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Knochenjob.Agness Gidna mit einem nicht ganz kleinen Fund. Auch dabei waren Forschende des Museums für Naturkunde, die nicht nur, wie hier Daniela Schwarz, Schatten spendeten und die Fotos machten.

© D. Schwarz

Neue Grabungen im Fossilfeld der Superlative: Der Sensations-Dino ist fest eingeplant

Wo einst deutsche Kolonialherren gruben, haben nun tansanische Forschende das Sagen. Saurierknochen liegen dort gleichsam auf der Straße. Doch es geht um mehr.

Noch mehr übertreiben konnte das Berliner Museum für Naturkunde kaum. Über der Einladung zur Pressekonferenz stand wenig zurückhaltend: „Sensationsfund in Tansania“. Den allerdings gibt es bisher wirklich nicht, auch wenn ein 1,40 Meter langer, etwa 150 Millionen Jahre alter Saurierknochen, ergänzt durch viele weitere Fossilfunde, für eine einwöchige Exkursion eine schöne Ausbeute ist.

Anstelle von „Sensation“ hätte man vielleicht das Wort „Sensibilität“ setzen sollen. Denn unter anderem darum geht es im Projekt „Fossil Heritage in Tanzania“.

Wo einst, in „Deutsch-Ostafrika“, kurz vor dem Ersten Weltkrieg Berliner Forscher Einheimische nach Dinosaurierknochen graben, diese schleppen und verpacken ließen, leiten heute Forscherinnen und Museumsleute aus Tansania die paläontologischen Arbeiten.

Titan, Titan

Die Funde, die jetzt vorgestellt wurden, müssen erst noch präpariert und analysiert werden. Und weitere Expeditionen wären nötig, um die Chance zu haben, etwa ein ähnlich vollständiges Skelett zu finden wie das von Giraffatitan brancai. Dieses, einst als Brachiosaurus geführte weltgrößte montierte Dinosaurierskelett gehört bis heute dem Museum für Naturkunde in Berlin. Doch das Museum selbst gibt längst zu, dass die Grabungen seinerzeit – und die Inbesitznahme ungezählter Fossilien – nicht rechtmäßig waren.

Den Völkern Tansanias das Skelett zurückgeben will die von Johannes Vogel geleitete Institution aber nicht. Sie hat es vorsichtshalber in das Verzeichnis der national geschützten Kulturgüter eintragen lassen. Mit diesem Status ist der Verbleib im Bundesgebiet im „herausragenden kulturellen öffentlichen Interesse“, zumindest laut Kulturgutschutzgesetz.

Zurück-Gaben oder neu graben?

Trotzdem schwelt zwischen Berlin und Dodoma seit Jahren ein Restitutionsstreit, in dem es vor allem um Giraffatitan geht. Eine Möglichkeit, ohne tatsächliche physische Restitution etwas „zurückzugeben“ und das Unrecht der Vergangenheit zumindest ein wenig auszugleichen, sollen Projekte wie jene neuen Grabungen an der legendären Tendaguru-Fundstätte im Südosten des Landes sein. Finanziert werden sie weitgehend vom deutschen Steuerzahler, deutsche Forschende sind dabei. Doch Leitung und Entscheidungsgewalt, betont Vogel, liegen bei den Behörden und Forschenden in Tansania.

Zu ihnen gehört die junge Paläontologin Agness Gidna vom National Museum of Tanzania. Auch aus ihrer Sicht sind bislang nicht so sehr die neuen Funde, die sie teilweise eigenhändig freilegte, sensationell, sondern die Art und Weise, wie die Expedition unter einheimischer Federführung „hier lokal aufgenommen wird“. Sie sei „überall in den Medien“.

Überlieferungen und Überlegungen

Tatsächlich soll diesmal auch die lokale Bevölkerung anders eingebunden werden als vor gut 100 Jahren. Ein Teilprojekt neben den Grabungen war, unter Leitung des Historikers Musa Sadock von der Universität von Daressalam, die Erforschung der mündlichen Überlieferungen aus jener Zeit. Nebenbei wurden die Bewohner der Tendaguru-Dörfer auch gefragt, wie sie sich den weiteren Umgang mit den naturhistorischen Bodenschätzen ihrer Region vorstellen. Heraus kam dabei vor allem, dass jene Schätze etwas Nutzbares einbringen müssen, von Straßenbau über Schulbau bis Museumsbau.

Ähnlich wie in der Gesamtbevölkerung Tansanias sei auch bei ihnen die Meinung zu einer möglichen Rückgabe des Berliner Exponats gespalten, sagt Musa Sadock. Manche wollen den Dino, andere wollen finanziellen Ausgleich. Tatsächlich gibt es auch in Berlin Überlegungen, Giraffatitan zwar in der Invalidenstraße zu behalten, ihn aber in tansanischen Besitz zu überführen und dauerhaft Leihgebühren zu entrichten.

Alte Knochen braucht das Land

In Tendaguru war seit fast 100 Jahren nicht ernsthaft gegraben worden. Nun wurden schon in einem einwöchigen Projekt massenhaft Dinoknochen eingesammelt, die meisten von der Erdoberfläche. Dass dort wirklich noch Sensationsfunde lagern, ist ziemlich wahrscheinlich. Auch solche, die mit dem Berliner Giraffatitan mehr als mithalten könnten. Trotz deutscher Hilfe würden diese dann nicht auf einer Liste deutscher Kulturgüter landen, sondern hoffentlich in einem schönen, neuen Museum in dem Land, in dem sie ausgegraben wurden. Das wäre dann sensibel und sensationell.

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