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Manche sterben, andere - wie diese Patientin in Changchun - überstehen die Infektion mit 2019-nCoV. Wie groß die Gefahr ist, die von dem neuen Coronavirus ausgeht, lernen Forscher gerade erst.

© imago images/Xinhua

Neue Daten aus China: Coronavirus macht Männern wohl mehr zu schaffen als Frauen

Zwei Studien zeigen: Ältere Menschen mit Vorerkrankung könnten besonders anfällig sein. Bezüglich Kindern überraschen die ersten Ergebnisse.

Während sich das neue Coronavirus weiter ausbreitet, arbeiten Wissenschaftler weltweit daran, mehr über den Erreger zu erfahren: Wie ist er beschaffen? Welche Folgen hat eine Infektion für die Patienten? In einer bisher einzigartigen Geschwindigkeit werden jede Woche neue Studien publiziert und der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung gestellt.

Nun haben chinesische Wissenschaftlerteams neue Daten präsentiert. In zwei Studien im Fachblatt „Lancet“ gehen sie zum einen der Frage nach, woher 2019-nCoV stammt und wie das Erbgut sich von dem anderer Coronaviren unterscheidet.

Zum anderen beschreiben sie den Krankheitsverlauf von 99 Patienten, die nach einer Infektion mit Lungenentzündung in einer Klinik in Wuhan zwischen dem 1. und 20. Januar behandelt wurden. Inbegriffen sind die 41 Patienten, über die das Fachblatt schon eine Woche zuvor berichtet hatte. Die Ärzte und Forscher werteten klinische Aufzeichnungen, Laborergebnisse und Röntgenbilder aus und kombinierten sie mit Daten zum Ausbruch.

In einer weiteren Studie, erschienen im „New England Journal of Medicine“ (NEJM), wertete ein Team chinesischer Wissenschaftler die Verläufe der ersten 425 Patienten aus Wuhan aus, deren Infektion bis zum 22. Januar gemeldet worden war. Dabei gingen sie vor allem der Frage nach, wie sich der Ausbruch entwickelte.

Wer ist besonders gefährdet?

Eine Frage stellt sich schon seit Beginn des Ausbruchs: Wer ist besonders gefährdet? Den neuen Daten zufolge sind Männer häufiger betroffen als Frauen. In der Lancet-Studie waren 67 Prozent der Infizierten männlich, in der NEJM-Studie waren es 56 Prozent. Auch Sars- und Mers-Viren infizieren häufiger Männer als Frauen. Das könnte daran liegen, dass Frauen generell ein besseres Immunsystem haben.

Auch die Annahme, betroffen seien vor allem Menschen mit Vorerkrankungen, scheint sich – bei aller nötigen Vorsicht – zu bestätigen. Jeder zweite der 99 Patienten litt an einer chronischen Erkrankung, vor allem des Herz-Kreislauf-Systems oder der Hirngefäße.

[Über alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus hält Sie unser Newsblog an dieser Stelle auf dem Laufenden]

Das Durchschnittsalter aller Patientinnen und Patienten lag in beiden Auswertungen etwas unter 60 Jahren. Bei der NEJM-Auswertung war sogar fast jeder zweite Infizierte 60 Jahre oder älter. Die Gruppe der älteren Männer mit Vorerkrankungen stelle den Forschern zufolge eine besondere Risikogruppe dar.

Eine weitere wichtige Erkenntnis: Unter den ersten 425 Patienten waren keine Kinder. Das könnte heißen, dass sie weniger gefährdet sind, infiziert zu werden, oder aber das Virus verursacht bei ihnen mildere Symptome, die nicht unbedingt dazu führen, dass sie ins Krankenhaus müssen. Das müssen weitere Untersuchungen zeigen.

