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Im Kreissaal des neuen Skills Labs.

© Evangelische Hochschule Berlin

Neues Skills Lab an der EHB: Wo angehende Hebammen eine Geburt simulieren

Die Evangelische Hochschule bekommt einen neuen Studiengang für Hebammen. Und ein Labor, in dem praxisnah gelehrt wird.

Der Mund der Plastikmutter steht offen. Ihre Finger sind weich, Beine und Bau auch. Silikonweich. Die Plastikmutter, die eigentlich eine Puppe ist, mit der Geburtsvorgänge simuliert werden können, ist gerade nicht angeschaltet. Aber wäre sie es, dann könnte sie laute Stöhngeräusche von sich geben. Flüssigkeit verlieren, Krampfen, Sprechen und sogar Blockieren, wenn sie falsch angefasst werden würde.

Doch jetzt liegt sie nur starr in einem Krankenhausbett und schaut an die Decke. An die Decke des neuen Skills Labs, des Simulationslabors, der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB).

Um sie herum stehen viele Gäste. Hebammen, Studierende, Interessierte und Vertreterinnen der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Pflege und Gleichstellung, lupfen die Decke und fassen ihren prallen Bauch an. An diesem Tag wird nicht nur die Fertigstellung der Räumlichkeiten gefeiert, sondern auch der Internationale Hebammentag.

Und: Ein ganz neuer Studiengang wird eingeweiht. Denn ab dem Wintersemester dieses Jahres kann man an der EHB Hebammenwissenschaften studieren. Nach sieben Semestern ist man dann nicht nur eine fertig ausgebildete Hebamme, sondern hat auch noch einen Bachelor of Science absolviert.

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Dorothea Tegethoff, Professorin für Hebammenwissenschaft- und Kunde, führt durch die Räume. Erstmal ist da das Krankenhauszimmer, in dem die Puppe liegt. Das Bett, die Kleidung, selbst die Gardinen sind dem realen Äquivalent nachempfunden. Gleiches gilt für den Umkleideraum für die Studierenden. Die Schließfächer könnte es so auch gut in einem echten Krankenhaus geben.

Es fehlen Praxisplätze

„Wir können hier 60 Studierende pro Jahr aufnehmen“, sagt Tegethoff. Allerdings fehlten derzeit genügend Praxisplätze, da die angehenden Hebammen natürlich auch in Kliniken und Praxen ausgebildet werden, sodass zunächst nur 46 immatrikuliert werden könnten.

Schon seit 2013 gibt es an der EHB den Modellstudiengang Hebammenkunde. Der Modellstudiengang war noch teilweise an der fachschulischen Ausbildung orientiert, während der neue Studiengang Hebammenwissenschaft nun durchgehend hochschulischen Kriterien entspricht.

Das simulierte Wochenbett im Skills Lab.
Das simulierte Wochenbett im Skills Lab.

© Evangelische Hochschule Berlin

„In beiden Studiengängen heißt das: Die Studierenden lernen wissenschaftliches Arbeiten. Sie lernen zu bewerten, was sie in Studien lesen, und sich zu fragen, wie sie das in die Praxis umsetzen. Oder dass sie vielleicht ganz Anderes beobachten, um das dann auch wieder in die Wissenschaft zurückzuspielen“, sagt Tegethoff.

Die Reform geht auf ein 2019 beschlossenes Gesetz zurück. Ab 2022 kommt man nur noch über ein Studium in den Beruf. Was nicht bedeute, dass deshalb Studieninteressierte ohne Abitur benachteiligt werden würden, sagt Tegethoff. „Man kann sich auch mit einer abgeschlossenen Pflegeausbildung bewerben.“ Als Nächstes führt sie in einen Raum, der dem heimischen Wochenbett der Mutter nachempfunden ist.

Rund eine halbe Million Euro kostete das Skills Lab

Hier soll geübt werden, wie das Baby richtig an die Brust gelegt wird, wie es gewickelt und mögliche Wunden der Mutter versorgt werden würden. Dazu steht ein großes Smartboard im Raum, auf dem Lerninhalte festgehalten oder abgerufen werden können.

Insgesamt habe der ganze Aufbau des Skills Labs rund eine halbe Million Euro gekostet, sagt Sebastian Schröer-Werner, Rektor der EHB bei der Eröffnungsrede. Alleine die Erstausstattung habe 309.000 Euro gekostet. Sehr viel Geld, das aber letztlich vielen werdenden Müttern zugutekommen könnte.

Die Geburt - ein vulnerabler Moment

Denn die Geburt ist einer der vulnerabelsten Momente im Leben vieler werdenden Mütter. Sie kann entweder zu einer besonderen, kräftigenden Erfahrung werden – oder zu einer traumatischen, schrecklichen. Und Hebammen können das maßgeblich mit beeinflussen.

Vier Professorinnen werden künftig in dem Studiengang lehren, darunter ist die Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Mandy Mangler, die beim Tagesspiegel-Podcast „Gyncast“ mitmacht und die Hebamme Susanne Simon, die auch neu kommt. Unterstützt werden sie von einem guten Dutzend wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen.

Der zweite Kreissaal mit Badewanne. An der Decke sind Kameras und Mikros installiert.
Der zweite Kreissaal mit Badewanne. An der Decke sind Kameras und Mikros installiert.

© Evangelische Hochschule Berlin

Natürlich hat das Skills Lab auch einen Kreißsaal. Eine große Wanne steht da. Auf dem Boden liegt eine Matte und ein Gebärhocker. An der Decke hängen Kameras und Mikros, die in das Herzstück der Simulationsräume führen: in die Regie. Von da kann können die Puppen gesteuert und den angehenden Hebammen Anweisungen gegeben werden. Von hier wird Druck erzeugt.

Keine einzige Bewerbung kam bislang von einem Mann

Denn dieser Druck scheint es zu sein, der Hebammen im Laufe ihrer Karrieren oft den Beruf wechseln lässt. Ebenso wie die häufig schlechte Bezahlung. Denn obwohl die Bewerbungszahlen hoch sind, gibt es in Deutschland einen eklatanten Hebammen-Mangel.

Bis zu 600 Bewerbungen hatte die EHB in den vergangenen Jahren für den Modellstudiengang erhalten. Bemerkenswert dabei ist: Keine einzige kam von einem Mann. Bundesweit soll es nur 52 männliche Hebammen geben – von etwa 10.000 Personen, die den Beruf ausüben. Bemüht sich die EHB extra um männlichen Nachwuchs? „Wenn sich bei uns ein Mann bewirbt, dann freuen wir uns. Aber er wird unter genau den gleichen Zugangsvoraussetzungen geprüft, wie alle anderen Bewerberinnen auch“, sagt Tegethoff.

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