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Ökologische Energie: Strom aus Salzwasser

Osmosekraftwerke können an Flussmündungen nachhaltig Elektrizität erzeugen. Der norwegische Energiekonzern Statkraft hat ein solches Kraftwerk bereits in Betrieb genommen.

Ingenieure ernten mit ihrem Vorschlag, elektrischen Strom durch das Mischen von Salzwasser und Süßwasser zu erzeugen, normalerweise bestenfalls ein ungläubiges Kopfschütteln. Der staatliche norwegische Energiekonzern Statkraft aber hat in der Nähe von Oslo bereits Ende des vergangenen Jahres ein Kraftwerk in Betrieb genommen, das genau nach diesem Prinzip funktioniert. Zwar bringt die Anlage mit zwei bis drei Kilowatt gerade genug Leistung, um eine Herdplatte zu heizen. Aber das Mini- Elektrizitätswerk soll ja auch nur zeigen, dass solche Kraftwerke überhaupt funktionieren. Die Slowenin Anja Car vom GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht bei Hamburg tüftelt derweil bereits im Auftrag von Statkraft an Verbesserungen, die in wenigen Jahren einen Prototyp ermöglichen sollen, der eine ganze Kleinstadt mit Strom versorgen kann.

„Osmose-Kraftwerk“ nennen die Ingenieure diese Anlage, weil ihr ein physikalisch-chemischer Vorgang zugrunde liegt, der „Osmose“ genannt wird: Trennt ein Sieb einen Eimer in zwei Hälften, in denen sich auf der einen Seite Meerwasser und auf der anderen Süßwasser befindet, mischen sich beide Flüssigkeiten zu Brackwasser. Nichts anderes passiert in der Mündung von Flüssen ins Meer. Dabei fließt hauptsächlich Wasser vom Süßwasser zum Meerwasser, und Salz bewegt sich in die entgegengesetzte Richtung. Ersetzen Tüftler nun das Sieb zwischen den beiden Hälften durch eine Membran, die nur Wasser, aber kein Salz durchlässt, geschieht Verblüffendes: Anscheinend im Widerspruch zu den Naturgesetzen beginnt der Wasserspiegel auf der salzigen Seite zu steigen, während er auf der anderen Seite fällt.

Die Erklärung für dieses Phänomen liegt in der Membran, die zwar den Salzfluss stoppt, aber nicht den Wasserfluss. Daher befindet sich auf der Meerwasserseite bald mehr Flüssigkeit als auf der Süßwasserseite. Theoretisch könnte so der Wasserstand auf der salzigen Seite um mehr als 200 Meter steigen. Das ansteigende Wasser kann ähnlich wie aus einem Stausee durch eine Turbine wieder abwärtsfließen und so seine Kraft auf einen Generator übertragen, der elektrischen Strom erzeugt.

So weit die Theorie. Bei der Umsetzung in die Praxis gibt es jedoch wie üblich einige Probleme. Um die Reaktionsoberfläche zu vergrößern, ersetzen die Ingenieure den Eimer durch Röhren, die im Querschnitt aussehen wie ein Schneckenhaus, wobei die Trennwand von einer Membran gebildet wird. Auf der einen Seite fließt Meerwasser, auf der anderen Flusswasser.

Durch die Osmose steigt auf der Salzwasserseite der Druck, der im Prinzip eine Turbine antreiben könnte. Wenn er denn groß genug wäre. „Bisher gibt es keine Membran, die Salz hundertprozentig zurückhält“, beschreibt Anja Car das größte Konstruktionsproblem für Osmosekraftwerke. Je schlechter die Membran den Salzfluss unterbindet, umso weniger steigt der Druck und umso weniger Energie kann gewonnen werden. Um diese Einschätzung mit Zahlen zu belegen, messen die Forscher die Güte des Stoffes anhand der elektrischen Leistung, die ein Quadratmeter Membran liefern kann. „Watt pro Quadratmeter“, so lautet daher die Grundeinheit der Osmosekraftwerksforschung.

