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Wälder können Böden vor dem Austrocknen bewahren.

© Jan Woitas/dpa

Schutz vor Dürre: Mehr Wald könnte Europa retten

Der deutsche Wald leidet unter Trockenheit. Umgekehrt könnten Wälder laut einer Studie aber auch für mehr Niederschlag sorgen.

Aufforstungen könnten einer Studie zufolge in großen Teilen Europas die Niederschlagsmengen erhöhen und so manche Folgen des Klimawandels dämpfen. Vor allem gegen Sommerdürren könne dies vorbeugen, berichten Forschende um Ronny Meier von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) nach der statistischen Auswertung von Wetterdaten in der Zeitschrift „Nature Geoscience“.

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Aufforstungen könnten die Regenmengen demnach im Sommer um durchschnittlich 7,6 Prozent steigern – das entspräche 0,13 Millimetern pro Tag.

Unklar ist, wie sich die Prozesse im Klimawandel ändern

Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) spricht von einer sehr wichtigen Studie: Sie belege den Zusammenhang zwischen Wäldern und Niederschlägen anhand einer breiten Beobachtungsbasis und betrachte nicht nur die Effekte am Ort einer Aufforstung, sondern auch, wie sich der Niederschlag in den windabwärts gelegenen Regionen verändern könnte. 

Allerdings seien viele Zusammenhänge sehr komplex, sagt die Professorin für Physische Geographie und Landnutzungssysteme, die nicht an der Studie beteiligt war. „Unklar ist etwa, inwieweit die gefundenen Zusammenhänge auch mit fortschreitendem Klimawandel noch gelten.“

Wie sehr Trockenheit Bäumen zusetzen kann, zeigen die deutschen Waldzustandserhebungen der letzten Jahre. Für Deutschland gehen Prognosen künftig von mehr Niederschlägen im Winter und trockeneren Sommern aus. Dass Wälder Folgen des Klimawandels mildern können, steht fest, etwa indem sie Böden vor Verdunstung schützen. Zudem deuten Studien darauf hin, dass Wälder selbst Niederschläge begünstigen können.

Wie sehr unter anderem auch Trockenheit Bäumen zusetzen kann, zeigt sich mittlerweile an einigen Orten in Deutschland.
Wie sehr unter anderem auch Trockenheit Bäumen zusetzen kann, zeigt sich mittlerweile an einigen Orten in Deutschland.

© imago images/Jochen Tack

Das Team um Meier prüfte nun anhand von Niederschlagsdaten, wie sich eine Umwandlung von Agrarland – also Feldern und Weiden – in Waldland auf Niederschläge auswirkt. Dabei verglich es in meteorologischen Datenbanken klimatisch ähnliche Areale, die sich in Bezug auf Agrar- und Waldflächen unterschieden. Neben dem Einfluss der Vegetation berücksichtigten die Forschenden auch verschiedene Klimaregionen Europas und diverse Geländetypen.

Hohe Waldbedeckung geht mit mehr Niederschlägen einher

Insgesamt gut 1500 solcher Paare ordneten sie fünf europäischen Regionen zu. In allen Regionen ging eine hohe Waldbedeckung mit mehr Niederschlägen einher. Einzige Ausnahme war das südliche Finnland in den Monaten April bis Juli. Besonders stark war der Effekt in Küstennähe – etwa auf den Britischen Inseln –, mit zunehmend kontinentalem Klima wurden die Auswirkungen schwächer.

Generell betrug der Unterschied zwischen Agrarland und Waldland im Winter 5 bis 15 Prozent, im Sommer war er mit 0 bis 10 Prozent geringer ausgeprägt. Für ganz Europa gehen die Forschende in einem sogenannten „realistischen Szenario“ davon aus, dass gut 14 Prozent der untersuchten Fläche für eine weitere Bewaldung infrage kämen, ohne dass dadurch Einbußen etwa für die Lebensmittelversorgung oder die Artenvielfalt entstünden. 

Dadurch könnte die Niederschlagsmenge auf 27 Prozent der europäischen Fläche um mehr als zehn Prozent steigen, schreiben sie. Besonders stark wäre der Effekt demnach für die Britischen Inseln, West- und Südwestfrankreich, Italien, die östliche Adriaküste südlich bis nach Griechenland und Teile der Iberischen Halbinsel. Profitieren würden demnach aber auch Teile Deutschlands.

„Die durch eine realistische Bewaldung ausgelösten Veränderungen der Niederschlagsmengen haben das Potenzial, einen Teil der Folgen des Klimawandels auszugleichen“, schreibt das Team und verweist vor allem auf den Mittelmeerraum. „Bewaldung könnte eine entscheidende Rolle dabei spielen, sich an die durch den Klimawandel erhöhten Risiken für Sommerdürren anzupassen.“

Wälder verlangsamen die Bewegung der Luftmassen

Den Effekt auf die Niederschlagsmengen erklären die Forschende so: Durch die im Vergleich zu Feldern und Wiesen rauere Oberfläche verlangsamen Wälder die Bewegung der Luftmassen und sorgen zudem für mehr Turbulenzen, was die Niederschlagsneigung erhöhe. Zudem sei über Wäldern die Verdunstung erhöht, was vor allem im Sommer in Windrichtung die Niederschlagsmengen steigere. Belegt sind solche Effekte demnach für die Tropen und die Sahel-Zone.

Allerdings räumt das Team ein, dass die Zusammenhänge auf Beobachtungen beruhen, daher könne man kausale Zusammenhänge nur unter Vorbehalt annehmen. Dennoch: Angesichts der für die kommenden Sommer prognostizierten zunehmenden Trockenheit müsse man mehr Aufmerksamkeit auf die Auswirkungen der Vegetation richten.

Das betont auch LMU-Expertin Pongratz: Die Aussagen für die Auswirkungen von Wäldern auf Niederschläge hält sie für robust. „Dass das Klima und die Landbedeckung miteinander zusammenhängen, ist klar“, sagt sie. „Das ist ein eng gekoppeltes System.“ Dennoch müsse man Maßnahmen auf regionaler Ebene sehr genau auf ihre möglichen Folgen prüfen.

„Maßnahmen wie Aufforstung sind wichtig zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre und können den globalen Klimawandel abschwächen“, sagt Julia Pongratz. „Gleichzeitig muss sich jede Region an den Klimawandel anpassen. Wenn Aufforstung abnehmenden Niederschlägen entgegenwirken kann, erfüllt der Wald also einen doppelten Nutzen, global und vor Ort“, erklärte Pongratz. (dpa)

Walter Willems

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