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Rasant. Geparden können bis zu 100 Kilometer pro Stunde schnell werden.

© picture alliance / WILDLIFE

Rasende Raubkatze: Blitzschnell von null auf hundert

Geparden beschleunigen und bremsen rasch – das ist vermutlich wichtiger für den Jagderfolg als die Geschwindigkeit.

Geparden erreichen Spitzengeschwindigkeiten von rund 100 Kilometern pro Stunde (km/h) und gelten damit als die schnellsten Landtiere. Ihre Jagderfolge aber verdanken die Raubkatzen nicht nur ihrer Rasanz. Vielmehr sind es Beschleunigungsvermögen und Wendigkeit, die eine erfolgreiche Jagd ausmachen. Das haben britische Forscher nun in freier Wildbahn beobachtet. Sie erhielten ein besonders detailreiches Bild der Gepardenjagd, indem sie elektronische Halsbänder einsetzten, die neben GPS-Empfängern auch Beschleunigungssensoren enthielten. So konnten die Biologen Daten aus beiden Messgeräten, also Positionen und Beschleunigungswerte, miteinander kombinieren, berichten sie im Fachblatt „Nature“.

„Obwohl der Gepard als das schnellste Landtier anerkannt wird, weiß man nur sehr wenig über andere Aspekte seiner athletischen Fähigkeiten, insbesondere, was die Jagd in freier Wildbahn betrifft“, schreiben Alan Wilson vom Royal Veterinary College in Hatfield und seine Kollegen. „Unseres Wissens zufolge ist dies die erste detaillierte Bewegungsinformation über die Jagd-Dynamik eines großen Hetzjägers in seinem natürlichen Lebensraum.“

Die Forscher nutzten zum Sammeln ihrer Daten Halsbänder, die sie eigens konstruiert hatten. In den Geräten war nicht nur ein GPS-Modul enthalten, das Daten zu Position und Geschwindigkeit und somit ein grobes, zweidimensionales Bewegungsmuster lieferte. Auch registrierten spezielle Sensoren die Geschwindigkeitsänderungen in allen drei Körperachsen, was Daten zu den Beschleunigungswerten beisteuerte.

Mit diesen Halsbändern statteten Wilson und seine Kollegen fünf wild lebende Geparden aus und analysierten 367 Läufe, die über einen Zeitraum von 17 Monaten aufgezeichnet worden waren. Ein Jagderfolg der Tiere zeichnete sich dadurch aus, dass eine Anhäufung von Daten der Beschleunigungssensoren auftrat, nachdem die Geschwindigkeit der Raubkatzen auf null gesunken war, was als Reißen der Beute interpretiert wird. In einem Viertel der Fälle war die Jagd von Erfolg gekrönt; allerdings gehen die Forscher davon aus, dass sich unter den analysierten Läufen auch solche befanden, die nicht der Jagd gedient hatten. In dichterer Vegetation mit ausreichend Deckung waren die Geparden grundsätzlich erfolgreicher als im offenen Grasland.

Die Biologen verzeichneten eine bemerkenswerte Spitzengeschwindigkeit von 93 km/h. Bei den meisten Jagdereignissen traten aber nur moderate Geschwindigkeiten auf. Wenige Sprints überschritten 72 km/h; der Schnitt lag bei rund 50 km/h. Viel wichtiger als eine hohe Geschwindigkeit war allerdings das Vermögen der Raubkatzen, ungewöhnlich schnell zu beschleunigen und abzubremsen. Sie konnten innerhalb nur eines einzelnen Schrittes knapp 11 km/h an Tempo hinzugewinnen. Beim Bremsen, also beim Ausüben einer negativen Beschleunigung, waren sie mit etwa 14 km/h pro Schritt sogar noch ein wenig effektiver. Beides zusammen befähigt die Tiere zu sehr schnellen Richtungswechseln und macht sie damit ungeheuer wendig. Die für diese enorme Beschleunigungen notwendige Muskelkraft, kalkulierten die Forscher, ist die höchste, die jemals bei einem Landtier festgestellt wurde.

Bereits vor einem Jahr veröffentlichte Wilson gemeinsam mit Kollegen eine Studie im Fachblatt „Journal of Experimental Biology“, in der die Biologen die Laufleistungen von Geparden mit denen von Windhunden verglichen. Damals hatten sie die Bewegungsabläufe im Galopp und die dabei auftretenden Kräfte unter die Lupe genommen, um herauszubekommen, was den Geparden zum Geschwindigkeitsrekordhalter macht. Sie fanden einige Einflussfaktoren, darunter größere Schrittlänge, höhere Schrittfrequenz und effektiveren Vortrieb dank der Krallen.

Für diese Versuche hatten die Forscher Hochgeschwindigkeitskameras und spezielle, am Boden installierte Kraftmessplatten eingesetzt. „Kraftmessplatten sind verhätschelte, heißgeliebte Ausrüstungsgegenstände, die man normalerweise nicht aus dem Labor holt und im englischen Sommer im Boden verbuddelt“, sagt Wilson. Dennoch hatten die Forscher genau dies getan, um den Gang von Geparden in einem britischen Tierpark zu untersuchen. Zum Rennen animierten sie die Raubkatzen mit einem Stück Hühnchen, das mit hoher Geschwindigkeit durch das Gehege gezogen wurde. Außerdem wiederholten sie die Messungen in einem südafrikanischen Geparden-Zentrum und mit den Windhunden.

Die Wissenschaftler analysierten daraufhin die auf die Gliedmaßen der Tiere wirkenden Kräfte, Bewegungsabläufe und Schrittmuster und stellten fest: Die in Gefangenschaft lebenden Geparden erreichen mit rund 60 km/h nicht die bei wild lebenden Tieren beobachteten Spitzengeschwindigkeiten. Dagegen schafften die Windhunde beinahe 70 km/h. Die Forscher vermuten, dass die Raubkatzen in Gefangenschaft schlicht nicht die Motivation und die Übung von Artgenossen in freier Wildbahn haben. Dennoch ließen sich Unterschiede ausmachen, die erklären könnten, warum Geparden an sich deutlich schneller sind als Hunde.

Krallen und Bodenkontakt spielen demnach eine Rolle. Die Krallen verschaffen der Raubkatze guten Halt und damit besseren Vortrieb. Und Geparden bleiben mit manchen ihrer Gliedmaßen etwas länger in Bodenkontakt, was ihnen ebenfalls einen Geschwindigkeitsvorteil verschaffen könnte. Längere Beine und ein längerer Rücken ermöglichen dem Geparden zudem eine größere Schrittlänge.

Außerdem kann die Raubkatze ihre Gliedmaßen während eines Schwungs in kürzerer Zeit wieder in die Ursprungsposition bringen, vor allem bei höheren Geschwindigkeiten. Dies erlaubt wiederum eine höhere Schrittfrequenz bei höheren Geschwindigkeiten, während der Windhund seine Schrittfrequenz beibehält. Gepaart mit der größeren Schrittlänge könnte dies wilden Geparden die Rekordgeschwindigkeiten von 100 km/h bescheren. Für eine erfolgreiche Jagd spielt das allerdings nur eine untergeordnete Rolle, wie die Beobachtungen zeigen.

Cornelia Dick-Pfaff

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