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Auf dem Weg. Viele Unibibliotheken haben bereits eigene Plattformen angelegt, auf denen die Arbeiten von Forschern kostenfrei angeboten werden. Doch die Datenbanken sind oft nicht verknüpfbar, es gibt in Deutschland nicht einmal eine gemeinsame Suchmaschine.

© picture alliance / dpa

Open Access an Hochschulen in Berlin: Forschen ohne Fesseln

Freier Zugang zu wissenschaftlichen Werken ist noch immer schwierig. Jetzt will Berlin den Open Access vorantreiben. Noch aber sind die Initiativen an den Unis zersplittert.

Open Access, das steht für große Hoffnungen, offene Zugänge, einen globalen Paradigmenwechsel der Wissenschaften. Forschungsergebnisse sollen nicht länger hinter Bibliotheksmauern versteckt oder durch unerschwingliche Fachzeitschriften vom breiten Publikum ferngehalten werden. Wissen soll fließen, sich vernetzen, von überall auf der Welt zugänglich sein. So weit der Traum, von dem die Realität allerdings noch weit entfernt ist. Noch kocht jede Uni, jedes Land, manchmal sogar jede Fakultät ihr eigenes Süppchen.

Open Access auf Berliner Forschung

Das muss sich ändern, befand das Berliner Abgeordnetenhaus. Im Mai dieses Jahres forderte es den Senat einstimmig auf, eine Open-Access-Strategie für den Wissenschaftsstandort Berlin auf den Weg zu bringen. Es geht darum, die vielen bestehenden Ansätze zu bündeln. In Zukunft sollen möglichst viele Forschungsergebnisse, die in Berlin aus öffentlicher Hand finanziert sind, einem breiten Publikum einfach und kostenlos zugänglich gemacht werden. Derzeit gibt es zwar alle möglichen Initiativen, aber keine richtige Struktur, keinen Masterplan.

Nun soll der große Wurf her, mit dem das Land Berlin auch die überregionale Debatte vorantreiben will. Schon einmal hat die Hauptstadt Open-Access-Geschichte geschrieben. Das war 2003, als im Haus der Max-Planck-Gesellschaft in Dahlem die „Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities“ entstand. In der Erklärung hatten sich Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus aller Welt erstmals zu den Chancen der Digitalisierung und der freien Verbreitung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse übers Internet bekannt. Bis heute wurde die Deklaration von 489 Institutionen unterzeichnet.

Über 150 Repositorien für Publikationen

Seitdem ist viel passiert. Die Berliner Hochschulen haben Datenserver eingerichtet, manche Fachbereiche haben selbst Open-Access-Journale und kollaborative Plattformen gegründet. Allein in der Hauptstadt gibt es mittlerweile zwölf sogenannter Repositorien, also Datenbanken auf Universitätsservern, auf denen Wissenschaftler ihre Publikationen für die kostenfreie Nutzung im PDF-Format hinterlegen können. Auch Brandenburg unterhält 11 Repositorien. Deutschlandweit ist ihre Zahl in den letzten Jahren auf 152 gestiegen. Doch die Vielfalt, die entstanden ist, wirft immer mehr Fragen auf. „Wir müssen die Strategien gut aufeinander abstimmen“, forderte am Montag Peter André Alt, Präsident der Freien Universität, im Rahmen der Tagung „Open-Access-Strategie für Berlin“. „Das Rad muss nicht mehrfach neu erfunden werden.“

Schon am Beispiel der Repositorien, die Teil des „grünen Wegs“ sind, wird die Komplexität von Open Access deutlich. Bei diesem Modell erscheinen wissenschaftliche Aufsätze zunächst wie bisher in teuren Fachzeitschriften, um nach Ablauf einer mehrmonatigen Karenzzeit auf frei zugänglichen Datenbanken der jeweiligen Hochschule abgelegt zu werden. Das Recht auf diese Art der Zweitverwertung ist seit Januar 2014 in Deutschland gesetzlich verankert. Kein Verlag kann es einem wissenschaftlichen Autor verweigern. Noch aber ist völlig unklar, wie viele Forscher von ihrem neuen Recht überhaupt Gebrauch machen werden. Bisher werden schätzungsweise nur fünf bis zehn Prozent aller Fachartikel über den grünen Weg zweitveröffentlicht.

