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Zusätzliche Herausforderungen. 300.000 geflüchtete Kinder sollen zur Teilhabe befähigt werden.

© dpa

Neue Pisa-Studie zu Schulvergleich: Deutschland muss sich schneller bewegen

Vieles hat sich seit dem Pisa-Schock vor 15 Jahren an deutschen Schulen verbessert. Aber zu viele Schwächen sind geblieben. Ein Kommentar.

"Einbildung ist auch ’ne Bildung", sagt der Volksmund. Vor 15 Jahren wurde die eingebildete Bildungsnation Deutschland von der ersten Pisa-Studie entblößt. Hatten die Deutschen bis dahin in der Gewissheit gelebt, ihre Schulen seien sehr gut, mussten sie nun erfahren: Die 15-Jährigen lagen im Lesen, in Mathe und in den Naturwissenschaften deutlich unter dem OECD-Schnitt. Eine große „Risikogruppe“ abgehängter Schüler wurde sichtbar und mangelnde Chancengerechtigkeit: Bei gleicher Intelligenz hatte das Kind eines Facharbeiters weit geringere Chancen aufs Gymnasium zu kommen als das eines Professors. Die Nation war geschockt.

Und jetzt? Die 15-Jährigen haben sich in ihrer Position deutlich über dem OECD-Schnitt stabilisiert. Das zeigt, dass sich viel getan hat. In den Schulen wird entlang von Bildungsstandards unterrichtet; neue, die Schüler stärker aktivierende Unterrichtsformen breiten sich aus, Schulinspektoren überwachen die Entwicklung.

Über 300.000 geflüchtete Kinder sind zu integrieren

Aber das reicht nicht aus. Pisa und die anderen Schulstudien legen weiterhin große Schwächen offen. Die Risikogruppe bleibt zu groß. Die Leistungsspitze zu klein. Die gerade bei der TIMS-Studie getesteten Viertklässler liegen in Mathe deutlich unter dem OECD-Schnitt. Und die Neuntklässler in Bremen hinken beim Lesen im Schnitt über zwei Jahre hinter den Sachsen her.

Deutschland muss sich schneller bewegen, besonders, da über 300.000 geflüchtete Kinder, viele aus bildungsfernen Familien, zur Teilhabe befähigt werden und Schüler mit sozialen und emotionalen Problemen in die Regelschule inkludiert werden sollen. Von den Lehrkräften wird erwartet, dass sie diese Heterogenität mit modernen Unterrichtsmethoden bewältigen. Viele können das aber noch nicht, manche halten es sogar für nicht machbar. Der Lehrerverband VBE beklagt zu Recht, der Umgang mit heterogenen Gruppen sei bis heute viel zu wenig in der Weiterbildung verankert. Auch müsse ein festes Fortbildungspensum pro Jahr festgeschrieben werden.

Schulen fehlt es schon an gutem Material

Will Deutschland vorankommen, wird das teuer. Es fehlt an Schulpsychologen. Und die stärksten und schwächsten Schüler brauchen Förderstunden. Wie kann es sein, dass drei Viertel der in Mathe schwächsten Viertklässler in der Schule keine zusätzliche Unterstützung bekommen? Die Ganztagsschule muss im großen Stil ausgebaut werden. Kostendämpfend würde es wirken, den Widerstand der Lehrergewerkschaften zu überwinden und massenhaft starke Oberstufenschüler und Studierende als Unterrichtshilfen für die Schwachen zu gewinnen – es wäre zugleich eine Werbemaßnahme für den Mangelberuf Lehrer.

Schulen in Deutschland müssen sich glücklich schätzen, wenn sie ordentlich mit naturwissenschaftlichen Materialien ausgestattet sind. Auch an der digitalen Ausstattung mangelt es. Aber die von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka angekündigte milliardenschwere Digitalisierungsinitiative ist nichts als ein vages Versprechen für die nächste Legislaturperiode.

„Schulen sollen Kathedralen werden“, hat der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel unlängst erklärt. Bloß nicht. Die Bauzeit des Kölner Doms betrug über 300 Jahre.

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