Die meisten Patienten stellten sich mit Fieber und Husten in der Klinik vor, ein Drittel litt an Atemnot. Einige hatten Muskel- oder Kopfschmerzen oder waren verwirrt. Schnupfen hatten dagegen nur vier von 99. Das passt zu der Annahme, dass das Coronavirus 2019-nCoV wohl vor allem die tiefen Atemwege befällt. In drei von vier Fällen zeigten Röntgenbilder denn auch eine Entzündung in beiden Lungenflügeln.

Wie wirken derzeit verfügbare Medikamente gegen die neuartigen Viren?

Drei Viertel der Patienten wurden mit antiviralen Medikamenten behandelt, zum Beispiel den HIV-Arzneien Lopinavir und Ritonavir. Die meisten bekamen zusätzlich Antibiotika für den Fall einer Zweitinfektion mit Bakterien, und Sauerstoff zur Atemunterstützung.

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Trotz dieser Behandlung verschlechterte sich der Gesundheitszustand von elf Patienten in kurzer Zeit drastisch. Bei ihnen entwickelte sich ein Atemnotsyndrom und sie starben wenig später an multiplem Organversagen. Die ersten beiden Toten waren Männer, 61 und 69 Jahre alt, beide hatten keine Grunderkrankung, waren aber langjährige Raucher.

Von den anderen neun Toten waren fünf über 60 Jahre alt. Bis zum 25. Januar waren ein Drittel der 99 Patienten entlassen worden. 57 Patienten wurden weiterhin im Krankenhaus behandelt. Die Autoren schreiben, das bestätige die Annahme, dass vor allem ältere Personen mit bereits geschwächtem Immunsystem durch das Virus gefährdet sein könnten.

Jedoch seien weitere Daten mit viel mehr Patienten und kompletten Verläufen nötig, um die teils noch großen Wissenslücken zu schließen. Besonders wichtig sei es, Patienten so früh wie möglich zu erkennen, bei denen die Erkrankung einen schweren Verlauf nehmen könnte.

Ein Markt als wahrscheinlicher Ursprung, doch der Zwischenwirt ist unbekannt

Eine wichtige Frage ist auch, wo der Ausbruch seinen Anfang nahm. Etwa jeder zweite Patient der kleineren Studie hatte vor der Erkrankung Kontakt zu dem Markt in Huanan, wo lebende Tiere angeboten wurden und der als möglicher Ursprungsort des Ausbruchs diskutiert wird.

Einige der Patienten arbeiteten dort als Verkäufer oder Manager. Auch der anderen Auswertung zufolge hatte mit 55 Prozent die Mehrzahl der Menschen, bei denen die Krankheit noch 2019 diagnostiziert wurde, Kontakt zu dem Markt gehabt. Bei späteren Fällen waren es allerdings nur noch knapp neun Prozent. Die Autoren deuten das als Beweis, dass das Virus schon seit Mitte Dezember von Mensch zu Mensch übertragen wurde.

Hintergrund über das Coronavirus:

Auch zur Inkubationszeit legen die Wissenschaftler neue Daten vor. Demnach vergingen von der Ansteckung bis zu den ersten Symptomen im Schnitt etwa fünf Tage. In manchen Fällen dauerte sie aber auch mehr als zwei Wochen. Experten gehen davon aus, dass Patienten – anders als bei Sars – in dieser Zeit schon ansteckend sind.

Auch der erste deutsche Patient in Bayern hatte sich wohl bei einer Besucherin aus China infiziert, die nach eigenen Angaben zu dieser Zeit noch keine Beschwerden hatte. Das macht es besonders schwer, Infizierte früh zu erkennen. Die Wissenschaftler schlagen daher vor, aktiv nach Fällen zu suchen, etwa in Arztpraxen oder Notaufnahmen. Eine Quarantänezeit von 14 Tagen halten sie nach ihren neuen Daten für gerechtfertigt.

Wie viele Menschen steckt ein Infizierter an?

Und noch eine andere Kennzahl des Virus ist für Experten wichtig, um den Fortgang eines Ausbruchs einschätzen zu können: Die „Basisreproduktionszahl“ R0. Sie gibt an, wie viele Menschen, deren Immunsystem noch keinen Schutz gegen den Erreger aufgebaut hat, ein Infizierter im Durchschnitt anstecken kann.

