zum Hauptinhalt
Jugendliche Schüler und Schülerinnen, die Mund-Nasen-Schutz tragen, warten vor ihrem Schulgebäude auf Einlass.

© Ronny Hartmann/dpa-Zentralbild/dpa

Regierungschefs haben das letzte Wort: KMK hält Folgen von Schulschließungen für gravierender als Infektionsgefahr

Die KMK bleibt dabei: Trotz steigender Inzidenzwerte solle man Schulen zuletzt schließen. Doch die Ministerpräsidenten könnten am Montag anderes verordnen.

"Wir ringen um jeden Tag der Präsenzbeschulung von Schülerinnen und Schülern", sagt Britta Ernst, Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und Bildungsministerin in Brandenburg. Wenn Britta Ernst von der "Sorge um Kinder und Jugendliche", spricht, "die uns umtreibt", meint sie nicht die steigenden Infektionszahlen, sondern soziale und psychische Folgen von Schulschließungen.

Die KMK-Präsidentin bekräftigte am Freitag nach einer Sitzung der Minister:innenrunde, dass offene Schulen "weiterhin erste Priorität" haben. In dem jetzt gefassten KMK-Beschluss heißt es, durch Schulschließungen und Kontakteinschränkungen entstünden für Kinder und Jugendliche "negative Folgen der sozialen Isolation sowie des Wegfalls von Kontakten zu Gleichaltrigen außerhalb der Familien".

Britta Ernst warnte zudem, Schüler:innen könnten sich "diskriminiert fühlen", wenn sie im Infektionsgeschehen "zu einer Gefahr hochstilisiert" würden. Erste Ministerpräsidenten sahen es am Freitag bereits anders, so sprach Winfried Kretschmann (Grüne) von möglichen erneuten Schließungen wegen vieler Ansteckungen in Schulen und Kitas.

Vor einer Woche schon 28.000 Schüler in Quarantäne

Tatsächlich korrespondieren mit dem insgesamt wieder stark erhöhten Infektionsgeschehen steigende Zahlen von infizierten Kindern und Jugendlichen: In der vergangenen Woche wurden der KMK knapp 4000 Corona-Infektionen unter Schülerinnen und Schülern bekannt (Vorwoche: knapp 3000), darüber hinaus waren rund 28.000 Kinder und Jugendliche in Quarantäne (Vorwoche 16.300).

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Deshalb sind schon jetzt viele Schulen geschlossen: 2300 bundesweit waren es einer Auswertung der Deutschen Presseagentur zufolge in der vergangenen Woche. Bezogen auf die 23.000 Schulen - von bundesweit insgesamt 40.000 -, die ihre Zahlen gemeldet hatten, ist das jede zehnte Einrichtung.

Ein Porträtbild von Britta Ernst.
Britta Ernst (SPD), Ministerin für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg und Präsidentin der Kultusministerkonferenz.

© Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa

Und wöchentlich werden mehr Einrichtungen geschlossen: So müssen in den sächsischen Landkreisen Nordsachsen, Zwickau und Erzgebirge alle Schulen und Kitas von Montag an wieder schließen. Grund seien weiter steigende Inzidenzwerte, die dort seit mehreren Tagen über 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner liegen, teilte das Kultusministerium am Donnerstag in Dresden mit.

Bei rund 870.000 Lehrkräften, zu denen eine Meldung aus den Ländern vorlag, wurden 929 Corona-Fälle (Vorwoche 773) gezählt. Rund 3300 (Vorwoche rund 2200) waren darüber hinaus in Quarantäne.

"Schulen sicherer machen, um sie noch weiter zu öffnen"

Auf die Frage, mit welcher Strategie die KMK auf diese Zahlen reagiere, sagte Britta Ernst am Freitag: "Die Strategie der KMK lautet, so lange wie möglich offene Schulen." Ansonsten drohten sich die beschriebenen psychischen und Folgen für Schülerinnen und Schüler zu verschärfen - zusätzlich zu wachsenden Lernrückständen.

Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) und Hessens Minister Alexander Lorz (CDU) verwiesen auch auf die Hygienekonzepte der Schulen. Man sehe die "Verpflichtung, Schulen sicherer zu machen und Schritt für Schritt Personal und Schülerinnen und Schüler in Testkonzepte einzubeziehen", sagte Rabe. Lorz sprach von der Perspektive, "Schulen sicherer zu machen, damit wir sie noch weiter öffnen können".

Eine Schülerin sitzt an ihrem Platz im Klassenzimmer und träufelt ihr Sekret in einen Schnelltest.
Hoffnung setzten die Länder auf Schnelltests für Schüler:innen und Lehrkräfte.

© Ronny Hartmann/dpa-Zentralbild/dpa

Die KMK gibt aber auch zu bedenken, die Inzidenzwerte könnten durch die anstehenden Massentestungen an den Schulen weiter steigen - und die Länder dann zu weiteren Schulschließungen zwingen. Deshalb müsse die Inzidenz künftig um weitere Kriterien ergänzt werden. Ins Gewicht fallen müsse auch, wenn mittelfristig mehr und mehr Lehrkräfte und sonstiges Personal geimpft seien.

Das Robert-Koch-Institut weist die Relativierung des Inzidenzwertes zurück. RKI-Vizepräsident Lars Schaade erklärte am Freitag, der Anstieg der Fallzahlen sei real und nicht mit inzwischen mehr Schnelltests zu erklären. „Das Infektionsgeschehen gewinnt an Dynamik.“ Eine Verschlimmerung der Lage um Ostern, vergleichbar mit der Zeit vor Weihnachten, sei gut möglich.

Dass die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen Landkreisen, die auf den Notbremse-Indizidenzwert von 100 zusteuern oder ihn bereits überschritten haben, Schulschließungen bislang untersagt hat, wollte KMK-Chefin Ernst auf Nachfrage nicht kommentieren. Schon am Donnerstag hatte Ernst aber im RBB-Inforadio ihren Standpunkt deutlich gemacht, dass die Kommunen erst dann handeln müssten, wenn die Inzidenzwerte "in einem hohen dreistelligen Bereich" sind.

Kretschmann rechnet mit erneuten Verschärfungen

Der Appell der KMK an die Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Merkel am Montag lautet denn auch, dass Schulen "im Vergleich zu allen anderen Lebensbereichen am längsten geöffnet bleiben" müssten. Die Folgen von Schulschließungen für Kinder und Jugendliche seien "bei allen weiteren Maßnahmen prioritär zu berücksichtigen".

Ernst geht davon aus, "dass die KMK-Beschlüsse auf Akzeptanz stoßen" - und die Ministerpräsident:innen und die Kanzlerin folglich nicht in die Strategie des unbedingten Offenhaltens der Schulen hineinregieren.

Doch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Freitag mit Blick auf die erneuten Bund-Länder-Beratungen, angesichts vieler Ansteckungen in Kitas und Schulen könne es sein, "dass wir da auch was ändern müssen". Insgesamt müsse man damit rechnen, "dass Dinge zurückgenommen und verschärft werden".

Enttäuscht über den KMK-Beschluss äußerte sich der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE): Wegen des vom RKI beschriebenen "rapiden Anstiegs der Corona-Infektionen in den jüngeren Altersgruppen" dürfe sich die KMK "nicht vor Schulschließungen in Gebieten mit sehr hohen Inzidenzen verschließen", sagte Udo Beckmann.

Der Darstellung der KMK, die Schulen würden unter einem sehr hohen Maß an Infektionsschutz arbeiten, widersprach Beckmann: "Das stimmt so eben bei weitem noch nicht." Und das sei "ein Armutszeugnis für die Politik". (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false