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Die für die Zerstückelung von Mitochondrien (grün) verantwortlichen Moleküle sind mit Antikörpern markiert und pink angefärbt.

© Lehrstuhl für Virologie/Universität Würzburg

Schläfer-Viren im Körper: Mechanismus der Reaktivierung von Herpesviren entschlüsselt

Herpesviren könnten Krankheiten wie MS oder Fatigue auslösen. Ein Mechanismus, der sie aus Ruhephasen weckt, bietet Ansatzmöglichkeiten für Therapien.

Herpesviren sind Profis im Verstecken. Sie können sich in Körperzellen zurückziehen, wo sie in einem Ruhezustand verharren und vom Immunsystem nicht erkannt und attackiert werden. Dann plötzlich wachen sie wieder auf, vermehren sich und verursachen unterschiedlichste Probleme.

Einen bisher unbekannten Mechanismus dieser Reaktivierung haben nun Forschende der Universität Würzburg im Fachmagazin Nature“ beschrieben. Wie die Erreger aus dem Ruhezustand erwachen, ist die zentrale Frage bei der Forschung an Herpesviren. „Wenn wir dies verstehen, wissen wir, wie wir therapeutisch eingreifen können“, erläuterte der Virologe Lars Dölken.

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Bestimmte Trigger können Herpesviren wachrütteln

Bis heute sind acht verschiedene Herpesviren bekannt, die Menschen infizieren können. Für alle gilt, dass sie bei der Erstinfektion von der Immunabwehr in der Regel nicht vollständig eliminiert werden können, sondern sich in Latenz dauerhaft im Körper ansiedeln. Unter bestimmten Umständen - etwa bei Infektionen, Fieber, Stress oder UV-Strahlung, die das Immunsystem schwächen - wachen sie aus dieser Art Dornröschenschlaf auf, vermehren sich wieder und befallen andere Zellen. Weil es so viele Herpesviren gibt, fallen die Krankheitsbilder, die sie auslösen können, entsprechend unterschiedlich aus. Neben Lippen- oder Genitalherpes, Windpocken und Gürtelrose zählen auch Pfeiffersches Drüsenfieber oder bestimmte Krebserkrankungen zu ihnen.

Das Team um Dölken und Bhupesh Prusty von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg widmete sich dem Humanen Herpesvirus 6A (HHV-6A), dem Erreger des Dreitagefiebers. Mit ihm seien mehr als 90 Prozent aller Menschen infiziert - ohne etwas davon zu merken, also ohne jemals Symptome aufzuweisen. Mit den Verursachern von Lippen- und Genitalherpes - HSV-1 und HSV-2 - ist HHV-6A nur entfernt verwandt.

Herpesvirus 6A Auslöser vom Fatigue-Syndrom?

Probleme bereite das Virus vermutlich erst dann, wenn es wiederholt aufwache, erläutern die Forschenden: HHV-6A steht demnach im Verdacht, die Herzfunktion zu beeinträchtigen, die Abstoßung transplantierter Organe zu verursachen und Krankheiten wie die chronisch-entzündliche Nervenerkrankung Multiple Sklerose oder das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) auszulösen, das auch mit den Langzeitfolgen von Covid-19 in Zusammenhang gebracht wird. Zudem gebe es Hinweise, dass HHV-6A an der Entstehung von Schizophrenie, Bipolarer Störung und weiterer Krankheiten des Nervensystems beteiligt sein könnte. Eine Impfung gegen HHV-6A gibt es anders alb bei Herpes Zoster, dem Erreger von Gürtelrose, bislang nicht.

Das Team um Dölken und Prusty zeigte, dass ein kleines virales RNA-Molekül, eine sogenannte Mikro-RNA (miRNA), der Hauptregulator für die Reaktivierung des Virus ist. Das Molekül namens „miR-aU14“ greift demnach in den Stoffwechsel menschlicher Mikro-RNAs ein. Bestimmte dieser Signalstoffe werden in der Folge nicht mehr gebildet, über weitere Signalwege kommt es zur Zerstückelung von Mitochondrien. Diese Zellorgane sind von zentraler Bedeutung für die Energieproduktion, aber auch für die Signalübertragung bei der Abwehr von Viren.

Mikro-RNA stört Produktion von Interferon

miR-aU14 störe auch die Produktion von Typ-I-Interferonen. Das sind Botenstoffe, mit dem die Zelle dem Immunsystem die Anwesenheit des Herpesvirus meldet. Die Folge: Der Erreger kann unbehelligt vom Ruhe- in den Aktivitätszustand wechseln und sich vermehren, wie die Wissenschaftler:innen berichten. Die virale Mikro-RNA sei dabei nicht nur für die Vermehrung des Herpesvirus essentiell, sondern löse eine direkte Reaktivierung des Virus aus dem Schlummerzustand aus.

Es gebe erste Hinweise, dass auch andere Herpesviren über den gefundenen Mechanismus reaktiviert werden können. Möglicherweise ergäben sich therapeutische Möglichkeiten, die Reaktivierung dieser Erreger entweder zu verhindern oder aber mit künstlich hergestellten kleinen RNAs gezielt auszulösen, um die betroffenen Zellen dann abzutöten. (mit dpa)

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