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Am 26. November 2018 setzte die Nasa-Sonde „Insight“ in Äquatornähe des Roten Planeten auf. An Bord war ein Seismometer (rot), das mit einem Roboterarm neben dem Lander abgesetzt wurde und mit einer Haube vor Wind und Staub geschützt wird (weißgrau hinter dem roten Seismometer). Auch der „Maulwurf“ Berliner Forscher wurde von seinem Platz auf dem Lander (der schwarze, schmale Aufbau neben dem Schutzschild) auf den Marsboden versetzt.

©  Nasa/JPL-Caltech/DLR

Nasa-Sonde Insight erforscht den Roten Planeten: Die Beben des Mars

174 Erschütterungen in acht Monaten hat die Nasa-Sonde Insight auf dem Mars gemessen. Das lässt Rückschlüsse auf den Aufbau des Roten Planeten zu.

Auch wenn man bisher kein Leben auf dem Mars nachgewiesen hat, so ist es doch ein lebendiger Himmelskörper, zumindest aus geologischer Sicht. Einige Vulkaneruptionen sind nur wenige Millionen Jahre alt und es gibt Hinweise, dass Magma im Untergrund bis heute aktiv ist. Und der Planet wird regelmäßig von Marsbeben erschüttert.

Dies zeigen Beobachtungen der Nasa-geführten Mission „InSight“ (Interior Exploration using Seismic Investigations, Geodesy and Heat Transport), die jetzt im Fachmagazin „Nature Geoscience“ vorgestellt werden (in mehreren Fachartikeln: 1, 2, 3, 4, 5, 6).

Erstmals gelang es, aussagekräftige seismische Messungen auf dem Mars vorzunehmen, erklärt das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen, das an der Mission beteiligt ist.

Zwei Jahre später gestartet, 150 Millionen Dollar teurer

Zwar hatten bereits die „Viking“-Sonden aus den siebziger Jahren Seismometer an Bord. Doch diese waren fest mit der Landeeinheit verbunden und zeichneten – wie sich später herausstellte – nur auf, wie der Marswind die Sonden rüttelte. Das InSight-Seismometer, genannt SEIS, hingegen wurde mit einem Greifarm im Marssand abgesetzt und zusätzlich durch eine Haube vor dem Wind geschützt.

Das Gerät, gebaut von der französischen Raumfahrtagentur CNES, ist hochempfindlich, was im Vorfeld Schwierigkeiten machte. Ursprünglich sollte „InSight“ 2016 starten, doch die Vakuumkammer für das Seismometer war nicht dicht, sodass die Nasa entschied, den Start um zwei Jahre zu verschieben und ein Re-Design vorzunehmen.

Die Mehrkosten beliefen sich auf rund 150 Millionen Dollar. Erst am 26. November 2018 setzte der Lander in Äquatornähe auf dem Roten Planeten auf.

Das Seismometer SEIS, das hier gerade von dem Roboterarm neben dem Lander auf dem Marsboden abgesetzt wird, arbeitet zuverlässig.
Das Seismometer SEIS, das hier gerade von dem Roboterarm neben dem Lander auf dem Marsboden abgesetzt wird, arbeitet zuverlässig.

©  Nasa/JPL-Caltech/DLR

Die Mühe hat sich gelohnt, SEIS arbeitet zuverlässig. Von Februar bis September 2019, auf diesen Zeitraum beziehen sich die vorliegenden Publikationen, wurden 174 seismische Ereignisse erfasst. Seitdem wurde die Messungen fortgesetzt und insgesamt 450 Ereignisse aufgezeichnet, die noch nicht vollständig ausgewertet wurden, heißt es von der ETH Zürich, die ebenfalls beteiligt ist.

Das entspricht etwa einem Beben pro Tag, das SEIS wahrnehmen kann. Hochgerechnet auf den gesamten Himmelskörper ist die Bebenaktivität größer als zuvor geschätzt, die freigesetzte seismische Energie liegt zwischen der des sehr trägen Mondes und der dynamischen Erde.

Der Mars hat nur eine Platte

Unser Planet besteht aus tektonischen Platten, die sich gegeneinander bewegen und so zu vielen Erdbeben führen. Der Mars hat vermutlich nur eine Platte. „Aber auch innerhalb einer Platte kann es zu Beben kommen, wie wir von der Erde wissen“, sagt Ulrich Christensen vom MPS, einer der leitenden SEIS-Forscher.

