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Karl Winnacker

© picture-alliance / dpa

NS-Verstrickungen: Kein ehrendes Andenken mehr für Karl Winnacker in der Wissenschaft

Die Verstrickung des früheren Hoechst-Managers in den Nationalsozialismus war lange bekannt. Dennoch trugen mehrere Preise und ein Institut seinen Namen - bis vor kurzem

Dürfen Institute oder Preise die Namen NS-belasteter Funktionäre tragen? Diese Frage hat jüngst die Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft beschäftigt. Nein, fand die Verbandsspitze – und schaffte ihren Theodor-Eschenburg-Preis kurzerhand ab. Der lange als „Lehrer der Demokratie“ hoch angesehene Wissenschaftler hatte im Dritten Reich an der Arisierung eines jüdischen Unternehmens mitgewirkt.

Wie nun bekannt wird, erinnern inzwischen auch keine Preise oder Institutsnamen mehr an den in den Nationalsozialismus verstrickten früheren Hoechst-Manager Karl Winnacker: Die Aventis Foundation und der Marburger Universitätsbund haben ihre Winnacker-Preise umbenannt beziehungsweise abgeschafft. Auch das Dechema-Institut hat sich von Winnackers Namen getrennt. Zuvor hatte der Tagesspiegel über die Rolle des Managers im Nationalsozialismus berichtet und das ehrende Andenken an ihn in Zweifel gezogen („Ehrung mit Schatten“, Tsp. vom 23. Mai 2011).

Karl Winnacker (1903 bis 1989), der Vater des früheren Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft ErnstLudwig Winnacker, war ab 1943 Direktor der IG Farben, des wichtigsten Chemie-Unternehmens des Dritten Reiches. Die IG Farben produzierte unter anderem Arzneien, die die SS an KZ-Häftlingen testete. Winnacker wusste nach Einschätzung des Münchener Historikers Stephan H. Lindner, dass sein Unternehmen am Standort Hoechst 8000 Zwangsarbeiter beschäftigte, die unterernährt in einem werkseigenen Lager hausten. Nach der Kriegsniederlage ging Winnacker laut Lindner „rasch dazu über, den ‚Old Boys’ der alten I.G. zu helfen und ihnen möglichst im Hoechst-Konzern eine Stelle zu beschaffen, egal wie politisch belastet sie waren.“ Lindner hat die Geschichte von Hoechst im Auftrag des Unternehmens schon vor Jahren erforscht („Hoechst“, 2005).

Aber erst im vergangenen Jahr hat sich die Aventis Foundation von dem Namensgeber ihres Stipendiums für Nachwuchschemiker getrennt. Für den späten Abschied vom „Karl-Winnacker-Dozentenstipendium“ nennt Eugen Müller von der Aventis Foundation auf Anfrage aber andere Gründe als ein neues Bild von Winnacker: „Wir wollten weitere öffentliche Anwürfe gegen unsere Stiftung und deren Stipendiaten vermeiden.“ Im Jahr 2011 hatte Aventis eine Umbenennung gegenüber dem Tagesspiegel noch mit dem Argument des „Etikettenschwindels“ abgelehnt. Der Berliner Chemiker Christian Hackenberger, der 2011 noch das „Karl-Winnacker-Dozentenstipendium“ erhalten hatte, sah damals keinen Grund, sich öffentlich von dem Namensgeber zu distanzieren. Auf seiner Homepage erwähnt er das Stipendium inzwischen nur noch ohne Winnackers Namen.

Auch das Karl-Winnacker-Institut der chemischen Fachgesellschaft Dechema, das seit 2012 schlicht Dechema-Forschungsinstitut heißt, hat sich von Winnackers Namen nicht wegen einer neuen Bewertung seiner Person getrennt. Anlass sei lediglich „die Ausgliederung als eigenständige Stiftung“, teilt eine Sprecherin des Instituts auf Anfrage mit.

Der Marburger Universitätsbund erklärt, er habe sich zum Umgang mit seinem Winnacker-Preis „von Experten beraten lassen“. Dabei sei klar geworden, „dass die Bewertung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (…) auch aufgrund zeitgebundener Perspektiven veränderlich sind“. Karl Winnacker war bis zu seinem Tod Ehrenvorsitzender des Marburger Universitätsbunds. Nun ist der Preis abgeschafft – auf seiner Startseite im Internet berichtet der Bund aber noch über die Ehrung der Verlegerwitwe Liz Mohn.

Offensiv geht dagegen die Deutsche Südosteuropa-Gesellschaft mit ihrer Geschichte um. Im Februar 2013 hatte die Gesellschaft unter Vorsitz des sozialdemokratischen Außenpolitikers Gernot Erler ihren Journalistenpreis wie berichtet umbenannt, nachdem Preisträger Andreas Ernst von der „Neuen Züricher Zeitung“ Bedenken gegen den Namensgeber Rudolf Vogel geäußert hatte. Der CDU-Politiker hatte sich im Dritten Reich als antisemitischer Agitator hervorgetan. Für die Südosteuropa-Gesellschaft war der Fall Vogel Anlass, „das Aufarbeiten unserer Geschichte zu forcieren“, wie Geschäftsführer Hans-Jörg Brey formuliert. Ergebnis ist eine öffentliche Tagung über „kritische Fragen zu Kontexten und Kontinuitäten“, die am 16. und 17. Dezember in München stattfindet. Brey begründet dies so: „Niemand soll den Verdacht hegen, wir wollten unsere Vergangenheit schönreden.“

Jonas Krumbein

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