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Himmelskarte. Die kosmische Hintergrundstrahlung zeigt, wie die Materie im jungen Universum verteilt war.

© Esa/AFP

Update

Physik-Nobelpreis gibt "Antworten auf Fragen unserer Existenz": Die All-Wissenden

Auszeichnung für zwei Schweizer und einen Kanadier: Für die Entdeckung des ersten Exoplaneten 1995 und die Erforschung des "Echos des Urknalls".

Die Forschungen, die 2019 mit dem Physiknobelpreis geehrt werden, haben auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun.

Auf der einen Seite geht es um Kosmologie, also den Ursprung des Universums und seine Entwicklung bis heute. Für seine Arbeit auf diesem Gebiet wird James Peebles von der Universität Princeton (Kanada) mit der einen Hälfte des Preises ausgezeichnet.

Auf der anderen Seite wird die Entdeckung des ersten Planeten, der um einen fernen, sonnenähnlichen Stern kreist, gewürdigt: Michel Mayor (Schweiz) und Didier Queloz (Schweiz) von der Universität Genf können sich dafür die zweite Hälfte des Preisgelds teilen.

Die Begründung des Preiskomitees, wonach alle drei Geehrten „zur Beantwortung fundamentaler Fragen nach unserer Existenz“ beigetragen hätten, wirkt etwas gewollt. Aber vielleicht zeigt sich der Zusammenhang in Zukunft wesentlich deutlicher als es heute erkennbar ist – es wäre geradezu typisch für das Forschungsfeld der Kosmologie.

Eine Erklärung für die Entstehung von Materie, Raum und Zeit

Seit Jahrzehnten widmet sie sich den großen Fragen: Wo kommen wir her? Warum gibt es einen Planeten, auf dem wir leben, ein Stern, der uns leuchtet und wärmt, die Milchstraße, deren Anblick einen Staunen macht, eine seltsame Dunkle Materie, die Galaxien beieinander hält, und eine nicht weniger mysteriöse Dunkle Energie, die den Kosmos immer schneller auseinander treibt?
Seit den 1960er-Jahren hat sich die vormals spekulative Kosmologie zu einer soliden Wissenschaft gewandelt. Die Schlüsselperson dafür war James Peebles, meint das Nobelpreiskomitee.
Er hat, wie auch andere vor ihm, bereits in den 1960er-Jahren die kosmische Mikrowellenstrahlung vorausgesagt, die oft als kosmische Hintergrundstrahlung oder schlicht als „Echo des Urknalls“ bezeichnet wird und als Beleg für die Theorie des „Big Bang“ gilt. Die Strahlung stammt aus der Zeit rund 380.000 Jahre nach dem Urknall. Damals war das Universum so weit abgekühlt, dass Protonen und Elektronen neutrale Wasserstoff- sowie Heliumatome bilden konnten – der junge Kosmos wurde durchsichtig. Aufgrund der weiteren Ausdehnung des Alls sind die Lichtstrahlen von einst heute so weit „gedehnt“, dass sie als Mikrowellen detektiert werden.

James Peebles, den das Nobelpreiskomitee heute mit der einen Hälfte des Physik-Nobelpreis 2019 ehrte, wurde in Kanada geboren, hat aber auch die amerikanische Staatsbürgerschaft und lehrt an der Princeton University in New Jersey.
James Peebles, den das Nobelpreiskomitee heute mit der einen Hälfte des Physik-Nobelpreis 2019 ehrte, wurde in Kanada geboren, hat aber auch die amerikanische Staatsbürgerschaft und lehrt an der Princeton University in New Jersey.

© via REUTERS

Diese Hintergrundstrahlung ist aber nicht homogen, sondern zeigt minimale Abweichungen, je nachdem, in welche Richtung man blickt. Verschiedene Satellitenmissionen haben seit den 1990er-Jahren diese Hintergrundstrahlung bereits vermessen, zuletzt das europäische „Planck“-Teleskop. Die daraus errechneten Himmelskarten zeigen, wo es vor gut 13 Milliarden Jahren etwas mehr beziehungsweise etwas weniger Materie gab. Anhand der Karten können Kosmologen überprüfen, ob ihre Modelle des Universums mit der Realität übereinstimmen. Hier hat Peebles wichtige Impulse gesetzt, sagt Matthias Steinmetz vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP). „Peebels hat gezeigt, dass die für uns sichtbare Materie nicht ausreicht, um aus dem frühen Universum das uns heute bekannte mit seinen Galaxien und Galaxienhaufen werden zu lassen.“ Es musste noch eine weitere Zutat geben: Dunkle Materie mit ihrer mächtigen Gravitation, die Materie zusammenklumpen ließ, so dass Galaxien entstanden. „Sie wirkt wie ein Brandbeschleuniger für die die Entwicklung des Kosmos.“ Und noch eine Zutat ist vonnöten, um das All so zu entwickeln, wie wir es heute kennen: Dunkle Energie, die wie eine Art „negative Anziehungskraft“ den Kosmos immer schneller auseinanderreißt, wie Vermessungen mithilfe von Supernovae belegen.

