohes Fieber, Probleme mit dem Blutdruck und Nierenversagen. In Nordamerika stirbt an Infektionen mit einem besonders aggressiven Virustyp bis zur Hälfte der Patienten.

Was wünschen Sie sich für Ihr Fach?

An erster Stelle einen Impfstoff, der wirksam gegen HIV schützt! Schön wäre auch, wenn wir Medikamente hätten, die gegen Virusinfekte der Atemwege wirken – die das können, was Antibiotika bei Bakterien tun. Außerdem wünsche ich mir, dass wir verstehen, welche Rolle Viren bei chronischen Krankheiten spielen.

Das Gespräch führte Adelheid Müller-Lissner.

DETLEV KRÜGER  leitet das Institut für Medizinische Virologie (Helmut-Ruska-Haus) der Berliner Charité. Das Institut wird in dieser Woche 50 Jahre alt.

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