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In einer Schulklasse arbeiten Kinder an Tablet-Computern.

© Arne Dedert/dpa

Update

Pisa-Studie zu Computer-Kompetenzen: Wer länger surft, wird nicht klüger

Deutschlands Schulen sind nach einer Pisa-Studie schlecht mit Computern ausgestattet. Doch auch Länder, die besser dastehen, sollten Computer in Schulen effizienter einsetzen, mahnt die OECD.

An deutschen Schulen teilen sich vier Neuntklässler einen Computer. Damit liegt Deutschland unter 34 OECD-Ländern an 28. Stelle - auf einer Höhe mit  Rumänien, Chile und Israel. In einer großen Zahl von Ländern, darunter auch Großbritannien, Norwegen und Estland, steht dagegen nahezu jedem Jugendlichen ein Schulcomputer zur Verfügung. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Sonderauswertung von Pisa 2012 über „Studenten, Computer und das Lernen“ hervor. Zu ihrem Computerzugang und zur Ausstattung ihrer Schulen wurden 15-jährige Schüler und Schulleiter im Rahmen der von der OECD durchgeführten Schülerleistungs-Studie Pisa befragt.

Kurz ist auch die Zeit, in der deutsche Jugendliche in der Schule täglich das Internet nutzen, nämlich im Schnitt 14 Minuten. Bei australischen Schülern sind es 58 Minuten, bei dänischen 46 Minuten. Zu Hause aber haben auch die 15-Jährigen aus Deutschland mit 99,4 Prozent fast durchweg einen Computer, 54 Prozent verfügen sogar über drei oder mehr Geräte. Insgesamt sind sie an einem Wochentag durchschnittlich zwei Stunden und 24 Minuten online.

Von den Pisa-Forschern um den OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher und den Leiter der Computer-Studie, Francesco Avvisati, wird die Gruppe der Schüler herausgehoben, die während der Woche täglich mehr als sechs Stunden surft: In Deutschland sind es 8,6 Prozent, deutlich mehr als der OECD-Durchschnitt mit 7,2 Prozent. Spitzenreiter sind mit 13,2 Prozent Jugendliche in Schweden. „Diese Schüler neigen dazu, sich weniger für das Lernen und die Schule zu engagieren“, heißt es. International hätten 31 Prozent angegeben, dass sie sich in den zwei Wochen vor dem Pisa-Test in der Schule verspätet hätten. Bei den Jugendlichen, die höchstens eine Stunde am Tag online waren, seien es nur 17 Prozent gewesen.

Kinder aus begüterten Familien sind zuhause kürzer online

Ob Jugendliche generell Zugang zu Computern haben, sei immer seltener eine Frage des sozialen Status ihrer Familien. Deutschland gehört allerdings zu den wenigen Ländern, in denen die privilegierten Schüler – aus dem obersten Viertel der bessergestellten Familien – weniger Zeit online zubringen als benachteiligte Schüler. „In Deutschland sind die Ärmsten zwei Stunden und 23 Minuten online, die Reichsten 17 Minuten weniger“, sagt Avvisati. Offenbar schränkten in Deutschland, aber auch in der Schweiz, Norwegen, Hongkong und Korea wohlhabende Familien den Internetzugang eher ein und bewegten ihre Kinder zu anderen Freizeitaktivitäten und regelmäßigeren Schlafenszeiten.

Ärmere Schüler machen es sich im Netz leichter

International unterschiedlich ist indes die Art der Internetnutzung. Die Bessergestellten nutzen das Internet mehr zum Lesen von Nachrichten und um praktische Informationen zu recherchieren, die sozial Benachteiligten neigten stärker zu weniger anspruchsvollen, „armen“ Navigationen, etwa nach Videos oder Musik und sie kommunizierten über Chats und soziale Medien statt über E-Mails. „Im Ergebnis können sie die Relevanz und Qualität von Quellen im Netz schlechter beurteilen“, sagt Avvisati. Mangelnde digitale Lesekompetenz verstärke wiederum soziale Unterschiede, weil man ohne sie in der Arbeitswelt nicht weiterkomme.

Dass Schulen in Deutschland eher mäßig mit Computern ausgestattet sind, hatte im November 2014 schon die ICILS-Studie in weltweit 21 Ländern und Bildungssystemen ergeben. Dabei ging es um Achtklässler, die 2011 befragt und untersucht wurden. Laut ICILS müssen sich in Deutschland allerdings elf Schüler einen Computer teilen. Bei Pisa, wo es nur vier sind, werde gezählt, wie viele Computer den 9. Klässlern an einer Schule zur Verfügung stehen; ICILS habe wahrscheinlich die Gesamtzahl der Schüler zugrunde gelegt, erklärt Avvisati den Unterschied.

Deutsche Ergebnisse im Computer-Pisa nicht veröffentlicht

Die digitale Lesekompetenz der Schüler wurde beim „Computer-Pisa“ eingehend getestet, doch die deutschen Ergebnisse fließen nicht in den internationalen Bericht ein. Wie in allen anderen Teilnehmerstaaten hätten rund 2000 Neuntklässler in Deutschland zwar Aufgaben am Computer lösen müssen, sagt Avvisati. Das zuständige Deutsche Institut für internationale pädagogische Forschung (Dipf) habe aber lediglich für „Studienzwecke“ wissen wollen, wie deutsche Schüler mit dem Computer-Test zurechtkommen. Denn bei der Folge-Studie Pisa 2015 wurden die Schüler im Mai und Juni dieses Jahres in allen Bereichen ausschließlich computerbasiert getestet. Die Ergebnisse mit einem Schwerpunkt auf Naturwissenschaften werden im Dezember 2016 veröffentlicht.

Für die Teilnehmerstaaten haben die Computer-Aufgaben von Pisa 2012 widersprüchliche Ergebnisse geliefert. Sie sollten etwa auf der Homepage einer fiktiven Stadtverwaltung eine Veranstaltung des Kulturzentrums suchen und auswählen und sich mit einem „Freund“ per E-Mail dafür verabreden. Am geschicktesten und schnellsten recherchierten, klickten und scrollten dabei Schüler in Singapur, Korea, Hong Kong, Japan und Kanada. Diese Länder und Regionen waren es auch, die am besten beim gedruckten Pisa-Lesetest von 2012 abgeschnitten hatten. Auch die sozialen Unterschiede wirkten sich ähnlich aus wie bei den traditionellen Lesekompetenzen.

Gute Computer-Ausstattung macht keine guten Pisa-Ergebnisse

Einen Zusammenhang von guter Computer-Ausstattung der Schulen mit guten Pisa-Ergebnissen konnte die OECD bei alledem nicht feststellen. „Auch die Länder, die massiv in die IT-Technik ihrer Schulen investiert haben, konnten ihre Ergebnisse im Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften nicht verbessern“, heißt es. Relativiert wird auch die Bedeutung der Dauer der Computernutzung in der Schule. Häufige Nutzer hätten sogar insgesamt deutlich schlechter abgeschnitten. Am förderlichsten für die Leistungen in den Kernfächern sei ein „moderater“ Computereinsatz in der Schule.

Andreas Schleicher führt dies darauf zurück, dass die Technologie in den Schulen nicht adäquat eingesetzt wird, auch, weil vielen Lehrer die nötigen Kompetenzen fehlen. „Die Schulsysteme müssen die digitale Technologie effektiver in den Unterricht und das Lernen einbauen“, mahnt Schleicher. Denn die kompetente Computernutzung gehöre nun einmal zu den Fähigkeiten, die Kinder und Jugendliche bräuchten, um in der Welt von morgen erfolgreich zu sein.

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