Für die Marsbeben kämen vor allem zwei Ursachen infrage. „Der Planet kühlt aus und schrumpft“, erläutert der Forscher. „Da die äußere Kruste spröde ist, entstehen darin Spannungen, bis es schließlich zum Bruch kommt und der Untergrund bebt.“ Die zweite Möglichkeit seien Konvektionsströmungen im tiefen, plastischen Mantel, die die Kruste beeinflussen und diese beispielsweise dehnen. „Das kennen wir vom Vallis Marineris, einem ausgedehnten Grabensystem.“

Mit einem Roboterarm wird der Schutzschild vor Wind und Staub über das Seismometer (SEIS) gestülpt.
Mit einem Roboterarm wird der Schutzschild vor Wind und Staub über das Seismometer (SEIS) gestülpt.

©  Nasa/JPL-Caltech/DLR

Von den erfassten Marsbeben ereigneten sich die drei stärksten in der Region Cerberus Fossae, die rund 1600 Kilometer entfernt ist und ebenfalls ein tektonisches Grabensystem darstellt. Die Stärke der Beben indes ist gering. Zwischen April und September 2019 wurden gut 20 erfasst, die eine Magnitude zwischen 3 und 4 hatten, was etwa dem Wert entspricht, den ein Mensch spüren kann.

Über Magnitude 4 kam keines. Allerdings ist der Messzeitraum relativ kurz. Stärkere Beben, die seltener sind, seien durchaus möglich, erklärt Christensen. Schwächere Beben wurden vorrangig nachts identifiziert, da die heftigen Winde am Tage die Messungen zu stark stören.

Aus den seismischen Daten können die Forscherinnen und Forscher den Aufbau des Untergrunds abschätzen: Die Erdbebenwellen werden gemäß den Materialeigenschaften unterschiedlich schnell übertragen und an Grenzschichten reflektiert und gebrochen.

Im Gegensatz zu seismischen Studien auf der Erde, wo es räumlich verteilt viele Stationen gibt, müssen die Marsforscher mit nur einem Gerät auskommen. Das macht die Sache kompliziert.

Wärmestau im Inneren des Mars

„Noch können wir nicht sagen, wie dick die Kruste des Mars ist“, sagt Christensen. Deutlich sei aber, dass die oberen zehn Kilometer sehr zerklüftet seien, vorrangig durch zahlreiche Meteoriteneinschläge, und sich darunter eher kompakter Fels anschließt.

Eine Etage tiefer, im oberen Mantel des Mars, stellten die Forscher fest, dass die seismischen Wellen deutlich gedämpft wurden. Das gehe vermutlich auf einen Wärmestau zurück, der das Material erhitze und weicher mache, erklärt Domenico Giardini von der ETH Zürich, der die Auswertung geleitet hat. „Da der Mars nicht über Plattentektonik verfügt, kann Wärme aus dem Inneren – verursacht durch radioaktiven Zerfall heute und Kompression während der Entstehung des Planeten – nur sehr langsam durch die Kruste nach außen transportiert werden“, schreibt er in einer E-Mail.

Der „Maulwurf“, die Thermalsonde „HP3“, die in Berlin gebaut wurde, hat sich bislang statt der geplanten fünf Meter nur 30 Zentimeter tief eingegraben - trotzdem der Hilfestellung der Schaufel des Roboterarms.
Der „Maulwurf“, die Thermalsonde „HP3“, die in Berlin gebaut wurde, hat sich bislang statt der geplanten fünf Meter nur 30 Zentimeter tief eingegraben - trotzdem der Hilfestellung der Schaufel des Roboterarms.

©  Nasa/JPL-Caltech/DLR

Im unteren Teil des Marsmantels hingegen scheint die Dämpfung deutlich geringer zu sein, als man es von der Erde kenne. „Falls dies von weiteren Marsbeben bestätigt werden sollte, würde uns das etwas über die Temperatur im Marsinneren sagen, zum Beispiel dass der Mantel verhältnismäßig kühler ist als der der Erde.“

Erdbebenmessungen sollen die Suche nach Leben unterstützen

Nicholas Schmerr von der Universität von Maryland, der ebenfalls an der Mission beteiligt ist, meint, die Bebenanalyse könnte auch helfen, die große Frage nach Leben auf dem Planeten zu beantworten – indem man anhand seismologischer Daten den Ursprungsort der Erschütterungen eingrenzt.

