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Eine Professorin spricht in einem Hörsaal vor Studierenden.

© Getty Images/iStockphoto

Planbare Karrierewege an der Universität: Berlin bekommt 53 weitere Professuren im Tenure-Track-Programm

Erfolg für Berlin im Wettbewerb um Juniorprofessuren mit Überleitung auf Lebenszeitstellen: Nach der HU bringen auch FU, TU und Charité ihre Anträge durch.

Im zweiten Anlauf waren nun auch die Freie Universität und die Technische Universität Berlin im Tenure-Track-Programm von Bund und Ländern erfolgreich. An der FU werden 22 Juniorprofessuren mit vorgezeichnetem Übergang auf eine Lebenszeitstelle finanziert, an der TU sind es 17. Und auch die Charité konnte sich mit ihrem Antrag auf 14 Tenure-Track-Professuren durchsetzen. Diese Zahlen entsprächen dem vollen Umfang der beantragten Stellen, ist aus der Berliner Politik zu hören.

In der ersten, vor zwei Jahren entschiedenen Runde waren die FU und die TU leer ausgegangen, während die Humboldt-Universität alle von ihr beantragten 26 Professuren bekam. Insgesamt erhielten jetzt bundesweit 57 Universitäten den Zuschlag für 532 Professuren, wie am Donnerstag im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bekanntgegeben wurde. In der ersten Runde wurden 468 Stellen an 34 Unis vergeben.

„Die Zielgruppe ist der wissenschaftliche Nachwuchs in einer frühen Karrierephase. Dies soll Hochschulen anregen, auch ihre bewährten Berufungsverfahren zu überdenken“, sagte Ministerin Anja Karliczek (CDU), die stellvertretende Vorsitzende der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern ist. Reinhard Jahn, der Vorsitzende des Auswahlgremiums, Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, äußerte die Hoffnung, der Bund könnte das Programm fortsetzen oder ausbauen. Dem erteilte Karliczek eine Absage: Die Zahl von 1000 Tenure-Track-Professuren sei "so groß, dass sie strukturverändernd wirkt". Größer dürfe sie nicht sein, weil sie sonst "das System verstopft".

Länder verpflichten sich, Professuren zu verstetigen

Auf das „Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“ hatte sich die damalige große Koalition im Bund vor drei Jahren mit den Ländern geeinigt. Angesichts der weit verbreiteten prekären Arbeitsverhältnisse für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten bessere berufliche Perspektiven an den Universitäten geschaffen werden. Kern des Programms ist es, dass der Bund die Einrichtung von 1000 zusätzlichen Tenure-Track-Professuren mit einer Milliarde Euro für die Zeit von 2017 bis 2032 finanziert.

Die Länder haben sich im Gegenzug verpflichtet, diese Stellen zu verstetigen, also den Unis für vorgezogene Berufungen beziehungsweise neu geschaffene Lebenszeitprofessuren die zusätzlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Juniorprofessuren laufen sechs Jahre, bewähren sich die Kandidaten in dieser Zeit in Lehre Forschung und werden sie entsprechend positiv evaluiert, zahlt der Bund die ersten beiden Jahre der Anschluss-Professur - und dann sind Länder dran. Sie mussten außerdem zusagen, freiwerdende Tenure-Track-Stellen jeweils neu auszuschreiben.

"Negative Rückmeldungen zu Herzen genommen"

Vor zwei Jahren gehörten FU und TU zu einer größeren Gruppe von zunächst nicht berücksichtigten Hochschulen. In der ersten Runde hatten sich 75 beworben, aber nur 34 waren erfolgreich. Die damals durchgefallenen Hochschulen hatten seitdem Gelegenheit, ihre Anträge zu überarbeiten. Im Wettbewerb geht es darum, umfassende Personalkonzepte nicht nur für die Förderung von jungen Forschenden vorzulegen. Reinhard Jahn hob hervor, dass sich etliche Universitäten "unsere negativen Rückmeldungen zu Herzen genommen und ihre Strategie vollkommen umgestellt haben". Ein beeindruckendes Beispiel dafür sei die FU Berlin. Das FU-Konzept mit dem Titel "Future Track" sei eine Weiterentwicklung des im Rahmen der Exzellenzinitiative an der FU implementierten Karrierewegemodells, erklärte FU-Präsident Günter M. Ziegler am Donnerstag.

Erleichterung auch an der TU. Angela Ittel, TU-Vizepräsidentin für Strategische Entwicklung, Nachwuchs und Lehrkräftebildung, sagt: „Die gesamte Universität bekennt sich jetzt zum Tenure-Track-Programm.“ Vor zwei Jahren hatte das Auswahlgremium kritisiert, dass der TU-Antrag beim „Anstoßen des Kulturwandels“ hin zur Tenure-Track-Professur noch nicht überzeugend genug gewesen sei.

