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In NRW verdienen Professorinnen im Schnitt 615 Euro weniger als Professoren.

© imago/photothek

Update

Professorinnen benachteiligt bei Zulagen: Gender Pay Gap in der Wissenschaft

Auch in der Wissenschaft gibt es einen Gender Pay Gap - allerdings ist die Lage nur disparat erforscht. Die Grünen fordern das jetzt zu ändern.

Verbeamtete und vollzeitbeschäftigte Professorinnen in Nordrhein-Westfalen verdienen im Schnitt monatlich 615 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. An den medizinischen Fakultäten beträgt der Unterschied sogar fast 1000 Euro.

Das geht aus einer Studie des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW an der Universität Duisburg-Essen zur „Geschlechter(un)gerechtigkeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen“ hervor, die vom Wissenschaftsministerium finanziert wurde. Darin konstatieren die Autorinnen einen „disparaten Forschungsstand zu den spezifischen Ausprägungen des Gender Pay Gaps an Hochschulen“ bundesweit.

Eine Studie zum Gender Pay Gap kommt aus NRW

Gravierende Forschungslücken beklagt auch der wissenschaftspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Kai Gehring, in einer aktuellen Stellungnahme. Zwar liegt neben der Studie aus NRW eine vergleichbare aus Niedersachsen vor (beide erschienen 2019).

Doch ein „vergleichbares oder einheitliches Forschungsdesign“ für alle Länder, um den Gender Pay Gap an Hochschulen und in der Wissenschaft zu untersuchen, stehe aus. Insbesondere die Lage an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und den Ressortforschungsinstituten des Bundes stellten „weiße Flecken“ dar.

[Lesen Sie hier: Warum Berlins Wissenschaft Spitze bei der Gleichstellung ist]

Gehring fordert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf, eine bundesweite Studie zum Gender Pay Gap in der Wissenschaft in Auftrag zu geben. Es sei eine „gesamtstaatliche Aufgabe, dass das Innovationssystem geschlechtergerecht gestaltet ist“, hielt er dem Parlamentarischen Staatssekretär im BMBF, Michael Meister, laut Wortprotokoll am 4. März in einer Fragestunde im Bundestag vor.

Der Bund will keine Untersuchungen zum Einkommensgefüge in der Wissenschaft

Der Bund beabsichtige nicht, „weitere Untersuchungen zum Einkommensgefüge“ in der Wissenschaft zu initiieren, erwiderte Meister, und verwies auf Gleichstellungsberichte der Bundesregierung und die Publikation „Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung“.

Diese enthalten allerdings keine Angaben zu geschlechterbedingten Gehaltsunterschieden, vielmehr geht es dort um Frauenanteile auf den jeweiligen Qualifizierungsstufen und in den Fächergruppen. Meister wandte auch ein, dass die Länder dafür zuständig seien, für die Hochschulen „das Ausmaß eines möglichen Verdienstdifferenzials von Beschäftigten zu untersuchen“ – und nicht der Bund.

Für die Außeruniversitären sei im Pakt für Forschung und Innovation vereinbart worden, „dass wir auf die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern hinwirken“. Damit habe der Bund einen „Anreiz“ gesetzt – und die Wissenschaftseinrichtungen gleichzeitig um jährliche Monitoringberichte gebeten. Insofern müsse man auch hier keine Studien in Auftrag geben, sagte Meister.

Die W-Besoldung führt zum Gender Pay Gap

Grünenpolitiker Gehring erinnerte dagegen an die Kompetenz des Bundes, Projekte in der Bildungsforschung zu fördern. Da läge eine Studie zum Gender Pay Gap in der Wissenschaft doch nahe. Auf diesen Einwand ging der Staatssekretär ebenso wenig ein wie auf Gehrings Frage nach den Einrichtungen der Ressortforschung.

Die Autorinnen des „Gender-Reports der Hochschulen“ aus NRW sehen indes bundesweiten Handlungsbedarf. Die 2005 eingeführte W-Besoldung mit ihren individuell zu verhandelnden Leistungsbezügen „hat maßgeblich zum Einzug eines direkten Gender Pay Gaps geführt“, heißt es.

Professorinnen erhielten seltener Leistungsbezüge und diese fielen niedriger aus als bei Professoren. Beispielsweise bekämen Väter im Schnitt 1000 Euro mehr im Monat als kinderlose Hochschullehrer, Mutterschaft dagegen wirke sich nicht nennenswert aus.

Verdienstunterschiede verschärfen sich mit dem Alter

Die Verdienstunterschiede verschärften sich zudem mit zunehmendem Alter. Und bei Frauen seien Leistungsbezüge seltener ruhegehaltsfähig. Beim Gender Pay Gap handele es sich eindeutig um „geschlechterbezogene Entgeldunterschiede zuungunsten von Professorinnen“ – und auch von Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung sowie von Frauen im akademischen Mittelbau. Die Unterschiede ließen sich nicht durch Qualität, Berufserfahrung und Berufsfeld erklären.

„NRW ist keine Ausnahme“, betonen die Autorinnen des Gender-Reports und verweisen auf eine Studie des Instituts für Hochschulforschung an der Universität Halle-Wittenberg über den Gender Pay Gap bei Leistungsbezügen an Hochschulen in Niedersachsen. Sie empfehlen, die Strukturen bei der Professorenbesoldung kritisch zu überprüfen, insbesondere bei der Vergabe von Leistungsbezügen. Ins Landesbesoldungsgesetz solle dazu ein Benachteiligungsschutz aufgenommen werden. Und die Hochschulen sollten die Entwicklung ihres Gender Pay Gaps regelmäßig veröffentlichen.

Auch für Berlin gibt es keine Studie

Für Berlin liegt bislang keine Studie zu geschlechtsbedingten Gehaltsunterschieden in der Wissenschaft vor, wie die Senatskanzlei Wissenschaft auf Anfrage bestätigte. In seinen Berichten zur Gleichstellung bei den Professuren weist der Senat bislang nur aus, wie sich der Frauenanteil bei den Berufungen entwickelt.

Derzeit liegt er bei 32,2 Prozent, bundesweit die höchste Quote. Von den Neuberufungen ergingen in Berlin 46 Prozent an Frauen, ein Prozent mehr als im Vorjahr; 2016 waren es erst 29 Prozent.

Eine Bestandsaufnahme auch zum Gender Pay Gap hatte die damalige Vizepräsidentin der UdK, Susanne Fontaine, im Dezember 2019 bei einer Anhörung im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses zur Chancengleichheit an den Berliner Hochschulen gefordert. Ziel einer solchen, einmal pro Jahr stattfindenden Erhebung sollte es sein, „entsprechende Zahlen anonymisiert zu erfassen und zu vergleichen, um möglichst geschlechterspezifische Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen“, sagte Fontaine laut Protokoll.

Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach sprach sich am Montag für eine Berliner Auswertung aus: "So können wir uns einen besseren Eindruck von der Situation an unseren Hochschulen verschaffen und auf Basis dieser Erkenntnisse dann gezielt Maßnahmen entwickeln.“

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