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Die Hornsdale Power Reserve in der Nähe der australischen Stadt Jamestown ist eine der weltgrößten Lithiumbatterien-Anlagen.

© David Gray/REUTERS

Natrium als das neue Lithium: Häufiges Element könnte Knappheit in der Batterieproduktion abhelfen

Die Nachfrage nach Batterien steigt und mit ihr der Bedarf für Lithium. Ein weit verbreitetes Alkalimetall ist eine Alternative, aber nicht überall.

Handys, Laptops, kabellose Staubsauger und E-Autos: Lithium-Ionen-Batterien finden sich in zahlreichen Geräten bis hin zu Großbatterien, die oft nahe Kraftwerken errichtet werden, um Schwankungen des Stromnetzes auszugleichen. Im Zuge der Energie- und Verkehrswende wird der Bedarf an diesen Batterien noch beträchtlich steigen. Es ist jedoch fraglich, ob er mit dieser Technologie überhaupt zu decken ist.

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) warnt, dass es bei Lithium durch deutlich steigende Nachfrage zu Lieferproblemen und erheblichen Preissprüngen kommen kann. Das Schwermetall Kobalt, das für Elektroden benötigt wird, ist heute schon ein Problemstoff. Zum Teil wird es unter fragwürdigen Bedingungen in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut, mit schlimmen Folgen für Menschen und Umwelt. Ein rascher Ausbau der Förderung erscheint Experten zufolge unwahrscheinlich.

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Geringe Energiedichte erschwert kompakte Bauweise

Schon länger arbeiten Forscherinnen und Forscher an alternativen Konzepten zu Lithium-Ionen-Akkus. Es erschien naheliegend, Lithium durch Natrium zu ersetzen. Beide sind Alkalimetalle und sich chemisch sehr ähnlich. Je nachdem, ob die Batterie ge- oder entladen wird, wandern die positiv geladenen Ionen zwischen dem Minus- und dem Pluspol hin und her.

Als sechsthäufigstes Element auf der Erde ist Natrium weit verbreitet, etwa in Meeren oder Salzstöcken, wo massenhaft Natriumchlorid lagert. Die Gewinnung ist billiger und Preissprünge wie beim Lithium sind unwahrscheinlich. Allerdings ist die Energiedichte der Alternative geringer, weil Natrium-Ionen größer und schwerer sind als Lithium-Ionen. Auch die Lebensdauer erschien lange als nicht konkurrenzfähig. An der Kathode bilden sich Natriumkristalle, nach wenigen Ladezyklen machte der Akku schlapp.

Mehrere Forschungsteams haben aber zuletzt große Fortschritte erzielt, etwa durch verschiedene Elektrolyte und veränderte Elektrodenmaterialien, so dass der praktische Einsatz greifbar ist. Eine Gruppe aus Südkorea um Seung‐Taek Myung berichtete von einer Natrium-Ionen-Batterie, die rund 500 Ladezyklen schaffte und danach noch immer rund 80 Prozent Kapazität hatte. Einen ähnlichen Wert erzielte ein US-Team um Junhua Song. Zudem kommen die Batterien ohne Kobalt aus.

„In zwei bis drei Jahren könnte die Herstellung von Natrium-Ionen-Batterien im großen Maßstab beginnen“, sagt Margret Wohlfahrt-Mehrens vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Ulm. Die Produktionsstätten ließen sich rasch auf Natrium-Ionen-Technologie umstellen – ein großer Vorteil gegenüber anderen Akkukonzepten. Ob es dazu komme, sei aber fraglich, betont die Wissenschaftlerin. Denn Lithium-Ionen-Akkus seien so weit entwickelt und würden massenhaft hergestellt, dass die Preise gering sind. Alternativen hätten es schwer sich auf dem Markt durchzusetzen.

Zwar sind die Rohstoffe für Natrium-Ionen-Batterien billiger, doch dafür müssen größere Einheiten gebaut werden, um die geringere Energiedichte auszugleichen. In einem Vergleich der beiden Akkutypen in „Nature Reviews Materials“ haben Stefano Passerini vom Helmholtz-Institut Ulm und Kollegen dargestellt, dass die Natrium-Variante bisher keinen Kostenvorteil bringt. „Es gibt einzelne Firmen in China, Frankreich und Großbritannien, die mit der Natrium-Technologie beginnen wollen, aber es ist noch kein Markt dafür da“, sagt der Direktor des Instituts.

Zehn Kilogramm Lithium in jedem E-Auto

Die Lage könnte sich bald ändern. „Die Elektromobilität erlebt einen deutlichen Aufschwung und benötigt Akkus, ebenso ist es bei stationären Speichern in Verbindung mit Fotovoltaik oder zur Stabilisierung des Stromnetzes“, sagt Passerini. Die Nachfrage nach Batterien steige und mit ihr der Rohstoffbedarf. Dies wäre eine Chance für die Natrium-Ionen-Technologie.

In mobilen Anwendungen wie in Autos oder Smartphones dürften weiterhin Lithium-Ionen-Akkus gefragt sein, sagt Passerini. „Die höhere Energiedichte ermöglicht vergleichsweise kompakte und leichte Batterien, was ein klarer Vorteil ist.“ Bei stationären Speichern in Gebäuden komme es nicht so sehr auf Gewicht und Abmessungen an, dort wären Natrium-Ionen-Akkus eine gute Alternative.

Die Frage, ob die deutsche Industrie von dem Akku-Aufschwung profitieren könnte oder die Produktion längst nach Asien verloren ging, beantwortet Passerini entschlossen: „Die Nachfrage wird so deutlich steigen, dass es gar nicht ohne Europa geht.“ Das deute sich beispielsweise mit der Batteriefertigung von Tesla in Grünheide bei Berlin und einer weiteren Fabrik von BASF in Schwarzheide in der Lausitz an.

Als Alternative zu Lithium-Ionen-Batterien werden nicht nur Natrium-Technologien erforscht. „Es gibt auch Ansätze mit Magnesium- und Kalzium-Ionen“, sagt die ZSW-Forscherin Wohlfahrt-Mehrens. Damit ließen sich theoretisch sehr hohe Energiedichten erzielen, doch die Forschung dazu stehe noch am Anfang. „In den nächsten zehn oder 15 Jahren werden diese Systeme sicher nicht einsatzfähig sein, um etwa der Elektromobilität zu helfen.“

Damit wird weiterhin viel Lithium benötigt, rund zehn Kilogramm für jedes E-Auto. Die Jahresproduktion betrug zuletzt 82.000 Tonnen weltweit, angeführt von Australien, Chile und China. Doch auch Deutschland könnte hier beitragen. Derzeit wird der Abbau einer Lagerstätte in Zinnwald (Erzgebirge) vorbereitet, die schätzungsweise 125.000 Tonnen Lithium enthält.

Ein Team um Volker Presser vom Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken will das Metall aus Grubenwasser gewinnen. Tausende Kubikmeter davon werden täglich aus alten Steinkohlebergwerken gepumpt und in Flüsse geleitet. Es enthält gelöste Stoffe aus den tiefen Gesteinsschichten. Laut Presser werden dadurch jährlich rund 1900 Tonnen Lithium in die Gewässer gespült. Wie viel sich davon abtrennen und gewinnen lässt, muss sich noch zeigen. Das Forschungsprojekt hat gerade erst begonnen.

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