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Ausgezeichnete Forschung für die Behandlung von seltenen Erkrankungen: Ulrike Hedrich-Klimosch und ihre Kollegen Markus Wolff, Stephan Lauxmann, Thomas Wuttke und Holger Lerche (v.l.n.r.).

© Mareike Kardinal / Hertie-Institut für klinische Hirnforschung

Seltene Erkrankungen: Preis für die heilsame Zweitverwertung einer Arznei

Ein Mittel gegen Multiple Sklerose hilft auch Kindern mit einer seltenen Epilepsie-Form. Für diese Entdeckung wurden Tübinger Forscher ausgezeichnet.

Gegen Epilepsien, krampfartige Anfälle des Gehirns, gibt es eine Reihe von Medikamenten. Doch in manchen Fällen helfen diese Antiepileptika nicht, etwa bei der besonders schweren, seltenen Form der Epilepsie, die durch Veränderungen in dem Gen KCNA2 ausgelöst wird.

Ein MS-Medikament gegen Epilepsie

Nun gibt es begründete Hoffnung, bei den betroffenen Kinder mit einem Medikament gegensteuern zu können. Für die Forschungen, die zu diesem Erfolg führten, wurde nun ein Team von Neurowissenschaftlern und Ärzten rund um die Biologin Ulrike Hedrich-Klimosch vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen mit dem Eva Luise Köhler-Forschungspreis für Seltene Erkrankungen ausgezeichnet.

Der Wirkstoff 4-Aminopyridin („Fampridin“) ist schon seit 2011 auf dem Markt, ist aber bislang nur für die Verbesserung der Gehfähigkeit bei Menschen mit einer schweren Multiplen Sklerose zugelassen. Die Substanz blockiert Kaliumkanäle in der Zellmembran von Nervenzellen und könnte daher auch den Epilepsie-Patienten helfen. Denn die Mutation im KCNA2-Gen erhöht den Fluss von Kalium-Ionen, was das elektrische Gleichgewicht im Gehirn stört und epileptische Anfälle und Entwicklungsstörungen auslöst. Fampridin könnte dem entgegenwirken, fanden die Forscher.

Für den praktischen Einsatz bedeute eine solche „Zweitverwertung“ einer bekannten Substanz einen immensen Vorteil, betonte in ihrer Laudatio Annette Grüters-Kieslich, die Vorstandsvorsitzende der Eva Luise und Horst Köhler-Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen. Bei einem bereits zugelassenen Arzneimittel sei Wissen über Wirkungen und Nebenwirkungen bereits vorhanden, sagte die Kinderärztin und Ärztliche Direktorin des Uniklinikums Heidelberg. „So kann auch eine in Pharmamaßstäben sehr überschaubare Summe wie unser Preisgeld von 50 000 Euro in den Händen der richtigen Forscherinnen und Forscher viel bewegen.“ Die Therapie könne womöglich schon in drei bis vier Jahren möglich sein. Im Rahmen „individueller Heilversuche“ senkte die Substanz bei vier Betroffenen die Anzahl epileptischer Anfälle. Ihr Sohn könne inzwischen selbstständig eine Treppe hochsteigen, berichtete die Mutter eines 15-Jährigen, der das Mittel seit vier Jahren bekommt. „4-Aminopyridin ist für ihn die Wunderpille, von der ich immer gedacht habe, dass es sie nie geben wird.“

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