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Massenweise. Schmerzmittel in großen Verpackungen können den Eindruck erwecken, sie seien ungefährlich. Foto: ddp

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Schmerzmittel: Auf die Dauer gefährlich

Rezeptfreie Schmerzmittel sollen nur noch in geringen Mengen verkauft werden. Denn in höherer Dosierung können sie schädlich sein. warnen Wissenschaftler.

„Painkiller“ heißen sie in den USA, wo man sie in großen Mengen in jedem Drugstore kaufen kann. In deutschsprachigen Ländern ist der Pro-Kopf-Verbrauch an Schmerzmitteln zwar geringer, doch auch hier sind Wirkstoffe wie Acetylsalicylsäure (ASS), Paracetamol, Ibuprofen und Diclofenac in den meisten Hausapotheken zu finden. Gegen Kopf- und Gelenkschmerzen oder grippale Infekte. Der „Arzt“, der die Medikamente „verordnet“, ist dabei meist der Schmerzgeplagte selbst oder ein hilfsbereites Familienmitglied. Harmlos und nebenwirkungsfrei ist deren Einnahme aber allenfalls in niedriger Dosierung und für wenige Tage.

Experten fordern darum, dass die Mengen frei verkäuflicher Schmerzmittel begrenzt werden sollen. So wie es bei Paracetamol bereits seit April 2009 der Fall ist. Seitdem dürfen Apotheker das Mittel höchstens in einer Gesamtmenge von zehn Gramm verkaufen, falls der Kunde kein ärztliches Rezept vorweist. Denn Paracetamol ist in hoher Dosierung Gift für die Leber. In den USA sterben jedes Jahr 500 Menschen an den Folgen einer Überdosierung, beabsichtigt oder unbeabsichtigt. In Deutschland wurden 2006 4184 Intoxikationen mit Paracetamol bei den Giftinformationszentren gemeldet, die Mehrheit von ihnen nach einem Suizidversuch. Weil Paracetamol nicht nur Schmerzen lindert, sondern auch Fieber senkt, ist es ein beliebtes Kinder-Arzneimittel, meist in niedriger Dosierung in Zäpfchenform. „In Einzelfällen haben wir bei Kindern aber auch schon Vergiftungen durch Paracetamol gesehen“, warnt Ulrich Schwabe vom Pharmakologischen Institut der Universität Heidelberg. Für Erwachsene könnten bereits zehn Gramm, auf einmal eingenommen zusammen mit Alkohol, tödlich sein. Schwabe begrüßt wegen dieser Risiken die Verkaufseinschränkung, er würde sie sogar noch niedriger ansetzen.

Seiner Meinung nach ist es höchste Zeit, auch für Medikamente aus der Gruppe der nichtsteroidalen Entzündungshemmer, zu denen ASS, Ibuprofen und Diclofenac gehören, strengere Regeln aufzustellen. „Weil es hier keine Mengenbeschränkung gibt, könnte der Eindruck entstehen, dass sie weniger harmlos sind als Paracetamol.“ Ein Eindruck, der allenfalls stimmt, wenn man die Mittel nach ihrer Eignung für Suizidversuche einstuft. Die entzündungshemmenden Schmerzmittel bergen jedoch ebenfalls ein tödliches Risiko: Sie können bei Dauereinnahme starke Magenblutungen verursachen. Außerdem drohen Schädigungen der Niere, vor allem bei älteren Menschen, wenn deren Nierenfunktion ohnehin eingeschränkt ist. Dazu kommt ein paradox erscheinendes Problem der Dauereinnahme: der durch Kopfschmerztabletten hervorgerufene Kopfschmerz.

Fachleute wie Schwabe dringen darauf, dass diese Schmerzmittel nur noch in Mengen verkauft werden, die für vier Tage reichen. Darüber soll der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht beim Bundesinstitut für Arzneimittelsicherheit (BfArM) Anfang des neuen Jahres beraten. Es ist der zweite Anlauf, nachdem das aus Ärzten und Vertretern von Pharmafirmen bestehende Gremium im September einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte. Nun sollen ihm weitere Daten vorgelegt werden, etwa von den Giftnotrufzentralen und von einer Studie aus England, die die Vorzüge kleiner Packungen belegt, heißt es aus dem BfArM.

Dort hofft man, dass der Ausschuss nicht nur für Diclofenac, Ibuprofen und ASS, sondern auch für Phenazon und Propyphenazon Verkaufsgrenzen festlegen wird. „Wir meinen, dass die Einnahme von nichtsteroidalen Entzündungshemmern über vier Tage hinaus mit Risiken verbunden ist, die die Patienten so nicht erkennen können“, sagt die BfArM-Sprecherin Eva Schulz. Die Industrie müsse dem durch eine Anpassung der Packungsgrößen Rechnung tragen.

Wenn es alle gängigen Schmerzmittel nur noch in niedrigen Dosierungen und kleinen Mengen zu kaufen gäbe, würde das Bewusstsein für deren gefährliche Nebenwirkungen steigen, hofft Pharmakologe Schwabe. Eine Sichtweise, die auch zwei wichtige Apothekergremien teilen. In einer gemeinsamen Stellungnahme haben sich die Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker und die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft im November 2010 für die Festlegung maximaler Packungsgrößen ausgesprochen. Sie solle dem „unkritischen und zu häufigen Einsatz dieser Arzneistoffe“ vorbeugen. „Prinzipiell sollten verschreibungsfrei erhältliche Analgetika nicht länger als drei bis vier Tage und nicht an mehr als zehn Tagen pro Monat ohne ärztlichen Rat eingenommen werden“, heißt es in dem Papier.

„Das vermitteln wir auch immer wieder im Beratungsgespräch in der Apotheke“, ergänzt Ursula Sellerberg, Sprecherin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Wer mehrere Apotheken hintereinander abklappert, um größere Mengen Schmerzmittel rezeptfrei einzukaufen, muss sich unter diesen Umständen auch mehr warnende Worte gefallen lassen.

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