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Nicht für diese Welt. Der Rover „Asimov“ des Part-Time-Scientists-Teams wird in einem Mondlabor getestet.

© Part Time Scientists

Raumfahrt: Wettrennen zum Mond

20 Millionen Dollar Preisgeld für die erste privat finanzierte Mondmission. Die Forderung: Flug zum Erdtrabanten, sanfte Landung und 500-Meter-Fahrt eines Roboters. Forscher aus aller Welt suchen nach dem besten Rover - und Sponsoren.

20 Millionen Dollar für einen halben Kilometer. Diese Fahrtkostenerstattung möchte wohl jeder gern beantragen. Doch die Strecke muss auf dem Mond absolviert werden, von einem Roboter, bis zum 31. Dezember 2015 und vor allen anderen. So schreiben es die Regeln des Google-Lunar-X-Prize vor. Neben dem Hauptpreis gibt es noch Nebenwettbewerbe, etwa das Fotografieren von „Apollo“-Resten oder der Nachweis von Wasser.

Vor fünf Jahren wurde der Preis von der amerikanischen X-Prize-Foundation ausgelobt, finanziert wird er vom Internetriesen Google. Die Stiftung will damit privatwirtschaftliche Technologieentwicklungen anstoßen und fordert, dass höchstens zehn Prozent der Missionskosten aus öffentlicher Förderung bestritten werden. Der Löwenanteil muss von Sponsoren und Industriepartnern kommen. 26 Teams sind noch im Rennen. Wie nah oder weit sie von ihrem großen Ziel entfernt sind, darüber berichteten einige von ihnen jetzt auf einer Fachtagung in Berlin.

Auf filigranen Rädern soll der "Hunveyor-15" des ungarischen Teams Puli Space rollen.
Auf filigranen Rädern soll der "Hunveyor-15" des ungarischen Teams Puli Space rollen.

© Puli Space

Die vorwiegend ungarische Tüftlergruppe macht den zweiten Schritt vor dem ersten: Sie konzentriert sich zunächst auf den Rover, der auf dem Mond umherfahren soll. Wie er dort hinkommt – mit welcher Rakete und wie das Landemodul aufgebaut wird, um den Roboter sanft abzusetzen – das werde man später klären, sagte Márton Deák vom Team "Puli Space“. Er und seine Kollegen haben zunächst im Labor eine Kraterlandschaft nachgebaut, in der ihr „Hunveyor“ mit seinen vier filigranen Rädern für die Mission trainiert wird.

Auch der typische Mondboden, Regolith genannt, wird von den Forschern simuliert. Dazu testeten sie die verschiedensten Materialien, die einigermaßen preiswert zu haben sind. „Zu unserer Überraschung stellten wir fest, dass Aluminiumhydroxid dem lockeren Mondboden am ähnlichsten ist“, sagt Deák. Demnächst werden in einer Bauxitmine weitere Probefahrten folgen, bei denen die Steuerungssoftware getestet werden soll.

Rund. Das Design einer rollenden Kugel gehört zu den Favoriten des spanischen Frednet-Teams.
Rund. Das Design einer rollenden Kugel gehört zu den Favoriten des spanischen Frednet-Teams.

© EETAC/UPC

Ein völlig anderes Fahrzeugkonzept verfolgen der Spanier Jordi Gutiérrez und sein Kollege Joshua Tristancho, der beim Team „Frednet" angestellt ist. Sie planen einen kugelrunden Rover, der bewegt wird, indem gezielt Masse in seinem Inneren aus dem Gleichgewicht gebracht wird. „Der staubige Mondboden setzt beweglichen Teilen ziemlich zu“, erläutert Gutiérrez. Einige Probleme der Apollo-Rover seien auf eben jenen Regolith zurückzuführen, der sensible Teile abschmirgelte. „Um das zu umgehen, schlagen wir vor, alle sensiblen Teile in einer Hülle zu schützen.“

Bis zu 35 Grad Neigung soll das balancierende Hamsterrad überwinden können. „Die Bauweise hat viele Vorteile“, sagt Gutiérrez. Im Vergleich zu anderen Fahrzeugen sei sie einfach, robust und preiswert. Abstriche müsse man jedoch bei der Ausstattung mit wissenschaftlichen Geräten und bei der Stromversorgung machen. Denn es muss alles in die Kugel hineinpassen.

