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Digitale Prüfungen - gerade Open-Book-Formate scheinen zu Problemen zu führen.

© picture alliance/dpa

Probleme bei E-Klausuren an der Uni: Bei digitalen Prüfungen häufen sich Täuschungsvorwürfe

An Berliner Hochschulen nehmen Täuschungsvorwürfe bei E-Klausuren zu. Werden Studierende zu Recht beschuldigt - oder können Unis mit dem Format nicht umgehen?

Bei digitalen Prüfungen an den Berliner Hochschulen häufen sich Täuschungsvorwürfe gegen Studierende – entsprechende Erfahrungsberichte sind jetzt auch durch Zahlen belegt. Das zeigt eine Antwort der Wissenschaftsverwaltung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Eva Marie Plonske.

Auffallend ist das vor allem an den Fachhochschulen. So meldet die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) für das vergangenen Sommersemester - als viele Prüfungen digital stattfanden - 99 Fälle, bei denen digitale Klausuren wegen als nicht bestanden gewertet wurden. An der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) waren es 39, an der Beuth-Hochschule 44. Während es an der HTW das Phänomen schon früher gab, ist es an den beiden anderen FHs neu.

Bei den Universitäten häufen sich Fälle nur an der Technischen Universität (38), während die Humboldt-Universität (HU) nur acht und die Freie Universität (FU) 13 meldet.

Plonske hatte bereits im Dezember auf die Thematik im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses aufmerksam gemacht. Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) hatte damals noch gesagt, die Hochschulleitungen hätten lediglich von „vereinzelten“ Problemen berichtet.

Es hakt bei einigen bestimmten Fachbereichen

Für Plonske, wissenschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, zeigen die Zahlen nun, dass es zwar in den meisten Bereichen trotz schwieriger Rahmenbedingungen mit den Prüfungen bemerkenswert gut laufe: „Vor allem an den großen Universitäten scheint es kulant gehandhabt zu werden. Man merkt bei allen Hochschulen, dass Verwaltung und Lehrende sich richtig ins Zeug legen, damit die Umstellung auf digitale Prüfungen klappt. Das verdient großen Respekt!“

Haken tut es ihrem Eindruck nach vor allem da, „wo es vorher schon Probleme gab“, also Reibungen zwischen Dozierenden und Studierenden. Tatsächlich fällt an der HTW mehr als die Hälfte der gemeldeten Vorfälle auf den Fachbereich Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, während andere Bereiche gar keine Täuschungsversuche melden.

Sind die Täuschungsvorwürfe immer berechtigt - oder können die Hochschulen womöglich einfach nicht richtig mit den neuen Formaten umgehen und beschuldigen sie Studierende grundlos? Letzteres hatte eine Anwaltskanzlei im Dezember zur Diskussion gestellt. Diese twitterte damals, Unis seien auf E-Klausuren nicht vorbereitet und machten "nur Murks". Selbst eine versagende Technik während der Klausur könne zum Täuschungsvorwurf führen.

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Ganz so einfach lässt sich die Frage auch jetzt nicht klären. Das grundlegende Problem liegt für Plonske darin, dass die Art der gestellten Prüfungen sich nicht für ein digitales Format eignet. "Entweder sind die Prüfungsformen für Täuschungsversuche anfälliger oder es gibt zu viele falsche Anschuldigungen – beides ist nicht akzeptabel." Die Herausforderung bei digitalen Formaten sei es, Kompetenzen zu prüfen und problemorientierte Aufgaben zu stellen, die nicht mit offenem Buch oder einer WhatsApp-Gruppe umgangen werden können.

Die Regeln für E-Klausuren sind nicht klar

So sieht es auch Stefanie Döring vom Asta der HTW. Die Zahlen würden sie in dem Gefühl der Studierendenvertreter bestärken, dass ihre Hochschule ein Problem bei dem Thema habe. Döring kritisiert, dass es für Online-Klausuren bisher keine allgemeingültige Definition gebe und nicht geregelt sei, was erlaubt ist und was nicht.

Wie Plonske nennt sie als Beispiel „Open-Book-Klausuren“. Normalerweise müsse in diesen Klausuren die verwendete Literatur nicht zitiert werden, sagt Döring. Weil bei Online-Klausuren schwieriger zu überwachen sei, welche Texte Studierende heranziehen, hätten einige Fachbereiche auf einmal doch Zitieren vorgeschrieben, ohne das jedoch richtig zu kommunizieren – was zu einigen der Täuschungsvorwürfe geführt habe.

