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Wenn bei der Mammografie ein "duktales Karzinom" in der Brust entdeckt wird, verbessert eine radikale Amputation die Überlebenswahrscheinlichkeit nicht, so eine Studie an über 100.000 Frauen.

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Nicht jede Geschwulst erfordert Amputation: Brustkrebs-Vorstufe wird oft zu aggressiv therapiert

Ist es eine Brustkrebs-Vorstufe, ein frühes Krebsstadium oder nur ein Risikofaktor für Krebs? Beim "duktalen Karzinom in situ" scheiden sich die Geister. Nun zeigt eine Studie, dass die Art der Operation keinen Einfluss auf das Überleben hat.

Wenn ein Arzt nach einer Mammographie das Wort „Brustkrebs“ ausspricht, löst das bei den meisten Patientinnen Panik aus. Sie wollen die wuchernden Zellen loswerden, so schnell und so radikal wie möglich. Doch jene 20 bis 25 Prozent, bei denen ein „duktales Karzinom in situ“ festgestellt wird, sollten diesem Impuls nicht unbedingt nachgeben, legt eine Studie im Fachblatt „Jama Oncology“ nahe. Krebsforscher um Steven Narod von der Universität Toronto haben das Schicksal von 108.196 Frauen in Kanada und den USA ausgewertet, die zwischen 1988 und 2011 diese Diagnose bekommen hatten. 3,3 Prozent waren nach 20 Jahren an Brustkrebs verstorben, das entspricht dem Risiko jeder anderen Frau. Die Art der Behandlung hatte keinen Einfluss auf die Sterblichkeit, egal ob die Wucherung brusterhaltend entfernt wurde, ob die Frau zusätzlich eine Strahlentherapie bekommen hatte, ob eine oder gleich beide Brüste abgenommen wurden.

Frühes Krebsstadium oder nur ein Risikofaktor?

Das „duktale Karzinom in situ“ ist eine krankhafte Wucherung, die auf die Milchgänge der Brustdrüse beschränkt ist. Seit sich die Mammographie durchgesetzt hat, wird diese Veränderung häufiger erkannt. Experten streiten darüber, ob man sie als frühes Krebsstadium, als Krebsvorstufe oder als Risikofaktor für Krebs bezeichnen sollte. Eine Arbeitsgruppe des Nationales Krebsinstituts der USA schlug 2013 vor, das Wort „Karzinom“ aus der Diagnose zu tilgen. Das Etikett verursache erheblichen Handlungsdruck bei Arzt und Patientinnen – obwohl unklar ist, ob sich aus der Wucherung jemals ein gefährlicher Krebs entwickelt.

Damit unterscheidet sie sich von Krebsvorstufen im Darm oder am Gebärmutterhals. Diese zu entfernen, hat sich als echte Vorsorge erwiesen; die Eingriffe retten nachweislich Leben. Aufgrund dieser Erfahrung erschien es logisch, gegen die veränderten Zellen in den Milchgängen ebenfalls konsequent vorzugehen, ehe sie ins übrige Gewebe ausbrechen.

Massiv übertherapiert

Doch nicht jeder krankhaft veränderte Zellhaufen bedroht das Leben. Manche hören auf zu wachsen. Andere schrumpfen oder lösen sich von allein auf. „Wir sollten den Frauen nicht mehr sagen, dass diese Diagnose ein Notfall ist und gleich eine Operation planen“, schreiben Laura Essermann und Christina Yau von der Universität von Kalifornien in Stanford in einem Kommentar. Ältere Frauen würden so massiv übertherapiert. Vorbeugende Medikamente und Änderungen in der Lebensführung könnten ihnen möglicherweise die Operation ersparen. Auch die Strahlentherapie sollte angesichts ihrer Nebenwirkungen überdacht werden. Dagegen sei das „duktale Karzinom in situ“ bei einigen wenigen Patientinnen der Beginn eines aggressiven Brustkrebses, der früh streut. Bei ihnen reicht offenbar die Mastektomie nicht aus. Eine zusätzliche Immuntherapie könnte helfen, vermuten Esser und Yau.

Die Forscher aus Toronto plädieren dafür, Risikogruppen genauer zu testen. Ihre Daten zeigten, dass Frauen, die zum Zeitpunkt der Diagnose unter 35 Jahre alt sind, schwarze Frauen und Frauen, deren Zellen bestimmte molekulare Marker aufweisen, besonders gefährdet sind.

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