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Jugendliche gehen eine Straße herunter, die mit deutschen und französischen Flaggen geschmückt ist.

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Schüleraustausch: Es geht auch auf eigene Faust

Teuer, bürokratisch? Das muss nicht sein: Mit dem deutsch-französischen Brigitte-Sauzay-Programm organisieren Familien beider Länder ihren Schüleraustausch selber.

Schüleraustausch? Keine Lust, hatte Konrad noch vor zwei Jahren gesagt. 13 Jahre alt war der Kölner Gymnasiast damals. Da half es auch nichts, dass seine Mutter eine französische Austauschpartnerin aus der Jugendzeit mit gleichaltrigem Sohn wiedergefunden hatte. Sie habe sich so gewünscht, dass Konrad erlebt, wie bereichernd es ist, die europäischen Nachbarn auf diese Weise kennenzulernen, erzählt Victoria Sonntag.

Wie aus dem 15-jährigen Konrad ein überzeugter Europäer wird

Im September 2016 reiste Konrad dann mit der ganzen Klasse eine Woche nach England – und kam begeistert aus seiner Gastfamilie zurück. „Es war toll, eine andere Sprache zu sprechen und andere Sportarten wie Rugby auszuprobieren“, sagt Konrad heute. Und kann kaum erwarten, dass der Austausch mit Frankreich nun doch startet: Nathan kommt im Februar für drei Monate nach Köln, Konrad fährt im Mai nach Laval in der Bretagne.

Plötzlich sollte alles ganz schnell gehen und das konnte es auch. Denn der Austausch ist selbst organisiert, beruht auf Gegenseitigkeit zwischen den Familien – und auf einer langen Tradition. Seit 1989 bietet das Brigitte-Sauzay-Programm des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) für Schüler der 8. bis 11. Klassen einen Rahmen und Beratung. Wer etwa noch keine Familie im anderen Land kennt, findet auf der Homepage des Jugendwerks „Kleinanzeigen“.

Nur ein Formular als Info für alle, schwärmt Konrads Mutter

Herunterladen können sich Eltern auch einen Vordruck für das „Dossier“, ein Laufzettel für die Austauschschüler, ihre Familien und Schulen. „Ein Formular wird als Info ausgetauscht – mehr ist es nicht“, schwärmt Victoria Sonntag. Der Hauptvorteil des Rahmens bestehe darin, dass die Freistellung vom Unterricht, die Aufnahme an der Schule im Ausland und die Anerkennung des Schulbesuchs so von den Schulbehörden in aller Regel anerkannt werden, sagt Yoann Joly-Müller, Leiter des Schulaustausches beim DFJW.

Ein Anreiz, das Programm zu nutzen, ist auch der Fahrtkostenzuschuss – für einen Austausch nach Paris sind es 180 Euro. Insgesamt sind die Kosten gering: Für Verpflegung und Unterkunft ist gesorgt und Schulgebühren fallen nicht an. Bundesweit haben 2015 rund 770 Schülerinnen und Schüler teilgenommen, 60 davon aus Berlin.

Europaweit das einzige Programm für Selbstorganisierer

Das Sauzay-Programm ist – gemeinsam mit einem sechsmonatigen DFJW-Programm – europaweit das einzige, das selbst organisierte Aufenthalte ermöglicht. In Großbritannien sei ein individueller Austausch zwar möglich, staatliche und damit gebührenfreie Schulen dafür aber kaum zu finden, sagt Michael Eckstein von der Deutschen Stiftung Völkerverständigung in Ahrensburg. „Sie wollen sich nicht darauf einstellen.“ Leichter sei es aber in Schottland – wie Irland ein Geheimtipp für individuelle Arrangements.

Für die USA wird Eigenregie nicht empfohlen

Die Stiftung versteht sich als unabhängige Beraterin für organisierte Austausche, berät Eltern, welche Anbieter ihre Kinder zu welchen Kosten vermitteln. Für die USA empfehle sich die Eigenregie gar nicht, sagt Eckstein. Die US-Regierung habe kein Interesse an frei hin- und herreisenden Jugendlichen. Abschreckend sollen Schulgebühren von umgerechnet rund 5000 Euro pro Jahr wirken. Mit den Reisekosten sei das fast so teuer wie der Aufenthalt mit einer der Organisationen (8000 bis 10 000 Euro für ein Jahr).

Konrad sieht sich "als Deutscher und Europäer"

Joly-Müller plädiert für einen „richtigen Austausch“, bei dem man Gastschüler ist und einen Schüler bei sich empfängt. Erst dann sei man „durch die Konfrontation mit der anderen Kultur in der Lage, die eigene infrage zu stellen“. Der heute 15-jährige Konrad aus Köln muss nicht mehr bekehrt werden. „Ich sehe mich als Deutscher und als Europäer“, sagt er. „Die Grenzen sind offen, man kann überallhin, in einer Stunde sind wir in Belgien oder Frankreich.“ Für Konrads Mutter ist der Austausch in Zeiten populistischer Absetzbewegungen eine „Voraussetzung für ein friedliches Miteinander in Europa und in der Welt“.

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