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Kap der guten Grafik: Strömung am Cap Aghulhas an der Südspitze Afrikas, dargestellt mit Hilfe von Raytracing-Software.

© Abbildung: DKRZ

„Raytracing“: Bessere Bilder für Computerspiele und Forschung

Alles, was wir sehen, ist letztlich Licht. Eine Grafiktechnologie, die das zum Kernprinzip hat, verändert die Games-Welt und die Wissenschaftskommunikation.

Das Computerspiel „Control“ narrt Nutzer. Räume verschieben sich, Türen verschwinden, übernatürliche Kräfte walten. Doch das Labyrinth aus Hallen, Korridoren und Aufzügen wirkt auch verblüffend real: Pfützen reflektieren Licht, Möbel werfen bizarre Schatten – und in gläsernen Wänden spiegelt sich das Geschehen in allen Details. Die Kombination aus Effekten und realistischer Grafik macht alles nur noch unheimlicher.

Das Spiel, seit August im Handel, hebt Computerspielgrafik auf eine neue Stufe, heißt es in der Szene. Seine technische Basis ist „Raytracing“, also Strahlenverfolgung“. Die Technologie kommt nicht nur in Computerspielen zum Einsatz, sondern auch in Wissenschaft und Forschung.

Schattenspiele, Strahlengänge

Sie basiert auf der Grundlage, dass alles was wir sehen, bestimmt ist von der Art und Weise, wie Licht auf Objekte trifft: Ob es absorbiert, reflektiert oder gebrochen wird. Raytracing simuliert diesen Prozess: Es verfolgt den Pfad zwischen dem imaginären Auge des Betrachters und jedem einzelnen Punkt in einer digitalen Szene. So lassen sich Umgebungen sehr realistisch darstellen – mit Spiegelungen, Schatten und abstrahlenden Farbtönen. Als Technologie existiert Raytracing schon seit Jahrzehnten, ist aber sehr rechenaufwendig, gerade, wenn es wie bei Computerspielen in „Echtzeit“ ablaufen soll. Seit eine neue Generation von Grafikkarten auf dem Markt ist, setzen nun auch immer mehr Spielehersteller darauf. Die Technologie war eines der Trendthemen der diesjährigen Computerspielemesse Gamescom in Köln. Der Hersteller Nvidia präsentierte dort seine RTX-Grafikkarten, die Raytracing bis zu zwanzigmal schneller macht. „Alle kommenden Blockbuster und auch die nächste Konsolengeneration werden Raytracing unterstützen“, sagt Lars Weinand von Nvidia. Sony (Playstation) und Microsoft (Xbox) haben das auch bereits bestätigt.

Computerspiele sind aber längst nicht das einzige Einsatzgebiet von Raytracing. Film- und Fernsehstudios nutzen es für computergenerierte Szenen. Leistungsstarke Computer rechnen hierfür oft tagelang. Und Stadtplaner untersuchen per Raytracing, wie sich die Schatten von Gebäuden auf das städtische Mikroklima auswirken. Auch die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen lässt sich so berechnen, was hilft, Antennen optimal anzubringen. Genauso lässt sich simulieren, wie bestimmte Teilchen – Neutronen etwa – im Raum transportiert werden. Und Raumakustik lässt sich per Simulation der Schallwellen-Ausbreitung verbessern.

Tiefe Blicke in den Meeresstrom

Klimaforscher nutzen die Technik, um Daten zu visualisieren. „Wir profitieren von der Entwicklung im Spielebereich“, sagt Niklas Röber, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Klimarechenzentrums (DKRZ) in Hamburg. Dort steht der Großcomputer Mistral, in dem auch jene neuartigen-Grafikkarten rechnen. „Das DKRZ unterstützt die deutsche Klimawissenschaft in der Durchführung von Experimenten“, sagt Röber. Man werte Datensätze aus und erstelle auch Grafiken. Raytracing könne helfen, diese Grafiken anschaulicher zu machen.

Röber gibt ein Beispiel: „An der Südspitze von Afrika gibt es eine sehr markante ozeanische Strömung, den Agulhasstrom, er bringt warmes, salzhaltiges Wasser aus dem Indischen Ozean in den Atlantik.“ Für Forscher sind solche Strömungen besonders interessant, weil sie durch die globale Klimaerwärmung beeinflusst werden, was seinerseits dann wieder Auswirkungen auf Meerestemperatur und Klima hat. Röber hat die Strömung mit der Software Paraview visualisiert, die Raytracing beherrscht. Sie ermöglicht etwa Tiefenunschärfe darzustellen, wie man sie von herkömmlichen Fotokameras kennt. „Gerade bei Strömungslinien ist die Tiefenwahrnehmung durch die große Anzahl an Objekten schwierig“, sagt Röber.

Schönrechner

Man könne zwar ungefähr erkennen, wo vorne und hinten sei, „aber mit realistischen Schatten ist die Tiefenwahrnehmung viel einfacher.“ Genau diese Schattenberechnung ist eine der Fähigkeiten von Raytracing. Die Simulation des Agulhasstroms zeigt das Kap Agulhas, Afrikas südlichsten Punkt, als grüne Fläche und die Strömung als farbige Linien. Schnelle Strömungen sind rot und langsame blau codiert. Dank Raytracing bleiben selbst derart komplexe Simulationen anschaulich, die Aufmerksamkeit des Betrachters wird auf bestimmte Aspekte gelenkt. Und die Rechner sind schneller als mit der bisher üblichen Rastergrafik-Methode.

Während bei Computerspielen Echtzeit-Raytracing genutzt wird, damit alles aus ständig wechselnden Blickwinkeln der Spieler möglichst realistisch aussieht, verwenden Wissenschaftler die Methode also, um Bilder komplett mit sämtlichen Strahlen zu berechnen. Beides hat das Ziel, das Dargestellte optisch besonders attraktiv oder anschaulich zu machen. Fachleute wie Röber sind sich sicher, dass mit besser werdender Hard- und Software Raytracing in immer mehr Bereichen angewandt werden wird: Es sei der „Heilige Gral“ der Computergrafik. „Aber es gibt noch viel zu tun.“

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