"Datenbestände vernünftig bewirtschaften"

Aber selbst wenn die Texte auf Uni-Repositorien landen, sind sie nicht automatisch gut zugänglich. Sinnvoll wäre es natürlich, dass die Dutzenden Datenbanken alle ähnlich funktionieren, dass ihre Metadaten verknüpfbar und anschlussfähig sind. Doch das ist Zukunftsmusik. Noch immer kann man die 152 deutschen Repositorien nicht mithilfe einer gemeinsamen Suchmaschine durchforsten. Lediglich 44 der Datenbanken sind unter dem Dach des OAN (Open Access Netzwerk) vernetzt und durchsuchbar. Bis 2012 hatte das OAN dafür eine mehrjährige Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhalten. Zurzeit gibt es keine Anschlussfinanzierung.

Ähnlich ergeht es vielen ambitionierten Open-Access-Projekten. Eine der lautesten Forderungen bei der Tagung war daher die nach mehr Geld. Peter Frensch, Vizepräsident für Forschung der Humboldt-Universität, sagte, dass die Umstellung auf Open Access mittelfristig erst einmal immense Kosten verursachen wird – bevor Unibibliotheken langfristig sparen können, weil die hohen Ausgaben für Fachzeitschriften sinken. Zunächst aber müssen nachhaltige technische Infrastrukturen aufgebaut werden, es braucht gute Software und sinnvolle Kooperationen. Wissenschaftsstaatssekretär Knut Nevermann stimmte Frensch grundsätzlich zu: „Die Datenbestände müssen vernünftig bewirtschaftet werden.“ Und das heißt vor allem: Dopplungen bei Entwicklungs- und Unterhaltskosten vermeiden.

Nun argumentieren Kritiker des grünen Wegs allerdings, dass schon das Zweitveröffentlichungsmodell selbst eine Dopplung darstellt. Berlin will sich daher nicht allein darauf beschränken. Das Abgeordnetenhaus fordert, auch der Ausbau des „goldenen Wegs“ soll vorangetrieben werden. Beim goldenen Open Access bekommen Wissenschaftler aus öffentlicher Hand zusätzliche Druckkostenzuschüsse, die sie benötigen, um in Open-Access-Journalen veröffentlichen zu können. Die großen Wissenschaftsverlage betreiben mittlerweile etliche solcher Zeitschriften, bei denen nicht der Nutzer zahlt, sondern der Autor. Mit der einmaligen Gebühr sind die verlegerischen Kosten des Artikels abgegolten, die anschließende Nutzung ist kostenlos.

Mehr Unterstützung für Open-Access-Journale

Ein informeller Open-Access-Gesprächskreis, an dem 19 Berliner Hochschulen und Forschungseinrichtungen teilnehmen, hat sich in den letzten Monaten bereits gegründet. Nevermann versprach, nun solle daraus eine feste Arbeitsgruppe werden, die in den kommenden Monaten ein Strategiepapier für Berlin entwerfen soll. Auch die Aktivitäten anderer Bundesländer sollen berücksichtigt werden. „Wir brauchen nicht 16 verschiedene Strategien für Deutschland.“

Zurzeit sind die Augen aller Open-Access-Befürworter auf Baden-Württemberg gerichtet. Dort hat eine Arbeitsgruppe Maßnahmen erarbeitet, die künftig für alle Universitäten des Landes gelten werden. Baden-Württemberg hat darin festgeschrieben, den goldenen und den grünen Weg zu unterstützen. Unter anderem werden Hochschulangehörige verpflichtet, ihr Zweitveröffentlichungsrecht auch wahrzunehmen. Das Land fördert die Gründung von Open-Access-Journalen, die an den Unis selbst und damit unabhängig von kommerziellen Wissenschaftsverlagen entstehen. Das lässt sich Baden-Württemberg einiges kosten.

Berlin hält sich mit der Zusage großzügiger Fördersummen bislang bedeckt. Staatssekretär Nevermann sagte, die Wissenschaftler müssten zunächst in der Mehrheit bereit sind, bei Open Access mitzumachen. Das funktioniert aber nur, wenn sich die bisherigen Bewertungsmaßstäbe ändern. Noch immer sind Publikationen in hochkarätigen Fachzeitschriften entscheidend für Ansehen und Karriere. „Das Journalsystem wird sehr schwer zu ersetzen sein“, sagte Nevermann. „Aber es müsste ersetzt werden.“

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