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Alles in Ordnung? Eine Ultraschalluntersuchung kann darüber Aufschluss geben.

© picture-alliance/ dpa-tmn

PID: Bessere Gentests setzen Eltern unter Druck

Per Gentest zum Wunschkind? Experten streiten auch nach der Bundestagsentscheidung über die Folgen der Präimplantationsdiagnostik (PID.

„Per Gentest zum Wunschkind?“ Haben wir über diese Frage nicht genug diskutiert, bevor der Deutsche Bundestag vor drei Monaten in Sachen Präimplantationsdiagnostik (PID) endlich eine Entscheidung traf? Zur Erinnerung: Besteht bei einem Paar eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein gemeinsames Kind eine schwere Erkrankung bekommen könnte oder dass es sogar zu einer Fehl- oder Totgeburt kommt, dann soll ihnen in Zukunft eine genetische Untersuchung von „künstlich“ gezeugten Embryonen ermöglicht werden. So hatte der Bundesgerichtshof in einem spektakulären Urteil nach der Selbstanzeige des Berliner Fortpflanzungsmediziners Matthias Bloechle schon zuvor entschieden. Nun hat auch der Gesetzgeber Klarheit geschaffen, derzeit werden die Modalitäten der praktischen Umsetzung geklärt. Wenig Sprengstoff also für das 43. „,Zeit’-Forum Wissenschaft“, das in Kooperation mit dem Deutschlandfunk und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am Freitagabend in Berlin stattfand, so sollte man meinen.

Wenn es anders kam, so hat das zwei Gründe: Zunächst natürlich, dass kein Gesetz und kein Gerichtsurteil der Welt es schaffen werden, die konträren Positionen zur PID einander anzunähern. Die Entscheidung des Parlaments habe auf sie „in ihrer Deutlichkeit ebenso überraschend wie bestürzend“ gewirkt, sagte Birgitt Bender, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Klaus Diedrich dagegen, Direktor der Uniklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Lübeck, ist überzeugt davon, dass die beschränkte Zulassung der PID für eine „ausgesuchte Zahl von schwer belasteten Personen“ eine deutliche Verbesserung darstellt. Mehr als 200 pro Jahr werden es seiner Einschätzung nach nicht werden.

Dafür, dass das große Reizthema PID praktisch gesehen ein kleines Thema bleiben wird, sprechen nicht allein die Erfahrungen aus Ländern wie Frankreich. Entscheidende Anwendungsbremse dürfte die Befruchtung in vitro darstellen. „Kein fruchtbares Paar geht begeistert an eine PID heran“, gab der Humangenetiker Wolfram Henn von der Universität des Saarlandes zu bedenken. „Die Paare, die sich dafür entscheiden, kennen die Krankheiten, für die sie ein genetisches Risiko tragen, aus eigener Anschauung.“ Zum Beispiel, weil sie schon ein Kind mit der fraglichen Erkrankung haben.

Bei der vorgeburtlichen Untersuchung von Embryonen, die sich schon in der Gebärmutter eingenistet haben, ist das meist nicht so. Mehr als 30 000 Fruchtwasseruntersuchungen haben die Krankenkassen im Jahr 2009 bezahlt, meist nach einem auffälligen Befund bei der Ultraschalluntersuchung oder wegen eines erhöhten Risikos für eine Chromosomenveränderung bei „älteren“ Schwangeren. Im Mittelpunkt steht dabei die häufigste chromosomale Auffälligkeit, die Trisomie 21. Sie beim Ungeborenen festzustellen wird wohl bald deutlich leichter werden. Für das zweite brisante Thema der Diskussion sorgte denn auch ein Test, den die Konstanzer Firma LifeCodexx schon bald anbieten will. Winzige Partikel kindlicher Zellen, die im Blut der Schwangeren schwimmen, können auf eine Trisomie 21 untersucht werden. Eine kleine Blutprobe genügt, im Unterschied zur Fruchtwasseruntersuchung beinhaltet der Test also keine Gefahren für das Ungeborene. Eine Schwangerschaft „auf Probe“, wie sie schon mit der heute üblichen Pränataldiagnostik möglich ist, wird damit noch einfacher. „Dieser Test wird auf Nachfrage stoßen und sich durchsetzen“, sagt Henn voraus.

Die neue Technologie, die ihn ermöglicht, findet er faszinierend, „die Anwendung kann ich allerdings nicht wertfrei sehen“. Während die Möglichkeiten für Kinder mit Down-Syndrom immer besser würden, nehme der Druck auf die Eltern zu. Es fielen durchaus Äußerungen wie: „So etwas wäre doch heute nicht mehr nötig!“ Auch die vom Gendiagnostikgesetz vorgeschriebene Beratung dürfe darum kein „Verkaufsgespräch“ werden.

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