Dennoch könnte die Bauweise eine große Zukunft haben, nicht nur auf dem Mond, glaubt der Wissenschaftler. Denkbar sei, dass bei Missionen auf anderen Planeten viele kleine Rover in regelrechten Schwärmen aufbrechen, um das Terrain für größere Fahrzeuge zu erkunden. So könnten die teuren Hightechlabors einerseits zu besonders interessanten Plätzen geführt werden und vor unnötiger Gefahr, etwa dem Versacken in Sandkuhlen und Kratern, bewahrt bleiben.

„Solche Entwicklungen sind der eigentliche Gewinn des Wettbewerbs“, sagt Alexandra Hall von der X-Prize-Foundation. „Auch wenn ein Team den Preis nicht bekommt, können seine technischen Erfindungen für andere Anwendungen genutzt werden.“ Wobei der Sieger die besseren Chancen hat. Das hat bereits der Ansari X-Prize gezeigt, wo es darum ging, den ersten privat finanzierten Weltraumflug in mindestens 100 Kilometer Höhe zu absolvieren. Beim damaligen Siegerteam „Scaled Composites“ hatte sich umgehend Virgin-Chef Richard Branson eingeklinkt, nun arbeiten sie zusammen an Raumflügen für Touristen. Auf diese Weise lässt sich mit einer Idee langfristig Geld verdienen.

Das müssen die Teams auch, denn der ausgeschriebene Preis wird, selbst wenn man ihn bekommt, die Kosten nicht decken. Ein zweistelliger Millionenbetrag müsse für jede Mondmission aufgebracht werden, erzählt Alexandra Hall, die mit allen Teams in Kontakt steht. Schon die Anreise schlägt mit fünf bis 30 Millionen Dollar zu Buche, sagt sie. Je nachdem, ob man eine Rakete für sich allein bucht oder sich auf einen Satellitenstart „draufsetzt“ und mit einer erneut zündbaren Oberstufe das fehlende Wegstück vom Erdorbit zum Mond zurücklegt.

„Mit den ersten Starts rechne ich frühestens Ende 2013“, sagt Hall. Drei Teams hätten Anzahlungen bei Raketenbetreibern geleistet. Es werden weitere folgen, doch am Ende, schätzt sie, wird weniger als ein Dutzend tatsächlich abheben.

Gute Chancen rechnen Experten dem vorwiegend aus Deutschland stammendem Team „Part Time Scientists“ zu. „Wir wollen mit einer umgebauten russischen Interkontinentalrakete vom Typ ,Dnepr’ starten“, sagt Robert Böhme. Ende 2013 oder Anfang 2014 soll es soweit sein. Die Wissenschaftler haben vielfältige Kooperationen mit Firmen, Universitäten und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt aufgebaut. Und sie suchen weitere Partner, denn die Missionskosten von schätzungsweise 40 Millionen Euro sollen ausschließlich selbst getragen werden, betont Böhme. Eine mögliche Re-Finanzierung über den Google-Lunar-X-Prize sei nicht das Ziel. „Wir wollen zeigen, wie Forschung und Entwicklung unabhängig von Politik und öffentlichen Fördermitteln gelingen kann.“

Für die Mondwissenschaftler wäre das ein Gewinn. Denn bei den staatlichen Raumfahrtagenturen wie Esa und Nasa, auf die sie bislang angewiesen sind, ist die Planetenforschung eine langwierige Angelegenheit, bei der lange vorbereitete Missionen auch mal komplett gestrichen werden. Der private „Moonrace“ biete jedenfalls viele Möglichkeiten, um wissenschaftliche Experimente auf den Erdtrabanten zu bringen, lautete das Fazit vieler Fachleute auf der Berliner Tagung.

Ob private Flüge tatsächlich eine größere Rolle für die Mondforscher spielen werden, ist derzeit noch fraglich. Die Resultate aus den teuren Missionen lassen sich nicht so einfach vermarkten, dementsprechend schwer ist die Finanzierung. Das bekommen auch die Part Time Scientists zu spüren. Sie suchen noch immer einen Hauptsponsor.

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