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Die Forscher schätzen R0 des neuen Coronavirus nach ihren Daten auf 2,2. Damit wäre das Virus etwas weniger ansteckend als etwa Sars mit einer R0 von etwa 3. Zum Vergleich: Ein an Masern Erkrankter steckt durchschnittlich 12 bis 18 Menschen an. Um einen Ausbruch einzudämmen, muss R0 auf Werte unter eins gedrückt werden.

Genau dieses Ziel dürften die einschneidenden Quarantänemaßnahmen in China haben. Diese dürften, so schreiben die Forscher, voraussichtlich dazu führen, dass künftig weniger Fälle aus Wuhan exportiert werden. Nun sei es höchste Priorität zu bestimmen, ob das Virus sich an anderen Orten genauso schnell überträgt wie es in Asien geschehen ist.

Erbgutanalysen bestätigen Vermutung: Es ist ein Virus aus Fledermäusen

Derweil haben die Wissenschaftler auch neue Erkenntnisse über das Virus selbst gesammelt. Offenbar ähnelt das Erbgut von 2019-nCoV zu 79 Prozent dem Erreger der Sars-Epidemie 2002/2003 und zu 50 Prozent den Mers-Viren, die vor allem im Nahen Osten immer wieder von Kamelen auf den Menschen überspringen. Das ergaben DNA-Analysen von Virusproben aus dem Lungensekret von neun Personen, von denen acht kurz vor Weihnachten den Huanan-Fischmarkt in Wuhan besucht hatten.

Forscher gehen davon aus, dass die Viren dort von einem der dort ebenfalls verkauften, oft erst frisch geschlachteten Tiere auf den Menschen übergesprungen ist. Den Analysen zufolge ähnelt 2019-nCoV jenen Coronaviren am stärksten, die in Fledermäusen kursieren.

„Obwohl unsere Stammbaumanalysen nahelegen, dass Fledermäuse der ursprüngliche Wirt dieser Viren sind, könnte ein Tier, das auf dem Fischmarkt in Wuhan verkauft wurde, als Überträger fungiert haben“, schreiben die Forscher, die an verschiedenen chinesischen Spezialinstituten arbeiten, im Fachblatt „Lancet“.

Das ist sogar sehr wahrscheinlich, denn der Ausbruch habe zu einer Zeit begonnen, in der Fledermäuse Winterschlaf halten, sagte Guizhen Wu vom Chinesischen Zentrum für Krankheitskontrolle und Prävention (CCDC). Außerdem seien auf dem Markt keine Fledermäuse verkauft worden, wohl aber Säugetiere.

„Es muss einen Zwischenwirt geben“

Und obwohl die Ähnlichkeit zu Fledermaus-Coronaviren mit 88 Prozent groß ist, können diese Viren nicht die direkten Vorfahren sein. Es muss einen – noch nicht identifizierten – Zwischenwirt geben. „Sowohl bei Sars als auch bei Mers waren Fledermäuse das natürliche Reservoir für die Viren, aber ein anderes Tier agierte als Zwischenwirt“, sagte die Forscherin.

Außerdem lesen die Forscher aus der Erbgutsequenz des Virus, dass die „Spike“-Proteine in der Virushülle offenbar den Spikes des Sars-Virus von 2003 sehr ähnlich sind. Mit den Spikes docken die Viren an Lungenzellen an und zwar an einen ganz bestimmten Rezeptor (ACE-2) auf der Zelloberfläche. Erst dann können sie in die Zellen gelangen und sich vermehren.

Die große Ähnlichkeit der Spikes könnte bedeuten, dass Impfstoffe oder Medikamente, die gegen Sars entwickelt wurden und werden, womöglich auch gegen 2019-nCoV einsetzbar sind – was aber natürlich erst getestet werden muss.

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