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Studierende tanzen unter Flaggengirlanden im Kreis, andere schauen zu.

© Patrick Pleul/picture alliance / dpa

Neue Programme des DAAD: Rettende Studienplätze in Deutschland

Im Namen Hilde Domins und für Afrika: Mit neuen Programmen hilft der DAAD geflüchteten Studierenden - nach dem Vorbild von "Leadership for Syria".

Lange schien es, als habe Deutschland Studierenden auf der Flucht nur einmalig helfen können – mit dem 2014/15 gestarteten Stipendien-Programm Leadership for Syria. Es lief 2019 aus, als die letzten von insgesamt 221 Stipendiatinnen und Stipendiaten (21 wurden von NRW finanziert) ihr Studium abgeschlossen hatten.

Obwohl der Krieg in Syrien weitertobte und sich etwa mit der Türkei neue Gefahrenzonen für Studierende offenbarten, wurde das Programm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) zunächst nicht fortgesetzt und erweitert.

Doch jetzt finanziert das Auswärtige Amt gleich zwei neue Programme für internationale Studierende, die zudem möglichst auf Dauer angelegt sein sollen. Im Hilde Domin-Programm werden zunächst 50 Studierende und Promovierende gefördert, „die in ihren Heimatländern in Gefahr sind und ihr Studium oder ihre Forschung vor Ort nicht durch- oder fortführen können“ (Informationen des DAAD finden Sie hier).

Die Not der Studierenden in Belarus

Hinzu kommt, wie der Tagesspiegel vom DAAD erfuhr, der erfolgreiche Start von Leadership for Africa, der am Montag offiziell bekanntgegeben wird (DAAD-Infos zum Programm hier).

Ausschlaggebend für die Freigabe von Mitteln für das Hilde Domin-Programms - 8,6 Millionen Euro bis 2027 - war die akute Not der Studierenden in Belarus, auf die deutsche Fachverbände, Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen mit Petitionen hingewiesen hatten. Viele junge Regimekritiker:innen sind in Belarus zwangsexmatrikuliert, inhaftiert und teilweise bereits ins Exil gedrängt worden.

Ebenso wie vom Lukaschenko-Regime verfolgte Lehrende sind Studierende bereits an deutschen Unis angekommen, in größerer Zahl etwa an der Viadrina in Frankfurt (Oder).

Lyrikerin Hilde Domin wurde 1933-45 ins Exil gezwungen

„Im ersten Jahr konzentrieren wir uns auf Belarus und helfen damit genau dort, wo es gerade mit am nötigsten ist“, erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zum Auftakt des Programms Mitte der Woche. Benannt ist es nach der Kölner Lyrikerin Hilde Domin (1909 bis 2006), die wegen ihrer jüdischen Herkunft nach einem Auslandsstudium in Italien nicht nach Nazi-Deutschland zurückehren konnte.

In die Bundesrepublik siedelte sie 1954 aus der Dominikanischen Republik über, was damals auch ein DAAD-Stipendium für ihren Mann ermöglichte.

Demonstrierende laufen in dichten Reihen durch eine breite Straße und tragen rot-weiße Flaggen.
Viele junge Protestierende bei einem Demonstrationszug in Minsk im Dezember 2020.

© Uncredited/TUT.by/AP/picture alliance/dpa

Die Neuauflage der Flüchtlingshilfe für Studierende unterscheidet sich vom Vorläufer-Programm Leadership for Syria in mehreren Punkten. Zum einen schließt es bereits Studierende ein, die noch keinen Bachelorabschluss haben.

Zum anderen kann man sich für das Hilde Domin-Stipendium nicht direkt beim DAAD bewerben, sondern muss von einer Hochschule oder einer Organisation, die in Wissenschaft, Forschung und Lehre oder Schutz von Menschenrechten, Demokratieförderung, Rechtsstaatlichkeit oder Friedensförderung aktiv ist, nominiert werden.

Beide Programme mit längerer Laufzeit geplant

Vorbild dafür ist die ebenfalls vom Auswärtigen Amt finanzierte Philipp-Schwartz-Initiative (PSI) der Alexander von Humboldt-Stiftung für gefährdete Forschende. Und das gilt auch für die Laufzeit des Hilde Domin-Programms: Wie die PSI seit 2018 „ist es auf Dauer angelegt“, sagt Christian Hülshörster vom DAAD. Darüber seien sich – trotz der angespannten Haushaltslage des Bundes – alle Beteiligten im Grundsatz einig.

