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Die Küstenlinie der Bykowski-Halbinsel in der zentralen Laptewsee in Sibirien zieht sich im Sommer zurück, wenn eisreiche Permafrostblöcke am Strand von den Wellen erodiert werden.

© 2017, P. Overduin

Permafrost unter dem Meer taut auf: Arktischer Ozean setzt Treibhausgase frei

Treibhausgase aus dem gefrorenen Grund des arktischen Ozeans könnten den Klimawandel erheblich ankurbeln, auch durch langsames Auftauen.

Nicht nur der Permafrost an Land, sondern auch der unter dem arktischen Ozean trägt zum Klimawandel bei. Wie viel Methan und Kohlendioxid unter dem Nordpolarmeer lagern, haben Forschende unter Leitung der Brigham Young University (BYU) in Utah jetzt erstmals abgeschätzt. Doch Unsicherheiten bleiben. Die gute Nachricht: Das Tauen wird langsam gehen.

An dem Projekt wirkten 25 Forschende des internationalen Permafrost Carbon Network (PCN) mit. Im Eis unter dem Festlandsockel der Arktisanrainer sind nach ihren Erkenntnissen rund 60 Milliarden Tonnen Methan und 560 Milliarden Tonnen organischer Kohlenstoff begraben. Zum Vergleich: Seit der industriellen Revolution hat die Menschheit etwa 500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in der Atmosphäre deponiert.

Der heute unterseeische Permafrost der Arktis entstand in der Tundra der letzten Eiszeit, als der Meeresspiegel noch niedriger war. Er befindet sich in den Ausläufern der kontinentalen Landmassen nördlich von Sibirien und zum kleinen Teil auch vor Kanada.

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Drei Viertel der Emissionen könnten verhindert werden

Als sich die Erde nach der letzten Eiszeit erwärmte, wurden die tiefgefrorenen Böden vom Meer überspült. Obwohl das Meerwasser nur wenig wärmer als null Grad war, begann es, den darunter liegenden Permafrost aufzutauen. Dadurch wurden bereits Milliarden Tonnen organischer Stoffe von Bakterien zersetzt.

„Unterwasser-Permafrost ist einzigartig, weil er immer noch auf einen dramatischen Klimawandel vor mehr als zehntausend Jahren reagiert“, sagte Sara Sayedi von der BYU. Das Überbleibsel der letzten Eiszeit taut immer noch langsam auf. Die dabei frei werdenden Gase würden bisher nicht in den Klimazielen berücksichtigt, heißt es in der Studie, die in der Zeitschrift „Environmental Research Letters“ erschienen ist.

Die Forscher schätzen, dass derzeit jährlich etwa 140 Millionen Tonnen Kohlendioxid und 5,3 Millionen Tonnen Methan an die Atmosphäre abgegeben werden. Dies entspreche in etwa den Emissionen von Spanien. Unklar sei, ob diese Entwicklung bereits durch den aktuellen, menschengemachten Klimawandel beschleunigt wird.

Wie stark die Menge künftig steigt, hänge davon ab, wie sehr die Menschheit ihre Emissionen reduziert, sagen die Forscher. Im Vergleich zu einem Weiter-so-Szenario könnten rund drei Viertel der Emissionen vermieden werden.

Rückkopplung im Klimasystem

Auf jeden Fall werde die Entwicklung langsam verlaufen, sagt Sayedi: „Es wurde berichtet, dass menschliche Emissionen eine katastrophale Freisetzung von Methanhydraten auslösen könnten. Unsere Studie deutet aber auf einen allmählichen Anstieg über viele Jahrzehnte hin.“

Koautor Ben Abbot schlussfolgert: „Unterwasser-Permafrost ist wahrscheinlich keine Klima-Zeitbombe.“ Er könnte aber eine starke Rückkopplung im Klimasystem in Gang setzen: Mehr Emissionen erwärmen den Ozean, was wiederum zu mehr Emissionen führt. Es gebe jedoch noch viele Unsicherheiten.

Das teilten auch die Forscher mit, die im Oktober eine Studie zum Thema Permafrost im Magazin „Science Advances“ veröffentlichten. Sie hatten dafür Eisbohrkerne aus Meeressedimenten untersuchten, die sich vor bis zu 27.000 Jahren gebildet haben. Das Ergebnis: Erwärmungsereignisse von nur wenigen Grad reichten aus, um Kohlenstoff aus dem Permafrost zu lösen. Das deute insgesamt auf einen niedrigen Schwellenwert für die Auslösung einer Rückkopplung beim Permafrostabbau hin, so die Forschenden.

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