„Denken Sie nur an hydrothermale Quellen an den Mittelozeanischen Rücken der Erde, wo eher die Chemie die nötige Energie für Leben liefert als das Sonnenlicht“, wird der Geologe in einer Mitteilung seines Instituts zitiert. „Wenn sich herausstellt, dass es auf dem Mars flüssiges Magma gibt und wir genau bestimmen können, wo der Planet geologisch am aktivsten ist, könnte man daran die Ziele künftiger Missionen ausrichten, die das Potenzial für Leben erkunden wollen.“

Auch an der Oberfläche des Planeten geht es turbulent zu. InSight hat mehr als 1000 kleinräumige Wirbelstürme gemessen, die am Standort Elysium Planitia über ihn hinwegfegten. Es ist damit der aktivste aller bisherigen Landeorte von Marsmissionen. Zu erwarten wäre, dass zumindest einige dieser Wirbel feines Sediment aufnehmen und sogenannte Staubteufel bilden.

Seltsam nur, dass InSight mit seinen Kameras keinen einzigen davon erfasst hat. Die Forscher spekulieren, ob entweder nicht genügend Material aufgewirbelt wurde, um die Staubteufel zu erkennen, oder ob es einfach schlechtes Timing war und die Teufel verpasst wurden. Möglicherweise haben künftige Beobachtungen mehr Erfolg.

Ein Maulwurf, der nicht graben will

Noch größeres Pech hat das Team der Thermalsonde HP3. Das Gerät des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) soll sich mithilfe einer Schlagvorrichtung selbst in den Boden treiben und den Wärmefluss in der Tiefe messen. Geplant war, drei bis fünf Meter in den Sand vorzudringen.

Doch der „Marsmaulwurf“ kam nur ein kleines Stück voran und arbeitete sich zum Teil wieder aus dem Boden heraus. Seit gut einem Jahr versuchen die Forscher mit verschiedenen Tricks, etwa durch Festhalten mit der Schaufel des Landers, den „Maulwurf“ nach unten zu bekommen.

„Aktuell haben wir rund 30 Zentimeter Tiefe erreicht“, berichtet der Projektleiter Tilman Spohn vom DLR in Berlin. An der Zielmarke von drei bis fünf Metern halte er weiter fest, um die erhofften Wärmeflussdaten zu erhalten.

Doch die Chancen sinken. Die Nasa hat die Kommunikationsmöglichkeiten mit der Sonde – Kommandos schicken und Daten empfangen – bereits reduziert. „Wenn wir bis Ende des Frühjahrs keinen klaren Fortschritt erreichen, wird es wohl zu Ende sein“, sagt Spohn. Das Missionsziel müsste endgültig aufgeben werden.

Zwar habe man in den vergangenen Monaten viel über die Eigenschaften des Marsbodens gelernt und werde dies demnächst publizieren, so Spohn. „Aber das ist nur ein schwacher Trost.“ Derzeit wird eine neue Schaufelstellung ausprobiert. Vielleicht klappt es ja damit.

Die Hauptmission InSight soll nach bisherigem Stand bis November laufen. Über eine Verlängerung wird diskutiert, doch bald schon kommen neue Roboter: In diesem Sommer sollen zwei Rover zum Mars aufbrechen: der europäische ExoMars Rover „Rosalind Franklin“ samt Landeplattform „Kazachok“ aus Russland sowie der Mars 2020 Rover der Nasa. Beide Missionen sollen im März beziehungsweise Februar 2021 ankommen. Beide Rover verfügen über diverse Kameras und Analysegeräte, um die Oberfläche genauer zu untersuchen.

ExoMars soll auch aufklären, ob es vor Urzeiten unter günstigeren Bedingungen einmal Leben auf dem Planeten gegeben hat. Der Nachweis von Leben, das bis heute überdauert hat, ist mit beiden Rovern nicht möglich – es sei denn, ein grünes Männchen winkt in eine der Kameras.

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