Ein weiteres Problem, das Plonske nennt: Wenn Studierende eines Faches in einer WG zusammenwohnen und von dort aus parallel eine Prüfung online ablegen, würden sie natürlich  extern die gleiche IP-Adressen aufweisen – selbst wenn sie in getrennten Räumen sitzen und gar nicht miteinander kommunizieren. Dozierende könnten hier dennoch einen Täuschungsversuch unterstellen. An den Hochschulen gebe es zudem oft kein einheitliches Vorgehen im Umgang mit unterstellten Täuschungsversuchen, was für Studierende die Klärung erschwere.

Gefordert werden Clearingstellen an den Hochschulen

Plonske fordert daher die Einrichtung von Clearingstellen an den Hochschulen für solche Fälle – die Prüfungsausschüsse seien aktuell ohnehin schon überlastet und der persönliche Kontakt aufgrund der Pandemie erschwert." Eine andere Möglichkeit wäre, über die Freiversuchsregelung hinaus die endgültige Exmatrikulation bis zum Ende der Pandemie auszusetzen. Dennoch brauche es für den Einzelfall niedrigschwellige Hilfen zur Klärung, gerade bei Täuschungsvorwürfen. „Das ist ein so ernstes Thema in der Wissenschaft, dass es nicht aufgrund technischer Rahmenbedingungen zu Fehlurteilen kommen darf."

Die Studierendenvertreterin Döring sieht die Dozierenden in der Pflicht, hier Aufgaben- und Prüfungsformate zu entwickeln, bei denen es gar nicht erst zu solchen Problemen kommen kann. „Manches eignet sich online eben auch nicht“, sagt Döring. In den Gremien der Hochschule sei über das Thema auch schon gesprochen worden. Sie befürchtet aber, dass entsprechende Regelungen erst zum nächsten Semester stehen. „Dabei war jetzt schon zwei Semester Zeit, das zu organisieren.“

HTW-Präsident: "Das haben wir jetzt im Griff"

HTW-Präsident Carsten Busch sagte auf Anfrage, der größte Teil der Probleme beziehe sich auf Prüfungen aus der ersten Lockdownphase, als Klausuren schnell verschoben werden mussten. "Da gab es einige Missverständnisse." Die Hochschule habe dort aber "nachgearbeitet", so dass die Zahl der Täuschungsvorwürfe im Laufe des Sommers und des Herbstes immer geringer geworden sei: "Das haben wir jetzt im Griff." Er bitte auch Dozierende und Studierende immer wieder, wegen der Anforderungen in der Pandemie aufeinander Rücksicht zu nehmen.

Werner Ullmann, Präsident der Beuth-Hochschule, hält die Zahl der Täuschungsversuche bei digitalen Prüfungen gemessen an der hohen Gesamtzahl an Prüfungen für "vergleichsweise niedrig" - die Beuth-Hochschule habe schließlich mehr als 13.500 Studierende, die pro Semester gleich mehrere Prüfungen zu absolvieren haben. Das Thema Rechtssicherheit bei digitalen Prüfungen sei in den Hochschulgremien immer wieder angesprochen worden. Auch habe das Kompetenzzentrum Digitale Medien eine Arbeitsgruppe "Fernprüfungen" unter Beteiligung aller Statusgruppen eingerichtet und bereits im Juni eine umfangreiche Handreichung zur Durchführung von Online-Prüfungen erstellt. Diese liefere zahlreiche praxisorientierte Empfehlungen für die Täuschungsprävention bei digitalen Prüfungen.

HWR bietet Online-Prüfungen nur im Ausnahmefall an

Ähnlich wie Ullmann denkt Susanne Meyer, Vizepräsidentin der HWR. Angesichts von insgesamt 43.000 Prüfungsleistungen im Sommersemester erklärt sie auf Anfrage: "Die Zahlen zeigen zu unserer großen Erleichterung, dass die große Mehrzahl der Studierenden unser Vertrauen absolut verdient." An der HWR seien Open-Book-Klausuren sogar vorgeschrieben, da Multiple Choice-Aufgaben ein höheres Risiko für Täuschungen bieten würden. Die Open-Book-Klausuren stellten für die Prüfer*innen einen enormen Mehraufwand dar, "sowohl hinsichtlich der Aufgabenstellung, als auch bei der Kontrolle und Bewertung".

Weil bei Online-Klausuren die rechtssichere Durchführung besonders schwierig sei, sollten sie auch nur im Ausnahmefall angeboten werden. Sie seien daher im weiten Umfang durch Hausarbeiten oder mündliche Online-Prüfungen ersetzt worden. Die HWR arbeite an einer Satzung zur Durchführung von Online-Prüfungen, auch nach der Beendigung der Pandemie, die den rechtlichen Rahmen für die Durchführung von Online-Prüfungen "noch präziser" feststecken solle.

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