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Gerade ältere Menschen sollten sich impfen lassen, auch wenn sie bereits eine Covid-Erkrankung überstanden haben.

© Andreas Klaer

Schwer Erkrankte bilden eine Ausnahme: Wer an Covid-19 erkrankt war, sollte sich trotzdem impfen lassen

Eine Corona-Erkrankung überstanden und für immer immun? Leider nicht. Die Antikörper im Blut werden mit der Zeit immer weniger.

Jens Spahn hat seine Covid-19-Erkrankung bereits überstanden. Dennoch will sich der Gesundheitsminister (CDU) erklärtermaßen impfen lassen, so, wie er es auf Nachfrage auch den Zuhörern einer Fragerunde des Radiosenders SWR4 empfahl.

Denn die Immunität durch eine Impfung sei nach wissenschaftlichen Erkenntnissen deutlich höher und vermutlich länger anhaltend als nach einer überstandenen Erkrankung.

Allerdings müssten sich Genesene nicht sofort impfen lassen, sondern könnten noch zwei oder drei Monate warten, sagte Spahn.

Das empfiehlt auch die Ständige Impfkommission (Stiko). Zwar könne aufgrund der unklaren Studienlage keine abschließende Aussage über die Stärke der Immunität von Genesenen getroffen werden, dennoch gehen die Experten davon aus, dass nach einer überstandenen Infektion in vielen Fällen zumindest eine gewisse Schutzwirkung bestehe

Wie lange diese anhält, sei jedoch noch nicht zu sagen, sagt Hans-Dieter Volk. Der Direktor des Instituts für Medizinische Immunologie der Charité hält den Ansatz, auch Genesene zu impfen, für sinnvoll. „Es gibt klare Hinweise, dass die Immunität nach durchgemachter Infektion nicht in jedem Fall langanhaltend ist und Reinfektionen und sogar erneute Erkrankungen möglich sind.“

Warum sind nicht alle Covid-Genesenen längere Zeit immun?

Um zu verstehen, warum das so ist, lohnt ein kleiner Crashkurs zum Immunsystem. Es hat zwei Bestandteile: Das unspezifische, angeborene Immunsystem wehrt körperfremde Stoffe oder Erreger in Form einer allgemeinen Reaktion der befallenen Zellen ab. So löst etwa das Viruserbgut von Influenza- oder Coronaviren, das aus RNA besteht, in den infizierten Zellen eine Abwehrreaktion aus.

Spezialisierte Rezeptormoleküle „erkennen“ die RNA und leiten Gegenmaßnahmen ein, die bis zur Selbstzerstörung (Apoptose) der Zelle führen kann, um die Virusvermehrung im Körper zu verhindern.

Die erworbene, spezifische Immunabwehr hingegen arbeitet mit spezialisierten Immunzellen, etwa T- und B-Zellen, und bildet im Idealfall eine Immunität, einen Schutz vor Erkrankung oder sogar Infektion aus.

„Die T-Zellimmunität scheint nach einer Coronainfektion bei fast allen Menschen längere Zeit anzuhalten“, sagt Volk. Sie könne den Verlauf einer zweiten Infektion positiv beeinflussen, etwa dass nur milde Symptome hervorgerufen werden. Eine Infektion und Infektiosität können T-Zellen aber nicht verhindern.

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B-Zellen hingegen können Antikörper, spezielle Eiweiß-Moleküle, produzieren. Und zwar Milliarden verschiedene. Einige wenige davon passen im Idealfall wie ein Schlüssel ins Schloss an bestimmte Strukturen eines Krankheitserregers. Nach einer Erkrankung – oder einer Impfung mit dem Erreger oder Teilen davon – werden nur jene B-Zellen vermehrt, die passende Antikörper gegen das Virus produzieren.

Zirkulieren diese Antikörper in ausreichender Zahl im Blut und gelangen auch in die Schleimhäute, etwa in der Lunge, dann können sie eine Infektion mit dem Erreger und damit auch eine Erkrankung verhindern.

