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Eine Familie in Berlin ist mit selbstgenähten Schutzmasken unterwegs.

© Wolfram Steinberg/dpa

Coronavirus: Tragt eure Masken! Jede Maske ist besser als keine Maske!

Man weiß zwar wenig über die Schutzwirkung von Masken gegen das Coronavirus. Deshalb wäre eine Maskenpflicht sinnvoll. Ein Gastbeitrag.

Noch bis vor wenigen Tagen war auf der Internetseite des Robert-Koch-Instituts (RKI) zu lesen, dass eine Schutzwirkung von Gesichtsmasken gegen das Corona-Virus nicht wissenschaftlich belegt sei.

Eine derartig allgemeine Aussage kann schon deshalb nicht richtig sein, da es sehr unterschiedliche Arten eines Mund-Nase-Schutzes gibt, und die Schutzwirkung einer Maske von ihren technischen Merkmalen abhängt, also kein konstanter Wert sein kann.

Außerdem fragt sich nicht nur der Laie, warum medizinisches Personal Schutzmasken tragen muss, wenn deren Wirksamkeit nicht bewiesen ist.

Seit dem 1. April hat das Robert-Koch-Institut seine Empfehlung modifiziert. Im eher drögen Jargon des RKI heißt es jetzt: „Durch einen Mund-Nasen-Schutz (MNS) oder bei der gegenwärtigen Knappheit eine textile Barriere im Sinne eins MNS (eine sogenannte Behelfsmaske) können Tröpfchen, die man z.B. beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt, abgefangen werden. Die aktuelle Masken-Empfehlung des RKI finden Sie hier.

Das Risiko, eine andere Person anzustecken, kann so verringert werden (Fremdschutz).“ Und weiter: „Es ist zu vermuten, dass auch Behelfsmasken das Risiko verringern können, andere anzustecken.“

Hintergründe zum Coronavirus:

Der Wissensstand über die Effektivität von Schutzmasken unzureichend

Die Aussage endet mit dem Hinweis, es gäbe keine ausreichenden Belege dafür, dass ein MNS oder eine Behelfsmaske den Träger vor einer Corona-Virus-Infektion schütze, ein „Eigenschutz“ also „nicht gewährleistet“ sei. Derartig verklausulierte Hinweise sind nicht hilfreich und vergrößern nur die Unsicherheit in der Bevölkerung.

Tatsächlich ist der Wissensstand über Effektivität von Schutzmasken unzureichend. Die bislang durchgeführten Untersuchungen beschränkten sich auf das Messen von physikalische Kenngrößen wie die Durchlässigkeit eines Maskentyps für Partikel bestimmter Größe. Andere Studien untersuchen ausschließlich den Eigenschutz durch das Tragen einer Maske.

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Selten wurde die Schutzwirkung in „realen Gefahrensituationen“ untersucht, wie beispielsweise im Krankenhaus. Studien, die die derzeitige Epidemiesituation durch einen hochinfektiösen Erreger reflektieren, gibt es nicht.

Anhand ihrer technischen Konstruktionsmerkmale lassen sich Mund-Nase-Masken drei Kategorien zuordnen. Sogenannte Partikel filtrierende Atemschutzmasken sind halbstarre oder starre Hohlkörper aus synthetischem Material, die dicht auf der Gesichtshaut anliegen. Es gibt sie mit und ohne Ausatmungsventil. Masken der Zertifizierungsklasse FFP2 und FFP3 filtrieren bis zu 94 beziehungsweise 99 Prozent der Viruspartikel aus der Umgebungsluft heraus.

Trotz optimaler Passung kann es auch bei diesen hochwertigen Masken nach längerem Tragen – durch Schwitzen und Muskelbewegungen – zum Verrutschen der Maske und damit zu Luftdurchlass kommen. Deshalb werden im intensivmedizinischen Bereich FFP-Masken nach zwei Stunden gewechselt – sofern ausreichend Masken vorhanden sind.

Baumwollmischgewebe hat eine Schutzwirkung von 73 Prozent

Ein Mund-Nase-Schutz aus einem dünnen Vlies, üblicherweise als OP-Maske bezeichnet, – ein klassisches Merkmal von Krankenhaus-TV-Serien – hat eine verhältnismäßig geringe Filterwirkung für Viren beim Ein- wie beim Ausatmen. Durch ungenaue Passung an die Form des Gesichts kann außerdem beim Einatmen Luft hinter die Maske strömen.

Entsprechend strömt diese beim Ausatmen wieder heraus. Besteht das Vlies aus mehreren Lagen, ist die Schutzwirkung höher, werden also mehr Partikel herausgefiltert, insbesondere wenn sie in Wassertröpfchen eingeschlossen sind.

Wie hoch die Schutzwirkung gegen Viren ist, hängt nicht nur von der Qualität der Maske, sondern auch von der Anzahl der Partikel in der Luft und anderen Faktoren, wie beispielsweise der Stärke des Luftzugs ab. Eine Studie aus dem Jahr 2013 zeigte, dass bestenfalls 90 Prozent der in der Atemluft vorhandenen Viren herausgefiltert werden.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Die Wirksamkeit selbstgeschneiderter Masken („Behelfsmasken“ in der Terminologie des Robert-Koch-Instituts) hängt von den Merkmalen des Stoffes, wie der Textur und der Porengröße der Maschen ab. Für Staubsaugerbeutel genutzte Stoffe erreichen eine durchschnittliche Schutzwirkung von 86 Prozent, Baumwollmischgewebe von 73 Prozent.