In den Fakultäten seien viele skeptisch gewesen, wie das Potenzial der besten Promovierten zu identifizieren sei, um ihnen die greifbare Perspektive auf eine dauerhafte Professur zu geben, bestätigt Ittel. Jetzt habe man sich verbindlich über Kriterien dafür, aber auch für die Evaluation nach sechs Jahren verständigt. Dabei hätten sich die Berliner Unis, die im Juli mit ihrem Verbundantrag in der Exzellenzstrategie erfolgreich waren, abgesprochen.

"Nicht alle bewilligten Anträge perfekt"

Über Vorbehalte spricht auch Juror Reinhard Jahn. Es sei aber normal, dass es am Anfang eines solchen Programms noch "produktiven Streit an den Unis" gebe. Auch seien in der zweiten Runde wieder einige wenige Anträge nicht berücksichtigt worden "und nicht alle bewilligten sind perfekt". Beispielsweise hapere es an dem Verständnis, dass das Berufungsverfahren bei einem Tenure Track anders laufen müsse als bei einer herkömmlichen Berufung. Gefordert seien etwa "Strukturen, nach denen eine objektive Beurteilung möglich ist".

Welche Unis endgültig leer ausgingen, wollte Jahn nicht verraten. Die Zahl der bundesweit bewilligten Stellen bewegt sich zwischen der Uni Bonn mit 28 Professuren als Spitzenreiterin und der Film-Universität Babelsberg mit einer Stelle. Die zu begutachtenden Hochschulen seien in ihrer Größe, Struktur und bei den den beantragten Stellen sehr unterschiedlich gewesen, betonte Jahn.

Eine Besonderheit des TU-Antrags sei es, dass sieben der 17 Tenure-Track-Professuren aus den Ingenieurwissenschaften kommen, sagt Vizepräsidentin Ittel. Typischerweise würden promovierte Ingenieure und Ingenieurinnen in die Industrie gehen und dann aus der Praxis gleich auf eine dauerhafte Professur berufen werden. Jetzt wolle man versuchen, sie zu einem frühen Zeitpunkt für die Uni-Karriere zu begeistern. Drei der Professuren wurden auch für die Lehrkräftebildung beantragt.

Bislang 52 Prozent der Stellen mit Frauen besetzt

So viel Berliner Begeisterung für den Tenure Track – warum wird er dann nicht flächendeckend eingeführt? Gewerkschaften und Initiativen von jungen Forschenden im Mittelbau fordern seit langem, dass es einen Bewährungsaufstieg nach der Promotion geben müsse: Leiste jemand nachweislich exzellente Arbeit in Forschung und Lehre, sollte dies automatisch zu einer Festanstellung – auch unterhalb der Professur – führen. TU-Vizepräsidentin Ittel ist skeptisch: „Eine Universität muss Spielräume im Stellenplan haben, um jederzeit sehr gute Leute von anderen Unis und aus dem Ausland auf Postdoc-Stellen oder Professuren berufen zu können.“ Es sei richtig, den Tenure Track fest in der akademischen Kultur in Deutschland zu etablieren – aber er sei eben nur ein Karriereweg neben anderen.

Von den 468 in der ersten Runde vergebenen Professuren sind laut BMBF 90 besetzt - und davon 52 Prozent mit Frauen. Gleichwohl sieht Elke Luise Barnstedt, die stellvertretende Vorsitzende des Auswahlgremiums, "noch viel Entwicklungspotenzial" bei der Chancengerechtigkeit in der Umsetzung des Programms. Dazu habe das Gremium in den beiden Runden viele Anregungen gegeben. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dürfe nicht darauf beschränkt bleiben, Kitaplätze an der Uni anzubieten.

An der Humboldt-Uni laufe die Besetzung der 26 vor zwei Jahren errungenen Stellen "gut" und mit den üblichen "Herausforderungen", teilte HU-Sprecher Hans-Christoph Keller auf Anfrage mit. In 14 Berufungsverfahren seien die Listen bereits im Akademischen Senat beschlossen worden, acht davon hätten mittlerweile ihre Rufe erhalten. Insgesamt gebe es ein ausgewogenes Verhältnis zwischen allen Fachgebieten, quer durch die Rechtswissenschaften, Geistes- und auch Lebenswissenschaften seien Stellen geschaffen worden, erklärt Keller. Für den Rest haben die in der ersten Runde erfolgreichen Unis noch Zeit: Den Regularien von Bund und Ländern zufolge müssen die Verfahren bis zum 30. November 2020 abgeschlossen sein.

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