Die Materie, die wir kennen, macht nur fünf Prozent des Universums aus

Die Modelle der Kosmologen besagen, dass die gewöhnliche Materie lediglich fünf Prozent des Universums ausmacht, die Dunkle Materie kommt auf 26, die Dunkle Energie gar auf 69 Prozent. So gut die „Dunklen Elemente“ zu den Modellen passen, keiner weiß genau, woraus diese bestehen. Es gibt einige Vermutungen, auch von Peebles. Die Dunkle Materie könnte demnach aus sehr massereichen Teilchen aufgebaut sein, schlug er 1982 vor. Der Beweis indes steht aus. Bisher haben weder große Teilchenbeschleuniger noch Rückstoßexperimente in ultrakalten Kristallen einen Hinweis auf die vermuteten Teilchen gebracht, sagt Steinmetz. „Wenn diese eines Tages nachgewiesen werden, ist das in jedem Fall nobelpreiswürdig“, sagt der Forscher.

Die Schweizer Astronomen Didier Queloz (l.) und Michel Mayor.
Die Schweizer Astronomen Didier Queloz (l.) und Michel Mayor.

© Laurent Gillieron/KEYSTONE/dpa

Wobei sich dann, wie auch schon heute, die Frage stellt: Werden immer die richtigen Einzelpersonen ausgewählt, werden Leistungen anderer Forscher und Forscherteams dadurch ignoriert? „Solche Preise für einzelne Personen sind immer ein bisschen ungerecht“, sagt Steinmetz. Im Falle von Peebles sei die Entscheidung aber richtig gewesen. „Seine Rolle in der Kosmologie ist so zentral und dominant, da kommt man nicht vorbei.“

Exoplanet am „Wackeln“ eines Sterns erkannt

Auch bei Michel Mayor und Didier Queloz sei die Sache klar. Sie waren nun mal die ersten, die im Oktober 1995 die Entdeckung eines Exoplaneten bekanntgegeben haben. Zwar haben wenige Tage später Geoffrey Marcy und Paul Butler den Fund mit einer weiteren Messung bestätigt, aber sie waren schlicht zu langsam. „Wenn man genauer schaut, welche Forschungsgruppen in den folgenden zwei Jahrzehnten die Community wirklich verändert haben, dann ist es nur gerechtfertigt, Mayor und Queloz auszuzeichnen“, sagt die Exoplanetenforscherin Heike Rauer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin. Die Entdeckung von „51 Pegasi b“ habe die Planetenforschung „umgekrempelt“, sagt sie. Heute sind mehr als 4000 Exoplaneten bekannt und Weltraumteleskope wie „Tess“ finden immer neue Welten.

Mayor und Queloz haben den ersten Exoplaneten nicht selbst gesehen, sondern indirekt am Stern „Helvetius“, 50 Lichtjahre von uns entfernt, beim Sternbild Pegasus nachgewiesen. Das Prinzip: Wenn ein Exoplanet seinen Stern umkreist, zieht er ihn dank seiner Masse ein wenig im Raum hin und her, er „wackelt“, wenn auch nur extrem wenig. Jupiter etwa bewegt aufgrund seiner Masse die Sonne um 12 Meter pro Sekunde um das gravitative Zentrum des Sonnensystems. Mayor und Queloz gelang es, mit Hilfe eines Spektrographen minimale Veränderungen in dieser Größenordnung zu messen und so „51 Pegasi b“ nachzuweisen.

Nachweis eines belebten Exoplaneten bleibt „sehr schwierig“

Grundsätzlich lassen sich massereiche Gasriesen, ähnlich Jupiter, einfacher finden als erdähnliche Leichtgewichte. Doch gerade auf die haben es die Forscher abgesehen. Diese Objekte könnten etwas wahrscheinlicher Leben bergen.

Angenommen, es gibt einen weiteren belebten Planeten, bleibt der Nachweis sehr schwierig, sagt Rauer. „Man kann ja nicht hinfliegen und nachschauen, also bleibt nur ein Indizienbeweis.“ Als Kriterien gelten Wasser und Sauerstoff in der Atmosphäre sowie Kohlendioxid und Methan als indirekte Anzeiger für biologische Aktivität. „Unter Experten wird viel diskutiert, welche Moleküle wirklich gute Biomarker sind und nicht auch abiotischen Ursprungs sein könnten.“ Selbst wenn das geklärt ist, bleibt das Problem, die ferne Atmosphäre zu analysieren. Das James-Webb-Weltraumteleskop, das 2021 starten soll, wird die Gashüllen großer Exoplaneten und auch die in der Nähe von kühlen Sternen mittels Spektroskopie untersuchen können, sagt Rauer. „Die Atmosphäre unserer Erde, die nahe an einer heißen Sonne ist, könnte es nicht auflösen.“ Dafür müsse eine weitere Teleskoptechnik entwickelt werden, die den jeweiligen Mutterstern ausblendet. Dann könnte es gelingen, eine zweite Erde zu finden.

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