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Booster in der Impftram. Ein 85-jähriger Mann lässt sich in Frankfurt ein drittes Mal gegen Corona impfen.

© Boris Roessler/dpa

Neuer Höchststand an Neuinfektionen: Eine Statistik zeigt, warum Booster-Impfungen Leben retten können

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen liegt auf einem bisher nie erreichten Niveau. Vor allem ältere Menschen erkranken wieder schwer – trotz ihres Impfschutzes.

Ein neuer Höchststand an Neuinfektionen in der Corona-Pandemie trotz fast 78-prozentiger Impfquote unter den Erwachsenen in Deutschland? Was auf den ersten Blick gegensätzlich erscheint, ist auf den zweiten Blick nur logisch. Denn der Fortschritt der Corona-Impfkampagne hat nun mehr als zehn Monate nach Beginn nicht nur positive Seiten – weil eine vollständige Impfung nicht vollständig bleibt.

Fast 34.000 neue Fälle meldeten die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) am Donnerstag. Seit Wochen schon steigt die Zahl der Neuinfektionen, mit zeitlichem Verzug auch die Zahl der Corona-Intensivpatienten. Innerhalb einer Woche stieg die Zahl von 1800 auf mehr als 2300.

Besonders auffällig ist eine Statistik bei den Menschen über 60 Jahren, die bereits zu 85 Prozent vollständig geimpft sind: Parallel zur deutlichen Zunahme der Corona-Intensivpatienten ist auch die Zahl derer mit wahrscheinlichem Impfdurchbruch gestiegen. Der Anteil dieser unter allen Corona-Intensivpatienten in dieser Altersgruppe hat sich zwischen Ende August und Ende Oktober von rund 16 Prozent auf ein Drittel mehr als verdoppelt.

Absolut waren es in den vergangenen Wochen 203 von 608 Corona-Intensivpatienten, während es im August noch 46 von 289 waren. Doch worauf ist das zurückzuführen?

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Die wichtigsten Faktoren: Nachlassender Impfschutz und etwaige Vorerkrankungen. Denn es gilt: Je älter der Mensch, desto potenziell schwächer seine Immunreaktion auf die Corona-Schutzimpfung. Bei manchen Senioren ist die zweite Impfung bereits mehr als neun Monate her.

Das untermauert auch eine weitere Statistik: Unter den insgesamt 1076 gestorbenen Covid-19-Fällen mit Impfdurchbrüchen, die von Anfang Februar bis Ende Oktober erfasst wurden, waren laut RKI 782 mindestens 80 Jahre alt. „Das spiegelt das generell höhere Sterberisiko – unabhängig von der Wirksamkeit der Impfstoffe – für diese Altersgruppe wider“, berichtet das RKI.

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„Vollständig geimpft zu sein bedeutet, dass man einen sehr guten Schutz davor hat, schwer an Corona zu erkranken oder gar daran zu versterben. Aber, wenn die vollständige Impfung – also in der Regel zwei Impfungen – länger als sechs Monate her ist, sehen wir immer mehr Impfdurchbrüche, gerade bei Älteren“, sagt Kanzleramtschef Helge Braun, der selbst Mediziner ist, der „Bild“-Zeitung.

Auch bei vielen Menschen unter 60 Jahren ist die zweite Impfung bereits mehr als ein halbes Jahr her. Somit ist auch zu erklären, dass der Anteil der Corona-Intensivpatienten mit wahrscheinlichem Impfdurchbruch, die zwischen 18 und 59 Jahre alt sind, unter allen Corona-Intensivpatienten in dieser Altersgruppe zwischen Ende August und Ende Oktober stark zugenommen hat – von drei auf zwölf Prozent.

Kanzleramtschef Braun irritiert über späte Booster-Kampagne

Doch: „Ein Großteil unserer Bevölkerung ist im Juni oder Juli mit der Impfung fertig geworden – deshalb gilt für sie der vollständige Impfschutz mit zwei Impfungen noch“, führt Braun weiter aus.

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Dass die Impfeffektivität im Laufe der Monate sinkt, war schon zu Beginn der Impfkampagne bekannt. Deshalb überrascht es nicht, dass im August noch nur fünf Prozent der über 60-Jährigen, die bereits vollständig geimpft waren, wegen einer Corona-Infektion auf der Intensivstation behandelt wurden und es zwischen Ende September und Ende Oktober bereits neun Prozent waren. Bei den 18- bis 59-Jährigen stieg der Wert von drei auf fünf Prozent.

