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Schülerinnen und Schüler in China sitzen in einer Klasse.

© imago/Xinhua

Schüleraustausch: Trotz Förderung kaum Schülerreisen nach China

Lieber nach Costa Rica: Der Austausch deutscher Schülerinnen und Schüler mit China kommt nicht in Schwung. Eine Studie sucht nach Ursachen.

Die globale Bedeutung Chinas nimmt ständig zu. Doch die Potenziale des deutsch-chinesischen Schüler- und Jugendaustauschs liegen „weitgehend brach“. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Der weite Weg nach China“ vom Merics (Mercator Institute for China Studies). Dabei seien die „positiven Wirkungen von Schüler- und Jugendaustauschen für Völkerverständigung und interkulturelle Begegnung sowie als Basis für den Erwerb von Länderkompetenz und fortgeschrittenen Sprachkenntnissen wissenschaftlich belegt“, schreiben die Autoren Andrea Frenzel und Matthias Stepan.

Für ihre Untersuchung führten sie Gespräche mit am Jugendaustausch beteiligten Akteure und sammelten Daten über den Austausch mit China. Zur vollständigen Studie geht es hier.

Der Individualaustausch, bei dem Schüler für ein halbes Jahr oder ein Jahr im Land bleiben, gilt „weithin als geeignetste Form, um tief in ein Gastland einzutauchen und die Sprache zu erlernen“, heißt es in der Studie. Doch liege die Zahl der Bewerber weit hinter den Angeboten der Anbieter zurück, und das sogar mit abnehmender Tendenz. Viele Eltern wollten nicht, dass ihre Kinder nach China gehen – etwa wegen der Sprachbarriere, aus Sorge über das chinesische Gesundheitssystem oder hygienische Standards oder weil ihre Vorstellungen von Klischees geprägt seien. Im Allgemeinen bevorzugten die Familien Länder mit einem besseren Ruf und besonders solche, die den Aufenthalt prestigeträchtiger erscheinen lassen.

Gastfamilien nicht offen für Chinesen - und umgekehrt

So gingen jährlich mehr als 6000 deutsche Schüler für ein halbes oder ganzes Jahr in die USA. Nach China wollten trotz seiner globalen Bedeutung im Langzeit-Austausch nur 38 (Schuljahr 2017/2018). Dagegen ist Costa Rica mit 97 deutschen Austauschschülern weit beliebter. Das gilt auch für Japan (mit 96 Austauschschülern). Dabei gebe es in Deutschland großzügige Teilstipendien für den China-Aufenthalt, was den Austausch deutlich günstiger machen könne als er im englischsprachigen oder EU-Ausland möglich ist. Aber auch aus anderen Industrieländern kämen nur wenige Austauschschüler nach China. In Deutschland versuchen Anbieter der Studie zufolge mit wachsendem Erfolg, Schüler auch mit kürzeren Programmen von zwei Monaten oder für die Zeit der Ferien nach China zu locken. Bei der Unterbringung gibt es aber auf beiden Seiten Schwierigkeiten: Nur wenige deutsche Gastfamilien stehen chinesischen Schülern offen, umgekehrt ist es genauso.

Unterdessen ist die Zahl der Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die aus Deutschland mit einem Freiwilligendienst nach China gehen, wegen der strengeren Visavorgaben „deutlich eingebrochen“, wie es in der Studie heißt: Im Jahr 2017 sank sie von 107 auf 32.

Chinesisch-Unterricht nur an 86 Schulen

Geschätzt 250 bis 300 deutsche Schulen unterhalten der Studie zufolge derzeit einen Austausch mit China. Jährlich besuchen etwa 3000 deutsche Schülerinnen und Schüler für sieben bis 14 Tage eine Partnerschule. Nur an 86 deutschen Schulen wird aber Chinesisch-Unterricht angeboten. Im Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz bietet keine Schule Chinesisch an, Nordrhein-Westfalen führt mit 24 Schulen, gefolgt von Baden-Württemberg (12), Berlin und Bayern (je elf). Der Großteil der Kosten des Austauschs – 1300 bis 1800 Euro – liegt bei den Eltern. Lehrkräfte beschreiben der Studie zufolge oft, dass motivierte Schüler sich aus finanziellen Gründen schließlich nicht an der Chinareise beteiligen. Zwar gibt es eine ganze Reihe von Förderangeboten. Doch Lehrkräfte beklagen, dass es nicht genug Fördertöpfe mit Planungssicherheit gibt.

Außerdem ist der Austausch an den deutschen Schulen nicht ausreichend strukturell verankert. Engagierte Lehrkräfte sähen sich oft als Einzelkämpfer, die sich gegen Vorbehalte gegenüber dem Austausch mit China wehren müssen. Dabei sei es schwer genug, ein Vertrauensverhältnis mit den chinesischen Partnern aufzubauen. Bis das nach mehreren Jahren der Fall sei, könne die Begegnung oft den Charakter einer „Delegationsreise“ annehmen, bei der es, auch aufgrund des Zeitdrucks im chinesischen Bildungssystem, kaum Zeit für die Interaktion deutscher und chinesischer Schüler gebe.

Große Unterschiede in der Jugendarbeit

Erschwert werde der Austausch auch, weil die Strukturen der Jugendarbeit in Deutschland und China nur schwer miteinander vereinbar seien. „Die strikte organisatorische Hierarchie in China mit dem Allchinesischen Jugendverband als übergeordneter Institution findet sich so in Deutschland kaum wieder“, stellen die Forscher fest. Anders als die chinesischen Partner orientierten sich die deutschen Akteure bei der inhaltlichen Gestaltung auch an den Präferenzen der Jugendlichen und weniger an politischen Vorgaben.

Was ist zu tun? Die Vernetzung der lokalen Akteure aller Austauschbereiche könnte helfen, die Angebote zu verbessern, schreiben die Autoren. Regelmäßiger Erfahrungsaustausch erleichtere es, Probleme zu lösen. Außerdem sollten Schulen in ihrem Lehrangebot zu China unterstützt werden. Eine stärkere Auseinandersetzung mit China könne dazu beitragen, Vorbehalte gegen den Austausch abzubauen. Schließlich empfehlen die Forscher eine zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund um den Jugendaustausch mit China und die Einrichtung einer Website, die die schwer zu durchdringende Vielfalt der Angebote überschaubarer macht.

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