Durch verhältnismäßig kleine Änderungen lässt sich die Schutzwirkung erhöhen: hohe Passgenauigkeit der Maske, eine breite Kontaktfläche mit der Haut durch Einnähen von flexiblen Metallstreifen an den Rändern, Vergrößerung der abgedeckten Gesichtsfläche, gleichmäßigen Zug an den vier Ecken nach schräg oben und unten.

"Jede Maske ist besser als keine Maske"

Die Kehrtwende des Robert-Koch-Instituts in Bezug auf die Schutzwirkung von Masken scheint zunehmendem öffentlichen Druck geschuldet. Seit Wochen empfehlen Fachleute der Bevölkerung, sich konsequent mit Masken zu schützen. Walter Popp, der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenaushygiene, sagt klipp und klar: „Jede Maske ist besser als keine Maske.“

Der Infektionsepidemiologe Alexander Kekulé vom Universitätsklinikum in Halle hält sogar eine Maskenpflicht für „absolut sinnvoll“. Auch der Nationale Pandemieplan, bei dessen Erstellung das Robert-Koch-Institut federführend beteiligt war, geht davon aus, dass durch einen Mund-Nase-Schutz „prinzipiell sowohl ein besserer Schutz für Dritte (wenn die Maske-tragende Person selbst infiziert ist) also auch für die tragende Person selbst erreicht werden kann“.

[Eine Anleitung zum Basteln einer Schutzmaske finden Sie hier; eine andere Anleitung zum Nähen finden Sie hier.]

Es ist offensichtlich, dass Ärzte und Pflegepersonal bei der Betreuung von Sars-CoV-2-infizierten Patienten absolut sicher sein müssen, dass sie durch eine Maske vor einer Infektion geschützt sind. Es kommen also nur FFP-2 und FFP-3-Masken in Frage. Ganz anders ist die Situation, wenn Masken getragen werden sollen, um die Übertragungswahrscheinlichkeit des Corona-Virus auf Bevölkerungsebene zu vermindern. Die im Einzelexperiment messbare Schutzwirkung von OP- oder Behelfsmasken ist in diesem Fall weniger wichtig.

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Haben selbstgenähte Masken eine durchschnittliche Schutzwirkung von 85 Prozent, tragen aber alle Menschen eine solche Maske, sinkt die Übertragungswahrscheinlichkeit des Virus auf Bevölkerungsebene signifikant. Das hängt damit zusammen, dass mit Sars-CoV-2 infizierte Menschen bereits zweieinhalb Tage vor dem Auftreten der ersten Krankheitszeichen infektiös sind. Auch über diesen Zeitpunkt hinaus bleibt ein substanzieller Anteil der Infizierten infektiös, auch wenn sie sich überhaupt nicht krank fühlen.

In der derzeitigen Lage ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass unter mehreren Personen, die in einem Raum oder in einem öffentlichen Verkehrsmittel aufeinandertreffen, mindestens eine Person infektiös ist. Das Risiko einer Virusübertragung würde gegen Null sinken, wenn alle eine Maske tragen. Wobei es irrelevant ist, ob der Effekt durch „Fremdschutz“ oder „Eigenschutz“ erzielt wurde.

Trotz allem: Maskenpflicht ließe sich hierzulande nur schwer durchsetzen

Es ist kein Zufall, dass in den vier Ländern, in denen Covid-19 nahezu vollständig oder weitgehend unter Kontrolle gebracht wurde (China, Südkorea, Taiwan, Singapur), das Tragen eine Schutzmaske im öffentlichen Raum wie auch bei der Arbeit längst wichtiger Bestandteil der Strategie ist, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. George Gao, Direktor des chinesischen Seuchenkontrollzentrums, warnt dementsprechend im Fachmagazin „Science“, dass der „große Fehler in den USA und Europa“ sei, dass „die Leute keine Masken tragen“.

Selbst wenn man der Aussage des chinesischen Chefepidemiologen ein gewisses Eigeninteresse unterstellt (China ist der weltgrößte Produzent von Schutzmasken), ist aus der heutigen Perspektive klar, dass das konsequente Tragen von hochwertigen Schutzmasken eine wesentliche Komponente bei der Kontrolle der Epidemie war.

In Deutschland ließe sich eine Pflicht zum Tragen – selbst von einfachen Textilmasken – derzeit kaum umsetzen, weil versäumt wurde, frühzeitig genügend Masken zu beschaffen. Stünden ausreichend Masken zur Verfügung, könnte womöglich die Kontaktsperre früher gelockert werden und sich ein Weg aus dem Lockdown eröffnen.

Der Autor ist Arzt und Professor für Mikrobiologie, Infektionsepidemiologie und Tropenmedizin und forscht und lehrt am Institut für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité.

Hermann Feldmeier

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