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Und Schnitt. Das Werkzeug passte. Die Kleider sicher auch.

© Abb.: J.P. Cerasoni

Sehr alte Altkleider: Paläontologen finden früheste verlässliche Hinweise auf Herstellung von Textilien

Eine Jenaer Forscherin suchte in einer Höhle in Marokko nach Zeugnissen frühmenschlicher Ernährung. Sie fand etwas ganz anderes.

Emily Hallett interessiert sich für Ernährung. Genauer gesagt für die so genannte Steinzeit-Diät. Sie will wissen, was Steinzeitmenschen wirklich gegessen haben, und gräbt deshalb nach alten Knochen. Mit Klamotten dagegen hatte die Anthropologin am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena bislang beruflich nicht so viel zu tun.

Doch die Knochen, die sie in einer Höhle in Marokko fand und über die sie zusammen mit einem Team jetzt im Fachmagazin „iScience“ berichtet, sagen deutlich mehr über Kleidung aus als dass sie Neues zur prähistorischen Ernährungsforschung beitragen würden. Sie gehören zu den frühesten Zeugnissen der Nutzung und Bearbeitung von Fellen und Leder überhaupt.

Etwa 12 000 Knochenstücke fanden Hallett und andere Forscherinnen und Forscher in der Contrebandiers-Höhle in Marokko nahe der Atlantikküste.

Spezial-Werkzeuge

Die ältesten lagen in Erdschichten, die auf 120.000 Jahre datierten. 62 davon waren eindeutig von Menschen bearbeitet. Sie dienten ziemlich sicher dazu, Tiere zu häuten, Felle und Leder weiter zu verarbeiten. Denn Hallett fand auf Raubtierknochen aus der Höhle auch Spuren, die die Werkzeuge beim Häuten dort hinterlassen haben müssen. Dazu kommt, dass sowohl deren Formen als auch Gebrauchspuren an ihnen mit solchen anderer, viel jüngerer Funde weitgehend übereinstimmten.

Auch ein möglicherweise als eine Art Schleifstein genutzter 113 000 Jahre alter Zahn, der wahrscheinlich von einem Pottwal stammte, fand sich in der Höhle. Er wäre damit nach Angaben des Instituts das älteste solche Zeugnis überhaupt.

„Die Kombination von Fleischfresserknochen mit Häutungsspuren und Knochenwerkzeugen, die wahrscheinlich für die Pelzverarbeitung verwendet wurden, ist ein sehr aussagekräftiger Beleg für die früheste Kleidung“, auf die es archäologische Hinweise gebe, so Hallett. Und angesichts des Grades der schon hier erkennbaren Spezialisierung seien „diese Werkzeuge wahrscheinlich Teil einer größeren Tradition“. Hallett glaubt, dass es noch „frühere Beispiele, die noch nicht gefunden wurden“, gibt.

Ötzis Felljacke

Bislang galten 75 000 Jahre alte Funde aus der südafrikanischen Blombos-Höhle als älteste sichere Nachweise von Kleidungsherstellung. Textilien selbst sind, weil sie viel schneller zerfallen als Knochen, weder dort noch in Marokko erhalten. Zu den ältesten Funden zählt hier das gestreifte Fell-Outfit der Gletschermumie Ötzi. Es ist etwa 5000 Jahre alt.

Wann und warum Menschen begannen, Kleidung herzustellen, bleibt eine offene Frage. Eine These lautet, dass dies erst mit dem Vorstoß in kühlere Gefilde geschah. Doch nicht nur Halletts Funde sprechen dafür, dass jene Ursprünge noch deutlich früher liegen, sondern auch die Gene von Läusen: Denn eine der beiden Menschenblut trinkenden Arten kann nur in Textilien leben. DNA-Analysen eines Teams um David Reed am Florida Museum of Natural History sprechen dafür, dass sie dies schon vor bis zu 170 000 Jahren taten. Kleider müssten Menschen dann schon vorher besessen haben, also deutlich früher als in der Phase, in der Menschen Afrika erstmals in Richtung kühlerer Klimate verließen.

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