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Aufmarsch. Rechtsextreme wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt mit allen Mitteln zerstören, sagen die Forschenden.

© S. Pförtner / dpa

Neue wissenschaftliche Zeitschrift zum Rechtsextremismus: Rechte Strukturen langfristig erforschen

Der Rechtsextremismus bedroht die Demokratie, die Forschung über ihn aber ist kaum institutionalisiert. Die Zeitschrift "zRex" behebt diesen Mangel.

Die kritische Rechtsextremismusforschung ist in Deutschland bislang kaum institutionalisiert. Diesen Missstand zu beheben, hat sich die neue "Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung" (zRex) zur Aufgabe gemacht, die von mehreren beteiligten Wissenschaftler:innen am Montag online präsentiert wurde.

Ziel sei es, der Forschung zur illiberalen, populistischen und extremen Rechten eine gemeinsame Plattform zu geben, erklärte Matthias Quent, Gründungsdirektor des Institutes für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) und Mitherausgeber der „zRex“.

Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) am Jenaer Standort des bundesweit arbeitenden Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) geförderte Zeitschrift erscheint periodisch im kostenfreien OpenAccess-Format. „zRex“ versteht sich als Publikationsorgan und Expert:innen-Netzwerk zugleich.

Kaum in den Hochschulen verankert

Die deutsche Rechtsextremismusforschung gehe mittlerweile in die dritte Generation – ihre Förderung aber sei stets stark konjunkturabhängig gewesen, sagte Quent. Wenn sich der unmittelbare Rauch eines rechtsterroristischen Ereignisses verzogen hatte, seien Förderungen meist nicht verlängert und Projekte nur selten verstetigt worden.

Dabei sei es ungemein wichtig, die Arbeit verschiedener Akteure zu vernetzen. So hänge die Rechtsextremismusforschung im hohen Maße von zivilgesellschaftlichen und investigativ-journalistischen Recherchen ab. „Die Zivilgesellschaft ist als empirische Sonde ein wichtiger Partner der Wissenschaft. Ohne diese befände sich die Forschung häufig im Blindflug“, sagte Quent.

Matthias Quent, Rechtsterrorismus-Experte und Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena.
Matthias Quent, Rechtsterrorismus-Experte und Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena.

© Wolfgag Kumm /dpa

Auch die Marburger Demokratie-Forscherin Ursula Birsl und die Kölner Politologin Gudrun Hentges, beide Mitherausgeberinnen der „zRex“, mahnten bei der Vorstellung der Zeitschrift, die Forschung in den Hochschulen tiefer zu verankern und „Kontinuitäten zu sichern“.

Wie verfängt rechtsextremes Denken

Hentges hat bereits vor 20 Jahren, im Zuge des Erstarkens der Rechten in Österreich, mit vielen europäischen Kolleg:innen erforscht, wie die Resonanzböden rechtsextremen Denkens in den letzten Jahrzehnten gedeihen konnten. Untersucht wurde etwa, inwiefern sozioökonomische Veränderungen der Arbeitswelt, – wie Digitalisierungsprozesse und das Schrumpfen von Gewerkschaften – durch die weite Bevölkerungsteile Europas Entwertungs- und Verlusterfahrungen machten, die Neue Rechte erstarken ließen.

So machte die „Nouvelle Droite“ das verlockende Angebot, für die durch Globalisierungseffekte und neoliberale Politiken entstandene Prekarisierung von Arbeiter:innen, Sündenböcke wie „Ausländer“, Juden und liberale Eliten zu liefern.

Im Schatten schrumpfender Sozialstaaten und soziokultureller Entgrenzungen wuchs ein "nostalgischer Nationalismus" (Lars Rensmann), der die ökonomischen und symbolischen Verluste breiter Bevölkerungsschichten mittels simpler Freund-Feind-Schemata zu kompensieren versprach.

„Das Forschungsprojekt zu den Veränderungen der Arbeitswelt war enorm wichtig, die Förderung aber lief aus“, sagt Hentges. Dies sei „verheerend“ gewesen, da sich die Frage nach den sozioökonomischen und soziokulturellen Hintergründen rechtsextremer Geländegewinne heute noch genauso stelle wie einst.

Das Andocken an die Mitte der Gesellschaft

„Ich wünsche mir, dass die Politik im Feld der Rechtsextremismusforschung Beständigkeit sicherstellt“, sagte Hentges. Die Forschung müsse interdisziplinär und international ausgerichtet sein und dürfe nicht versäumen, ihr geschaffenes Wissen an die Gesellschaft zu vermitteln. Es müssten mehr Gemeinschaftsprojekte nach Vorbild der „zRex“ und des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt gefördert werden, nicht bloß Einzelprojekte, waren sich die anwesenden Forscher:innen einig.

Das FGZ ist ein vom BMBF gefördertes Meta-Institut, in dem elf Hochschul- und Forschungseinrichtungen aus zehn Bundesländern ermitteln, was Gesellschaften zusammenhält und spaltet. Darüber, dass der Rechtsextremismus den Gesellschaftszusammenhalt zerstören möchte, herrschte bei der Heftvorstellung Einmütigkeit.

In unserer Mitte. Rechtsextreme haben sich in deutschen Parlamenten festgesetzt.
In unserer Mitte. Rechtsextreme haben sich in deutschen Parlamenten festgesetzt.

© Bernd von Jutrczenka / dpa

Das größte Problem sei, dass Teile der sogenannten Mitte an rechte Denkmuster anschlussfähig seien, erklärte Hans-Gerd Jaschke, Politikwissenschaftler und Grande der Rechtsextremismusforschung.

Demokratie - weniger wehrhaft als erwartet

Im Rekurs auf den eigentlich linken Philosophen Antonio Gramsci gehe es der Neuen Rechten darum, „kulturelle Hegemonie“ zu erstreiten, ihre Ideologie in der Gesellschaft zu verankern. Demnach sei es hochgefährlich, dass sich etwa die bürgerlichen Corona-Demonstrierenden vom mitmarschierenden rechtsextremen Block nicht distanziert hätten, sagte Gudrun Hentges.

„Vielleicht haben wir die Wehrhaftigkeit der Demokratie überschätzt“, konzedierte auch der bei der Präsentation anwesende Staatssekretär des BMBF, Wolf Dieter Lukas. Auch deshalb halte er die Gründung der „zRex“ für unbedingt nötig. Elementar sei der Wissenstransfer. „Die beste Forschung nützt uns nichts, wenn ihre Ergebnisse nicht bei denen ankommen, die Wissen in Handeln umsetzen.“

Umso wichtiger sei es, dass es endlich ein vernünftiges Demokratiefördergesetz und einen Ausbau auch zivilgesellschaftlicher Strukturen im Kampf gegen Rechts gebe, gab der Politikwissenschaftler und „zRex“-Autor Lars Rensmann zu bedenken. Man müsse in politische Bildung investieren. „Die Schwäche von Weimar war vor allem eine Schwäche der Demokratie.“

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