Dass erst jetzt eine Booster-Kampagne gefordert wird, irritiert Braun auch deshalb. „Wir haben im August auf der Gesundheitsministerkonferenz zwischen Bund und Ländern vereinbart, dass diese dritte Impfung erforderlich ist. Und erst jetzt, wo die Zahlen wieder steigen, merken alle, welche Dringlichkeit dahintersteht“, so der Kanzleramtschef.

Er sehe eine „unglückliche Situation“ darin, dass genügend Impfstoff bereitsteht, doch erstens noch immer 17 Millionen Menschen nicht oder nur teilweise geimpft sind und viele ältere Menschen glaubten, dass ihr Schutz noch ausreiche.

Zunahme der Impfdurchbrüche war „erwartbar“

Dabei hatten Experten bereits seit Wochen und Monaten versucht, Aufklärungsarbeit zu leisten. Der Impfstoff-Forscher Leif Erik Sander von der Charité in Berlin erklärte am Mittwoch: Am besten geschützt sei man ein bis zwei Wochen nach der Zweitimpfung, danach nehme der Schutz vor einer Ansteckung langsam ab. Allerdings blieben Geimpfte deutlich besser geschützt als Ungeimpfte. Das zeigen auch die RKI-Daten: Denn wenn ein Drittel der Corona-Intensivpatienten geimpft sind, sind zwei Drittel ungeimpft.

Es ist davon auszugehen, dass der Anteil der geimpften Corona-Intensivpatienten weiter steigt. Das RKI hatte die Zunahme von Durchbruchinfektionen im Laufe der Zeit schon vor Wochen als „erwartbar“ bezeichnet: Immer mehr Menschen seien geimpft, das Virus breite sich wieder vermehrt aus. „Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, als vollständig geimpfte Person mit dem Virus in Kontakt zu kommen“, so das RKI.

Und der Kontakt mit dem Virus ist für vulnerable Personen, also ältere und solche mit Vorerkrankungen, nun mal gefährlich, wie die Statistik des RKI zeigt. Zwar zeige der Anteil der Impfdurchbrüche an allen Covid-19-Fällen aus Sicht des Instituts, dass nur ein geringer Anteil der hospitalisierten, auf Intensivstation betreuten sowie verstorbenen Covid-19-Fälle als Impfdurchbruch zu bewerten sei. Doch ist die wohl beste Möglichkeit für Menschen über 60 Jahre, sich zu schützen, jetzt eine Booster-Impfung.

Charité-Forscher Sander zitierte bereits in der vergangenen Woche aus einer aktuellen Studie aus Israel, wonach die dritte Impfdosis das Risiko einer Krankenhausbehandlung deutlich verringere verglichen mit zweifach Geimpften. Des Weiteren folge auf die Einführung der Booster-Impfung ein deutlicher Rückgang der Inzidenzen in den jeweiligen Altersgruppen. „Ein weiteres Indiz, dass die Booster-Impfung einen eindämmenden Effekt auf das Infektionsgeschehen hat“, schreibt Sander.

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Das ist auch die Hoffnung der Gesundheitsminister, die sich am Donnerstag zu einer Konferenz trafen. Bund und Länder planen, dass Booster-Impfungen, insbesondere in Pflegeeinrichtungen, „zeitnah und flächendeckend durch die niedergelassene Ärzteschaft angeboten werden“, heißt es in der Beschlussvorlage, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Neben mobilen Impfteams, die von den Ländern koordiniert werden sollen, aktivieren die Länder demnach zudem die Impfzentren wieder. Alle Menschen, die älter als 60 Jahre alt sind, sollen von den Ländern über die Empfehlung zur Booster-Impfung informiert werden. Doch nicht zwingend nur diese: „Im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten und nach ärztlicher Beurteilung und Entscheidung“, so steht es in der Beschlussvorlage, sollen Auffrischungsimpfungen „grundsätzlich allen Personen angeboten werden, die diese nach Ablauf von sechs Monaten nach Abschluss der ersten Impfserie wünschen“.

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