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Wissen: Potenzmittel gegen Gicht

Pillen und Pipetten: Ausstellung im Technikmuseum

Deutsches Technikmuseum? Stehen da nicht die vielen historischen Loks und Schiffsmodelle? Ab heute wird dort auch eine Rundläuferpresse zu sehen sein, mit der in jeder Stunde 300 000 Tabletten produziert werden können. Mit der Dauerausstellung „Pillen und Pipetten“ haben nämlich auch chemische und pharmazeutische Industrie im beliebten Familienausflugsziel an der Trebbiner Straße Einzug gehalten.

Die Chemie werde zu Unrecht meist vernachlässigt, wenn von der Entwicklung der modernen Industrie die Rede sei, sagte Ausstellungskurator Volker Koesling gestern bei einer Führung durch das 400 qm große Areal.

Viele der Objekte, die dort zu sehen sind, stammen aus dem „Scheringianum“, dem Firmenmuseum der Schering AG, das 2006 in den Besitz der Schering-Stiftung übergegangen war. Auf dem Werksgelände waren sie allerdings schwer zugänglich. Mit über einer Million Euro hat die Schering-Stiftung die neue Ausstellung möglich gemacht. „Das ganze Thema ist museumspädagogisch bisher noch nie aufgearbeitet worden“, sagte Reinhard Kurth, Vorsitzender des Stiftungsrats der Schering-Stiftung.

In der Ausstellung ist viel über die Herstellung von Medikamenten zu lernen. Zum Beispiel über Piperazin, das von seinen Erfindern als Potenzmittel gedacht war und dann überraschenderweise gegen die Gicht wirkte. Oder über die Anfänge der Hormonforschung in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, als Schlachtabfälle von 50 000 Schweinen gebraucht wurden, um 20 Milligramm weibliche Hormone zu gewinnen.

Nicht zu vergessen die erste europäische Antibabypille „Anovlar“. Die Besucher lernen jedoch auch, wie Tabletten, Pillen, Zäpfchen oder Salben hergestellt werden und welchen Weg ein Arzneimittel von der Idee bis zur Zulassung durchläuft. Sie können sich mit Fragen nach Tierversuchen, Nebenwirkungen oder der Teilnahme an klinischen Studien auseinandersetzen. „Die Ausstellung soll helfen, Urteile zu bilden und Vorurteile durch Wissen zu ersetzen“, sagte Kurth.

Wie kaum ein anderer Industriezweig hat die chemisch-pharmazeutische Industrie in den letzten 100 Jahren Lebensstandard und Lebenserwartung angehoben. Doch Chemie steht häufig für Umweltschäden und Arzneimittelskandale. Auch sie werden nicht ausgespart. Umgekehrt kann man auch lernen, wie die Herstellung synthetischer Stoffe natürliche Ressourcen schonen hilft. Wer weiß zum Beispiel schon, dass Billardkugeln bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein meist aus Elfenbein waren? Bis sie aus Celluloid gefertigt werden konnten, für das Schering synthetischen Kampfer aus Kiefernharz herstellte.

Wenigstens virtuell kann der Besucher auch zum Pyrotechniker werden und am Bildschirm die Ingredienzen für ein Feuerwerk über Berlin zusammenmischen. Wenn alles klappt, knallt und blitzt es: Nicht alle Vorurteile über Chemie sind eben falsch. Adelheid Müller-Lissner

Di bis Fr 9 – 17.30, Sa/So 10 – 18. Führungen für Schulklassen und Gruppen unter 90254124 oder fuehrungen@sdtb.de

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