„Wir rechnen mit starker Resonanz und es wäre schön, wenn wir dann auch mehr als 50 Studierende im Jahr finanzieren könnten.“ Das Hilde Domin-Programm stehe ungeachtet des diesjährigen Fokus auf Belarus gefährdeten Studierenden weltweit offen – mit Ausnahme der EU und des europäischen Wirtschaftsraums.

Das Programm Leadership for Africa wiederum ähnelt vom Ansatz her dem früheren Programm für syrische Studierende, indem es darauf zielt, dass die Geförderten nach ihrem Masterabschluss in ihre Heimatländer zurückkehren.

Dort sollen sie am Wiederaufbau oder der Stabilisierung des wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in führender Position mitwirken – ein Plan, der für Syrien wegen des anhaltenden Krieges gegen die eigene Bevölkerung nicht aufging. Für das Afrika-Programm können sich Studierende mit Bachelorabschluss direkt beim DAAD bewerben.

Leadership for Africa - für Geflüchtete und Einheimische

Leadership for Africa steht aber nicht allein geflüchteten Studierenden innerhalb des afrikanischen Kontinents offen, sondern auch „Nationals“, also Einheimischen der aufnehmenden Länder. In der ersten Runde, für die die Auswahl vor 14 Tagen abgeschlossen wurde, werden geflüchtete Studierende in beziehungsweise aktuelle Studierende aus Äthiopien, Kenia, Uganda und dem Sudan gefördert – für ein Masterstudium an einer deutschen Hochschule.

An einem Bahnhof in Atbara stehen Demonstranten dichtgedrängt auf einem Zugdach und auf dem Bahnsteig.
Leadership for Africa-Stipendien können sowohl Flüchtlinge aus den Ländern als auch Einheimische erhalten. Im Bild Protestierende im sudanesischen Atbara im April 2019.

© Ozan Kose/AFP

Finanziert ist das Programm zunächst mit jährlich 2,5 Millionen Euro, die zweite Runde für Ostafrika sowie eine auch für Westafrika laufe bereits an, sagt Christian Hülshörster. Nach und nach werde Leadership for Africa für weitere Regionen geöffnet.

Von 510 Bewerberinnen – davon 109 anerkannte Flüchtlinge - wurden jetzt in Kooperation mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) 51 Studierende aus den genannten Ländern ausgewählt. An deutschen Unis starten dann ab dem kommenden Wintersemester 19 Geflüchtete und 32 Bachelorabsolventen aus dem Kreis der Nationals.

Der DAAD unterstütze sie bei der Suche nach dem passenden Studiengang, beim bekanntlich komplizierten Einschreibeprozess über die Service-Agentur Uni-Assist und beim Deutschlernen, heißt es. Das gilt auch für die Gäste aus dem Hilde Domin-Programm.

Gemeinsam ist beiden Gruppen ebenso, dass sie – wie schon bei Leadership for Syria – in ein Begleitprogramm mit Kursen zu Demokratieverständnis, Rechtsstaatlichkeit und nachhaltiger wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung eingebunden sind. Überlegt werde derzeit, Studierende aus beiden Kohorten dabei zusammenzuführen, sagt Christian Hülshörster.

Finanziert sind die Bachelor- und Master-Stipendien nach den üblichen DAAD-Sätzen mit einem Grundbetrag von 861 Euro, zu denen die Kosten für die Krankenversicherung und individuelle Familienzuschläge sowie Mietkostenbeihilfen für Großstädte hinzukommen können. Promotionsstipendien haben eine Basisfinanzierung von 1250 Euro.

Vor gut einem Jahr hatte der Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Joybrato Mukherjee, im Interview mit dem Tagesspiegel gesagt, er diskutiere nach dem Vorbild von Leadership for Syria neue Programme „für eine ganze Reihe von Zielländern mit den Geldgebern“.

Jetzt ist der Durchbruch geschafft und es bleibt zu hoffen, dass beide Vorhaben ihre Zielgruppen erreichen und tatsächlich über längere Zeiträume finanziert werden.

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