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Mond

© Imago

Raumfahrt: Halbmondmission

Die erste deutsche Mondsonde, die 2012 starten sollte, wird offenbar nicht gebaut. Das Bundeskabinett hat in seinem aktuellen Haushaltsentwurf für die Mission kein Geld vorgesehen – weder für das Jahr 2009 noch in der mittelfristigen Finanzplanung in den Folgejahren.

350 Millionen Euro hätte die unbemannte Forschungssonde gekostet, deren Entwicklung bislang vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vorangetrieben wurde.

Die Mondmission sei im Interesse der Haushaltskonsolidierung zurückgestellt worden, heißt es aus dem zuständigen Bundeswirtschaftsministerium.

Große Hoffnungen hatten das DLR und mehrere Forschergruppen von Universitäten sowie der Max-Planck-Gesellschaft in den 500 Kilogramm schweren Späher gesetzt. Vier Jahre lang sollte er den Mond in nur 50 Kilometer umkreisen und dabei Aufnahmen von dessen Oberfläche machen – detaillierter als jede andere Sonde zuvor.

„Eine nationale Mission würde die deutsche Exzellenz in Wissenschaft und Technologie eindrucksvoll unter Beweis stellen“, hatte der Vorstandsvorsitzende des DLR, Johann-Dietrich Wörner, immer wieder betont.

Jetzt ist die Enttäuschung groß. „Ich denke, das war eine falsche und kurzsichtige Entscheidung“, sagt Harald Hiesinger von der Universität Münster. Er ist an der Entwicklung von einem der insgesamt 13 Messgeräte beteiligt, die auf der unbemannten Sonde montiert werden sollten. „Die deutsche Planetenforschung hat in den vergangenen Jahren international eine enorme Reputation erhalten, selbst die Amerikaner betrachten uns jetzt als ernst zu nehmende Partner“, sagt Hiesinger. „Damit das so bleibt, muss man aber immer wieder etwas nachlegen.“ Es genüge nicht, Hochglanzbroschüren zu erstellen von Missionen, die dann nicht fliegen.

„Den Wissenschaftsstandort Berlin trifft es besonders hart“, sagt Gerhard Neukum von der Freien Universität (FU), der an vier möglichen Instrumenten der Mondsonde arbeitet. „Das Scheitern der Mission hat zur Folge, dass in der Stadt bestimmt zwei Dutzend Wissenschaftler weniger arbeiten werden als geplant.“ Dadurch werden die Chancen für Planetenforscher immer schlechter, sagt Neukum: „Ich rate meinen Absolventen zunehmend, ins Ausland zu gehen.“

Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als seien die Pläne für die deutsche Mondmission in der Politik gut angekommen. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium unter Michael Glos (CSU) hatte die Kosten bereits in seinen Haushaltsentwurf aufgenommen. Doch als das Kabinett den Haushaltsplan abstimmte, kam die Sonde darin nicht mehr vor. Stattdessen sind im nächsten Jahr im DLR-Budget 19 Millionen Euro extra vorgesehen, die für den Aufbau eines Leistungszentrums für Automation und Robotik im bayerischen Oberpfaffenhofen genutzt werden sollen. „Glos steht nicht hinter der Mondmission. Er macht mit den Raumfahrtgeldern lieber bayerische Landespolitik, statt seiner Aufgabe als Technologieminister nachzukommen“, kritisierte daraufhin die FDP-Forschungsexpertin Ulrike Flach in der „Braunschweiger Zeitung“. Andere Raumfahrtexperten sehen in der Sonderzahlung eine Art Schweigegeld für die gestrichene Mondmission.

Der Regierungskoordinator für Raumfahrt und Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Peter Hintze (CDU), glaubt dennoch an den Sinn des Mondprojekts. „Ich finde es nach wie vor hochinteressant und suche nach einem Weg, es doch noch zu verwirklichen. Vielleicht ist das im Rahmen des Budgets der europäischen Raumfahrtagentur möglich“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Mond sei als Archiv unseres Sonnensystems von höchstem Interesse für die Forschung. „Und wir Deutschen haben die weltweit führende Technologie zu seiner Erkundung.“ Derartige Projekte seien nötig, um die Menschheitsfrage zu beantworten: Wie können wir das Leben auf dem blauen Planeten bewahren?

Auch für DLR-Chef Wörner ist die Mondmission noch nicht vom Tisch, denn der Haushalt sei ein vorläufiger und noch nicht vom Bundestag beschlossen worden. Das soll im November geschehen. „Ich kann auch nicht erkennen, dass sich das Wirtschaftsministerium gegen die Mondmission ausgesprochen hätte – es hat sich in den Verhandlungen nur nicht durchsetzen können“, sagte Wörner.

Er glaubt weiterhin, dass die Mission starten wird: „Die Chancen, dass eine deutsche Mondsonde abhebt, liegen bei 90 Prozent.“ Der ursprünglich geplante Starttermin von 2012 sei zwar nicht mehr zu halten, aber die Verzögerung werde kaum mehr als ein Jahr betragen. Derzeit werde diskutiert, einzelne Instrumente, die eigentlich in Deutschland entwickelt und gefertigt werden sollten, von anderen Raumfahrtagenturen installieren zu lassen. Die Italiener und Amerikaner hätten bereits Interesse bekundet, sagt Wörner.

„Auch wenn es eine internationale Beteiligung geben wird – es soll eine deutsche Mission sein.“ Und fügt hinzu: „Wir arbeiten weiter daran.“

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