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Freundlich, aber mit der gebotenen Distanz. Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen kam Mitte April zur Wiedereröffnung der Lykkebo-Schule in Kopenhagen.

© Philip Davali/Ritzau Scanpix/dpa

Schulöffnungen in Dänemark: Spielen mit zwei Meter Abstand

Dänemark begann vor zwei Wochen mit Öffnungen, auch der Grundschulen. Die strengen Regeln vergessen die Schüler aber immer öfter.

Wiedereröffnete Schulen und Kindergärten, Kundenverkehr in Friseursalons und Läden – Dänemark probiert seit 14 Tagen aus, was Deutschland erst zögerlich und lokal sehr unterschiedlich umsetzt. Seit dem 20. April gilt der Erlass der Staatsministerin Mette Frederiksen, am 10. Mai soll die zweite Phase der Öffnung beginnen. Derzeit befinden sich Regierung in Oppositionsparteien in neuen Verhandlungen für eine weitere Öffnung. Das erste Fazit: Die Situation ist stabil, aber die Bevölkerung wird der Maßnahmen müde.

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Mads Gylling Jensen ist Lehrer in einer Schule in Mitteljütland. Seit dem 23. April unterrichtet er wieder. Nach dem ersten Schultag war er begeistert, wie gut sich die Kinder an die Regeln hielten: Zwei Meter Abstand im Klassenzimmer wie draußen, Gruppenarbeiten in festgelegten Fünfergruppen, Spiele nur in festgelegten Zweier- bis Dreiergruppen, Händewaschen beim Rein- und Rausgehen sowie vor und nach dem Essen und zusätzlich alle zwei Stunden. Letztere Regel hat das Gesundheitsministerium mittlerweile wieder abgeschafft, weil die zarte Kinderhaut zu sehr unter dem ständigen Händewaschen litt.

Dazu kam der Alltag und damit die Nachlässigkeit. „Die Kinder machen das richtig gut“, sagte Mads Gylling noch vor zwei Wochen. Die Eltern hätten die Kinder gut vorbereitet, außerdem hatte das Gesundheitsministerium Videos für Kindergarten- und Schulkinder zur Verfügung gestellt, die Gylling am ersten Schultag gemeinsam mit seiner Klasse anschaute.

Kinder vergessen Regeln immer öfter

Sein aktueller Eindruck: „Die Kinder haben sich aneinander gewöhnt und fangen an, manche Regeln zu vergessen.“ Vor allem das Spielen draußen sei ein Problem, denn dort vergäßen die Schüler im Affekt oft, dass sie ihre Gruppe nicht verlassen oder Abstand zu ihren Mitschülern halten sollen.

Die Wiedereröffnung der Schulen bedeutete viel Planung und Arbeit: Mads Gylling traf sich in den Tagen vor dem Schulstart mit dem Kollegium, um Klassenräume umzuräumen und Markierungen anzubringen. Die Eltern sollten ihre Kinder in einem Zeitfenster und mit genügend Abstand zur Schule bringen. Klassen wurden zweigeteilt, um den Abstand von zwei Metern zwischen den Kindern einzuhalten. Dafür mussten einige Gruppen in andere Räume umziehen, etwa die Schulbibliotheken oder die Werkräume.

In den Klassenzimmern selbst sammelten die Lehrkräfte alles ein, was als Übertragungsfläche für Viren dienen könnte: Stifte, Scheren, Spielzeug. Auch mussten sich Schüler und Lehrer an neue Laufwege gewöhnen, denn die Klassenzimmer sollen nicht durch dieselbe Tür verlassen werden, wie sie betreten wurden. Außerdem soll möglichst viel Unterricht draußen stattfinden. Mads Gylling geht dazu mit seiner Klasse oft in den Wald. Bisher geht das Experiment gut: In der Favrskov Kommune, wo Gyllings Schule liegt, gab es bisher keinen einzigen Infektionsfall.

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Zahlen vom Staatlichen Serum Institut, dem dänischen Pendant zum Robert-Koch-Institut, zeigen: Die Zahl der Angesteckten ist 14 Tage nach der Öffnung stabil, zeigen aber eine leichte Aufwärtstendenz. Am Montag stieg die Zahl der Covid-19-Erkrankten in stationärem Aufenthalt von 243 auf 259 an. Das ist der erste Wiederanstieg seit Ende März, als die Zahl der Corona-Erkrankten in Krankenhäusern mit 533 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte.

Insgesamt 1100 Intensivbetten hielten die Krankenhäuser vor, mittlerweile wurde die Zahl der für Covid-19-Patienten bestimmten Betten auf 800 gesenkt. Parallel dazu nehmen die Krankenhäuser wieder ihren regulären Betrieb auf, der etwa im größten Krankenhaus Dänemarks, dem Rigshospital, auf 50 Prozent heruntergefahren war. „Man hat sehr schnell sehr stark aufgerüstet, um Covid-19-Patienten versorgen zu können“, sagt Kjeld Møller Pedersen, Professor für Gesundheitsökonomie an der Süddänischen Universität. „Das ist natürlich erst einmal zulasten der Versorgung der anderen Patienten gegangen.“

Dänemark schloss und öffnete radikaler

Das skandinavische Land fuhr ab Mitte März eine etwas andere Strategie als Deutschland, um die Fallzahlen zu senken: Anstatt eine Eindämmung (Containment) zu versuchen und einzelne Infektionsketten zu verfolgen, setzte die Regierung sofort auf einen schnellen, umfassenden Lockdown. Wer Erkältungssymptome hat und keine stationäre Behandlung benötigt, bleibt ohne Arztbesuch und Test zuhause. Flächendeckende Tests gibt es erst seit dem 20. April.

Die erste Phase der Öffnung war radikaler: Friseure, Zahnärzte, Physiotherapeuten und Tattoostudios haben bereits wieder geöffnet. Schüler bis einschließlich der fünften Klasse gehen wieder zur Schule und in den Kindergarten.

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Im Land der „Hygge“, der Gemütlichkeit unter Freunden und in der Familie, ist man der künstlichen Distanz überdrüssig. Was Mads Gylling bei seinen Schülern beobachtet, merkt er auch an sich selbst. „Ich gehe wieder normal zur Arbeit und wohne auf dem Land, in einem Dorf mit nur 300 Einwohnern – da kann man schnell vergessen, dass wir uns in einem Ausnahmezustand befinden.“

Noch sind nicht alle Schulen geöffnet. Neben den Mittel- und Oberstufen sowie Universitäten sind die internatsähnlichen Efterskoler und Højskoler immer noch geschlossen. Diese Schulen haben oft einen sportlichen oder künstlerischen Fokus und legen viel Wert auf Persönlichkeitsentwicklung in Gruppenkontexten. Die Schüler bauen oft eine starke Verbindung zu ihren Schulen und Mitschülern auf und fordern nun eine Wiedereröffnung.

Dagegen spricht eine Einschätzung des Staatlichen Serum Instituts: Das stufte die Efterskoler wegen des engen Zusammenlebens als Orte mit höchster Ansteckungsgefahr ein und stellt sie auf eine Stufe mit Diskotheken. Während die Schüler von Mads Gylling das Wiedersehen mit ihren Freunden genießen, bleiben für die älteren Schüler die Schulpforten wohl noch länger geschlossen.

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