Die Entwicklung einer möglichst guten Membran wird seit der Jahrtausendwende im GKSS-Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft vorangetrieben. Angefangen haben die Wissenschaftler mit Membranen, die gerade 0,1 Watt elektrische Leistung pro Quadratmeter schafften, das Ziel sind fünf Watt. Mehr als 50 verschiedene Membrantypen nahmen die Forscher unter die Lupe, als potenzielle Kandidaten blieben genau zwei übrig: Cellulose-Acetat und hauchdünne Polyamidfilme.

Beide Substanzen sind längst im Großeinsatz in Anlagen, die Meerwasser entsalzen. Dieser Prozess funktioniert nämlich genau umgekehrt wie die Osmose und heißt daher „Umkehrosmose“: Salzwasser wird durch eine salzundurchlässige Membran gepresst, auf der anderen Seite erhält man Süßwasser. Trinkwasser jedoch enthält immer eine kleine Menge Salz – das soll es sogar, um für den menschlichen Körper besser verträglich zu sein. Daher stört es die Konstrukteure einer Meerwasserentsalzungsanlage wenig, wenn die Membran auch ein wenig Salz durchlässt.

In einem Osmosekraftwerk aber verringert diese Durchlässigkeit für Salz den Wirkungsgrad enorm. 2000 Quadratmeter herkömmlicher Cellulose-Acetat-Folie steckten die Ingenieure von Statkraft daher in 66 oberschenkeldicke Druckrohre, die den Kern des Mini-Demonstrationskraftwerks bilden, das bei Hurum gebaut wurde, eine Autostunde südlich von Oslo. Heraus kommt aber gerade genug Strom, um der norwegischen Kronprinzessin Mette-Marit bei der Eröffnungsfeier eine Tasse Tee zu kochen.

GKSS-Forscherin Anja Car ist mit ihren Membranen schon ein Stück weiter und holt aus einem Quadratmeter Polyamid-Membran immerhin drei Watt elektrischer Leistung. Herkömmliche Folien aus diesem Material, aus dem zum Beispiel Kunststoffe wie Nylon bestehen, liefern dagegen nur 0,2 Watt pro Quadratmeter. Sie sind relativ dick und lassen deshalb zwar kaum Salz, aber auch nur wenig Wasser passieren. „Je dünner die Folie ist, umso mehr Wasser kommt durch“, sagt Anja Car. Um drei Watt Leistung zu erreichen, sind ihre Folien daher nur 200 Nanometer dick. Das sind 0,2 Tausendstel eines Millimeters. Ein menschliches Kopfhaar ist 500-mal dicker. Für technische Anwendungen sind so dünne Folien nicht stabil genug. Auf einer Seite stützen daher poröse Kunststoffe, die Wasser und Salz gut passieren lassen, das hauchdünne Gebilde aus Polyamid.

Zumindest im Labor klappt das hervorragend, weil die Forscher die verwendete Folie in Quadratmeter messen, die sie sehr genau kontrollieren können. Statkraft aber möchte bis 2015 den Prototyp eines 25 Megawatt-Kraftwerkes in Betrieb nehmen, das 15 000 Haushalte mit Strom versorgen soll und die Größe eines Fußballstadions einnehmen dürfte. Erreichen die GKSS-Forscher bis dahin Leistungen von fünf Watt pro Quadratmeter Membran, steckt in den Druckrohren dann mit fünf Millionen Quadratmetern eine Membranfläche, die fast doppelt so groß ist wie die Wasserfläche des Berliner Wannsees.

Das ist eine gewaltige Herausforderung für die Entwickler, denn beim Übertragen der Ergebnisse von ein paar Quadratmetern Membran im Labor auf einige Millionen Quadratmeter in der Technik treten erfahrungsgemäß erhebliche Probleme auf. Die großen Folien können zum Beispiel viel leichter Fehlstellen haben, an denen auch Salze die Membran passieren – was die Stromausbeute eines Osmosekraftwerkes deutlich senken würde.

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