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Ein chronisches Schlafdefizit wirkt sich negativ auf die Leistungsfähigkeit aus. 

© imago/Panthermedia

Positiver Nebeneffekt des Lockdowns: Schüler schlafen während Pandemie länger

Mehr Schlaf seit der Corona-Pandemie soll Schülern laut einer Schweizer Studie gut getan haben. Die Forschende plädieren generell für einen späteren Schulstart.

Dass Wechsel- und Distanzunterricht auf Schüler:innen teilweise gravierende psychische und mentale Folgen hatten, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Die Schulschließungen in der Pandemie wirkten sich negativ auf Gesundheit und Wohlbefinden vieler Jugendlicher aus.

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Was allerdings bisher weniger beachtet wurde, sind positive Effekte dieser Situation. Eine Studie der Universität Zürich (UZH) zeigt jetzt, dass sich die Homeschooling-Phase auch vorteilhaft auf das gesundheitliche Wohlbefinden vieler Jugendlicher ausgewirkt hat.

Rund 75 Minuten mehr Schlaf

Da die Schüler:innen morgens länger schlafen konnten, habe sich die Gesundheit und Lebensqualität zahlreicher Jugendlicher verbessert. Sie hätten während des Lockdowns im Durchschnitt rund 75 Minuten länger geschlafen. „Gleichzeitig stieg ihre Lebensqualität signifikant und der Konsum von Alkohol sowie Koffein sank“, sagt Co-Studienleiter Oskar Jenni, UZH-Professor für Entwicklungspädiatrie. Die Jugendlichen konnten später aufstehen, da die Anfahrt zur Schule wegfiel.

„Obwohl der Lockdown eindeutig zur Verschlechterung von Gesundheit und Wohlbefinden vieler Jugendlichen geführt hat, offenbaren unsere Ergebnisse auch einen positiven Effekt von Schulschließungen, der bisher vernachlässigt wurde“, sagt Jenni.

Die Züricher Forschenden hatten 3664 Gymnasiast:innen im Kanton Zürich während des Lockdowns zu ihrem Schlafverhalten und ihrer Lebensqualität online befragt. Die Ergebnisse verglichen sie mit der Befragung von 5308 Schülern aus dem Jahr 2017. Dabei habe sich gezeigt, dass die Jugendlichen in den drei Monaten im Homeschooling an Schultagen rund 90 Minuten später aufstanden, aber nur etwa 15 Minuten später zu Bett gingen, womit sich die Schlafdauer insgesamt um 75 Minuten verlängerte. 

Chronisches Schlafdefizit durch frühen Schulstart

Die Forschenden bringen ihre Ergebnisse nun auch mit den frühen Schulanfangszeiten in Verbindung, die im Konflikt mit den biologisch bedingten, verspäteten Schlafzeiten von jungen Menschen stehen würden. Durch den frühen Schulstart würde es bei vielen Jugendlichen zu einem chronischen Schlafdefizit kommen. 

„Unsere Befunde sprechen klar dafür, die morgendlichen Schulstartzeiten zu verschieben, damit die Jugendlichen mehr Schlaf bekommen“, betont Jenni. 

[Welche Rolle gemeinsame Erlebnisse für Schüler nach den Schulschließungen spielen und warum sie Bildungsforscher wichtiger halten, als Lernrückstände aufzuholen lesen Sie in diesem Plus-Beitrag des Tagesspiegels.]

In der Schweiz steht das Thema aktuell in mehreren Kantonen auf der politischen Agenda. Die Forschenden sehen die Situation als einmalige Gelegenheit zur Untersuchung von späteren Schulstartzeiten. Sie vermuten, dass die positiven Effekte des längeren Schlafs auf die Gesundheit und Lebensqualität ohne die psychischen Belastungen durch die Pandemie noch viel grösser gewesen wären.

Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung IAB war 2021 ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass die Lebenszufriedenheit kurzfristig nach den Schulschließungen im Frühjahr 2020 bei Abiturienten „überraschenderweise“ gestiegen ist. Langfristig sei die Zufriedenheit – einhergehend mit depressiven Symptomen, Sorgen um die Gesundheit und die Berufsaussichten – aber stark gesunken. 

Lernrückstrände und depressive Symptome durch Pandemie

Im vergangenen Jahr hatten sich die großflächigen Einschränkungen an den Schulen bis ins Frühjahr gezogen. Nur schrittweise kehrten Schülerinnen und Schüler zurück, manche erst im Mai. Wegen der langen Ausfälle wird geschätzt, dass sich bei fast einem Viertel der Schülerinnen und Schüler Lernrückstände aufgebaut oder vergrößert haben. 
Die Folgen der Pandemie für die Schüler:innen sind mehreren Untersuchungen zufolge recht drastisch. So zeigt eine Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), dass vor allem bei Jugendlichen die Belastungen sehr groß sind. 

Klinisch relevante depressive Symptome sind nach einer Selbsteinschätzung im Vergleich zur Zeit vor Corona von zehn auf 25 Prozent angestiegen.

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