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Ein Porträt der ehemaligen HU-Präsidentin im Foyer des Hauptgebäudes.

© Michael Kappeler/picture alliance/dpa

Ohne Beteiligung des Akademischen Senats: Verwaltung nennt Verfassungsbeschwerde der Humboldt-Präsidentin rechtswidrig

Wissenschaftsverwaltung: Ohne Diskussion im Senat der HU hätte die Klage gegen das Hochschulgesetz nicht eingereicht werden dürfen. Doch was folgt daraus?

Das Zustandekommen der Verfassungsbeschwerde der Humboldt-Universität war rechtswidrig. Zum einen hätten die Mitglieder des Akademischen Senats (AS) der HU "nach geltenden hochschulrechtlichen Bestimmungen" vor der Einreichung beteiligt werden müssen. Zum anderen sei es nicht rechtens gewesen, den AS-Mitgliedern danach die geforderte Einsichtnahme in den Schriftsatz ans Bundesverfassungsgericht zu verweigern.

Das geht aus einer E-Mail aus der Senatsverwaltung für Wissenschaft an die Beschwerdeführer im Akademischen Senat hervor. Eine Rechtsaufsichtsbeschwerde hatten der Kirchenhistoriker Reinhard Flogaus, einer von zwei Sprechern des akademischen Mittelbaus im AS, und vier weitere Vertreter der nichtprofessoralen Statusgruppen Anfang Februar bei Senatorin Ulrike Gote (Grüne) eingereicht.

Ende vergangener Woche erhielten die AS-Mitglieder von der Senatsverwaltung eine Antwort, die bereits zuvor dem Präsidium der HU mitgeteilt wurde.

Angelegenheiten, die die Hochschule als Ganzes betreffen

Die Verfassungsklage, um die es geht, richtet sich gegen die Postdoktorandenregelung des im September 2021 novellierten Berliner Hochschulgesetzes. Die damalige HU-Präsidentin Sabine Kunst kündigte ihren Rücktritt zum Ende des Jahres an, weil sie die Vorgabe, eine bestimmte Gruppe von promovierten wissenschaftlichen Mitarbeitenden nach Ablauf ihrer ersten befristeten Stelle eine Dauerstelle anzubieten, für nicht umsetzbar und schädlich für die Berliner Wissenschaft hielt.

Verfassungsrechtliche Bedenken, die bereits in verschiedenen Gutachten geäußert wurden, machen sich an der Wissenschaftsfreiheit fest: Garantierte Dauerstellen im Mittelbau würden die Fluktuation des wissenschaftlichen Nachwuchses behindern, auf den die Hochschulen angewiesen seien.

Statue Wilhelm von Humboldts mit einem aufgeschlagenen Buch vor der Universität.
Die Klageschrift durften AS-Mitglieder dann doch noch einsehen, waren dabei aber durch eine Konventionalstrafe bedroht.

© Tsp/Doris Spiekermann-Klaas

Als letzte Amtshandlung reichte Kunst die Klage Ende Dezember 2021 ein, und zwar ohne einen entsprechenden Präsidiumsbeschluss der HU und ohne den Akademischen Senat vorab zu informieren. Nach Auffassung der Beschwerdeführer müsse dieser aber laut Hochschulgesetz und HU-Verfassung "in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, welche die Hochschule als Ganze betreffen" das Recht zu einer Stellungnahme haben.

[Einen Gastbeitrag von Mittelbau-Vertreter Reinhard Flogaus, in dem dieser für die Verfassungsgemäßheit der Postdoc-Regelung plädiert, lesen Sie hier]

Das HU-Präsidium sah es anders. Das Recht zur Stellungnahme beziehe sich nur auf akademische Angelegenheiten, nicht aber auf die Einreichung einer Verfassungsbeschwerde, wurde den Beschwerdeführern beschieden. Abgelehnt wurde auch die Forderung, den Schriftsatz der von Kunst beauftragten Anwaltskanzlei wenigstens nachträglich lesen zu können.

Keine Einsicht in die Klageschrift wegen Urheberrecht der Anwälte?

Dagegen argumentierte das Präsidium, der Schriftsatz unterliege dem Urheberrecht der beauftragten Anwaltskanzlei, wie auf Nachfrage Reinhard Flogaus dem Tagesspiegel berichtete. Hier hat sich das Blatt allerdings inzwischen gewendet, wenn auch unter kuriosen Begleitumständen.

Schon im Mai, einen Monat vor der jetzt erteilten Rechtsauskunft, hatte die Senatsverwaltung die HU-Leitung unter ihrem kommissarischen Leiter Peter Frensch aufgefordert, den Konflikt mit dem AS beizulegen und auf Wunsch Einsicht in den Schriftsatz zu geben. Dem beugte sich das Präsidium, allerdings unter einer harten Auflage.

Wer den Schriftsatz der Kanzlei an das Bundesverfassungsgericht lesen will, muss sich verpflichten, darüber Stillschweigen zu wahren - oder eine Konventionalstrafe von 5001 Euro zu zahlen. Verboten sollte es auch sein, sich bei der Lektüre Notizen zu machen. "All dies trug bislang nicht wirklich zu einer Entschärfung des Konfliktes zwischen einzelnen Senatsmitgliedern und der Universitätsleitung bei", sagte Flogaus dem Tagesspiegel.

Unileitung hält an ihrer Rechtsauffassung fest

Das Verbot von Notizen sei dann doch noch aufgehoben worden - nach einem erneuten Protest der AS-Mitglieder. Direkte Konsequenzen für die Verfassungsklage hat die Rechtsauskunft der Wissenschaftsverwaltung indes nicht.

Auf Anfrage an die HU hieß es am Montag, man halte an der bisherigen Rechtsauffassung fest: „Die Überprüfung einer Rechtsnorm auf ihre Verfassungsgemäßheit betrifft keine akademische Angelegenheit, zu der dem AS ein Stellungnahmerecht oder eine Beschlusskompetenz zustünde.“ Zudem habe „eine Senatsverwaltung Stellung genommen, die selbst Verfahrensbeteiligte der erhobenen Verfassungsbeschwerde ist“. Ein HU-Sprecher bestätigte, dass Kunst die Klage ohne Präsidiumsbeschluss einreichte, das Präsidium trage aber „die Einreichung in Gänze mit“. Damit sei kein formaler Beschluss erforderlich gewesen. Die Androhung einer Konventionalstrafe gegen AS-Mitglieder bestätigt die HU ebenfalls.

Mittelbau-Vertreter Flogaus sieht in der jetzt bekannt gewordenen Entscheidung der Senatsverwaltung über den konkreten Fall hinaus "eine wichtige Stärkung der Rechte und Kompetenzen der Akademischen Senate im Land Berlin".

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