Allerdings haben Antikörper nur eine Halbwertzeit von höchstens 21 Tagen, ihre Konzentration halbiert sich alle drei Wochen. Sind nicht genug B-Zellen oder daraus hervorgehende, langlebige Plasmazellen gebildet worden, die als „Immungedächtnis“ fungieren, schwinden die Antikörper und mit ihnen der Schutz vor einer erneuten Infektion.

Eine möglicherweise überstandene Covid-19-Erkrankung spielt bei der Einladung zur Impfung keine Rolle.
Eine möglicherweise überstandene Covid-19-Erkrankung spielt bei der Einladung zur Impfung keine Rolle.

© dpa

Das scheint auch bei Covid-19-Genesenen der Fall zu sein. Eine Studie des Uniklinikums Jena konnte bei Erkrankten des ehemaligen Hotspots Neustadt sechs Wochen nach einer bestätigten Infektion nur bei etwa der Hälfte der Infizierten Antikörper finden.

Wovon hängt es ab, wie viele schützende Antikörper gebildet werden?

„Das hängt zum einen an der Viruslast, also wie stark die Erstinfektion war“, sagt Volk. Je mehr Viren der Patient abbekommt, desto stärker die Immunreaktion, desto besser das zelluläre Immungedächtnis und desto mehr spezifische Antikörper werden produziert. Die Immunität bleibt länger erhalten.

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Der zweite Faktor ist der Zustand des Immunsystems. Leidet man bei der Infektion bereits an anderen Erkrankungen, die die Abwehrkräfte schwächen, wie zum Beispiel HIV oder einem Immundefekt, dann werden weniger Antikörper gebildet, die Immunität ist kürzer.

Und auch das „immunologische Alter“ spielt eine Rolle. Denn je mehr Krankheiten das Immunsystem durchgemacht hat, desto älter ist es. Die Fähigkeit, Antikörper-produzierende Zellen dauerhaft im Knochenmark einzulagern, um auf eine Neuinfektion reagieren zu können, schwindet zunehmend.

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„Wenn also ein gesunder, jüngerer Mensch relativ heftig vom Coronavirus getroffen wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Immunität länger anhält, größer als bei älteren Menschen mit schwachem Immunsystem oder bei milden Verläufen“, sagt Volk.

Ist die Immunität nach einer Impfung besser als nach überstandener Erkrankung?

Das hängt unter anderem davon ab, wie viele Antikörper ein Infizierter gebildet hat – also wie stark die Viruslast war und wie gut das Immunsystem darauf reagieren konnte. Gerade Infizierte mit milder Symptomatik hätten oft nur eine kurz anhaltende Immunität durch Antikörper, sagt Immunologe Volk. Langzeitstudien zur Wirksamkeit der erst kürzlich zugelassenen Vakzine gibt es noch nicht. „Die derzeit vorliegenden Drei-Monatsdaten sprechen jedoch für einen länger anhaltenden Schutz durch eine Impfung.“

Sollen ältere Genesene mit der Impfung warten?

Gerade bei älteren Genesenen könne man davon ausgehen, dass etliche keinen ausreichend langen Antikörper-Schutz haben. „In diesem Fall ist es einfach pragmatischer, alle zu impfen, auch wenn das für einige wenige vielleicht nicht nötig wäre“, sagt Volk.

Zur Vorsicht rät er hingegen bei Covid-19-Erkrankten, die – unabhängig vom Alter – einen besonders schweren Krankheitsverlauf hatten. „In diesem Fall würde ich nicht impfen, um eine eventuelle erneute Überreaktion des Immunsystem zu vermeiden“, sagt Volk, „zumal diese Patienten zumeist ein gutes Immungedächtnis entwickelt haben dürften“.

Werden auch Genesene zum Impftermin eingeladen?

Auf Nachfrage des Tagesspiegels heißt es von der Berliner Gesundheitsverwaltung, dass eine mögliche Genesung keine Rolle für das Einladungsmanagement spiele. Man halte sich an die vom Bund vorgegebene Priorisierung: laut Impfverordnung ist eine bereits überstandene Covid-19-Erkrankung kein Kriterium für die Vergabe der Impftermine.

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