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Satellitenaufnahme einer Algenblüte in der Barentssee

© Jeff Schmaltz, Joshua Stevens, LANCE/EOSDIS Rapid Response, Nasa

Produktives Polarmeer: Das Nordpolarmeer ergrünt

Der Eisschwund verändert das Ökosystem Nordpolarmeer. Forscher beobachten einen Algenboom.

Die Erwärmung der Arktis lässt die Eisdecke auf dem Nordpolarmeer in den Sommermonaten kleiner, löchriger und dünner werden. Der Eisschwund bleibt nicht ohne Folgen. Das nun ins offene Wasser vordringende Sonnenlicht kurbelt das Wachstum von Algen so stark an, dass es aus dem Weltraum zu erkennen ist.

Satellitendaten zeigen, dass die Produktivität des Ökosystems in den Jahren von 1998 bis 2018 um 57 Prozent zugenommen hat. Das berichten Kevin Arrigo und Kollegen von der Stanford University in Kalifornien in der Zeitschrift „Science“.

Das Meereis schwindet rasant: Allein zwischen 1998 und 2018 haben im Nordpolarmeer die Flächen mit offenem Wasser, von dem weniger als die Hälfte mit Eisschollen bedeckt ist, um 27 Prozent zugenommen, fassen Arrigo und seine Kollegen die Entwicklung zusammen. Demnach hat sich das Gebiet mit offenem Wasser alle sechs Jahre um eine Fläche von mehr als 350.000 Quadratkilometern vergrößert, was der Fläche Deutschlands entspricht.

Während das weiße Eis das Licht der Sonne zum größten Teil reflektiert, dringen die Sonnenstrahlen bis in etliche Meter Tiefe ins offene Wasser vor und lassen dort reichlich Algen wachsen.

Nährstoffeinstrom

„Wir beobachten im östlichen Bereich der Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen bereits seit Jahren ein stärkeres Wachsen des Phytoplanktons“, erklärt die Meeresbiologien Eva-Maria Nöthig vom Alfred-Wegener-Institut (Awi), dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven.

Da im Wasser des Nordpolarmeeres nur relativ wenige Nährstoffe schwimmen, dürfte dieses Wachstum nach der bisherigen Meinung etlicher Polarforscher allerdings relativ rasch an seine Grenzen stoßen.

Arrigos Team berichtet aber, dass das Wachstum des Phytoplanktons in den vergangenen zehn Jahren auch durch Einströmen von Nährstoffen aus anderen Meeresregionen angetrieben wurde. Bei den Nährstoffen handelt es sich um Nitrate und Phosphate sowie Silikate, ohne die Kieselalgen nicht wachsen können. Die Algen sind die Grundlage des Nahrungsnetzwerkes, über das Zooplankton und Fische bis hin zu Säugetieren wie Walen und Eisbären an der Spitze der Nahrungskette.

Der Klimawandel könnte die Nährstoffe aber auch wieder verknappen: Durch das Schmelzen des Eises auf dem Meer und die Flüsse Sibiriens gelangen riesige Mengen Süßwasser ins Nordpolarmeer. Das salzarme, weniger dichte Wasser legt sich wie ein flüssiger, viele Meter dicker Deckel auf das kalte und salzreichere Tiefenwasser, in dem reichlich Nährstoffe schwimmen.

Da die Algen zum Wachsen aber Sonnenlicht brauchen, vermehren sie sich nur in den oberen Wasserschichten und können nicht von den Nährstoffen in der Tiefe zehren. Je länger der Sommer dauert, umso knapper werden die verfügbaren Nährstoffe und irgendwann kann das Phytoplankton nicht mehr weiterwachsen.

Deckel und Durchmischung

Der Phytoplankton-Boom im hohen Norden könnte also bald an seine Grenzen stoßen. Arrigo und seine Kollegen sehen in den Satelliten-Daten aber nichts dergleichen. Dort wird das Grün in vielen Regionen immer intensiver. Offensichtlich wachsen die Algen also nicht nur, wie von der Awi-Forscherin Nöthig und ihren Kollegen beobachtet, in der Framstraße, sondern auch in anderen Gebieten weiter.

Auch hinter dieser Entwicklung dürfte der Klimawandel stecken, der dem Nordpolarmeer auch kräftigere Winde und hefigere Stürme beschert. Diese mischen das Wasser und bringen Nährstoffe in die lichtdurchfluteten Schichten.

Das Algenwachstum im Nordpolarmeer könnte künftig viel Kohlendioxid aus der Luft binden und damit den Klimawandel bremsen, vermutet Arrigo. Eva-Maria Nöthig ist davon nicht überzeugt: „Schließlich könnten sich die vom Phytoplankton getragenen Kreisläufe des Lebens an der Oberfläche zwar verstärken, aber auch dortbleiben.“, wirft die Awi-Forscherin ein. Der Kohlenstoff würde nur kurzfristig gebunden, wenn er nicht mit organischen Verbindungen in die Tiefe sinkt.

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