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Christian Peter Beuth, der Namensgeber der Berliner Beuth-Hochschule und Vater der Ingenieurausbildung in Deutschland.

© imago stock people

Namensgeber der Beuth-Hochschule: Im Streit um Beuths Antisemitismus

Die Debatte an der Beuth-Hochschule um den Antisemitismus ihres Namensgebers geht in eine neue Runde. Ein Alt-Präsident zweifelt historische Erkenntnisse an.

War Christian Peter Beuth, der Namensgeber der Berliner Beuth-Hochschule und Vater der Ingenieurausbildung in Deutschland, ein radikaler Antisemit? Muss die Hochschule deswegen umbenannt werden? Der Streit über den Fall geht jetzt in eine neue Runde. Reinhard Thümer, von 2002 bis 2011 Präsident der Hochschule, hat eine Stellungnahme vorgelegt, die den Antisemitismus Beuths grundsätzlich anzweifelt – und sich damit gegen alle bisherigen historischen Gutachten stellt. In Thümers Amtszeit fiel die Benennung der Hochschule nach Beuth.

Die Auseinandersetzung über den Namensgeber bewegt die Hochschule seit Monaten. Stein des Anstoßes ist eine Rede Beuths 1811 vor der Deutschen Tischgesellschaft. Die Berliner Vereinigung mit berühmten Mitgliedern wie Achim von Arnim und Clemens Brentano hatte sich unter anderem zum Ziel gesetzt, die Judenemanzipation in Preußen zu stoppen. Beuth reproduzierte in seiner Rede gegen die Judenemanzipation längst widerlegte antijüdische Legenden, wünschte „Judenjungens“ bei ihrer Beschneidung den Tod, setzte Juden mit Schweinen gleich. Auch als Mitglied des preußischen Staatsrats ging Beuth gegen die Emanzipation der Juden vor.

Thümer holt weit zur Verteidigung Beuths aus

In einem Gutachten urteilte daher Achim Bühl, Soziologie-Professor an der Hochschule, im Sommer, Beuth habe einen „rigiden christlichen“, „völkischen und exterminatorischen Antisemitismus“ vertreten. Die Hochschule könne unmöglich seinen Namen tragen. Einen „rigiden Antisemitismus“ diagnostizierten auch die von der Hochschulleitung beauftragten Historiker Jörg Rudolph und Christian Schölzel. Sie plädierten aber dafür, die FH solle ihren Namen behalten: Beuths Antisemitismus entspreche nurmehr weit verbreiteten antijudaistischen Ressentiments im Preußen des 19. Jahrhunderts.

Thümer holt jetzt viel weiter zur Verteidigung Beuths aus. Er zweifelt vieles an der berüchtigten Rede prinzipiell an. Schon Beuths Mitgliedschaft in der Tischgesellschaft hält er für nicht gesichert. Ebenso wenig ist für Thümer bewiesen, dass Beuth die zuerst von dem Literaturwissenschaftler Stefan Nienhaus 2003 beschriebene antisemitische Rede wirklich verfasst und gehalten hat. Zwar findet sich auf der im Archiv der Uni Kraków erhaltenen Abschrift der Vermerk „Beuths Aufsatz für die Tischgesellschaft“, der Achim von Arnim zugeschrieben wird. Doch Therme vermutet einen Irrtum. Schließlich entspreche die Rede nicht Beuths Ausdrucksweise, sondern sei eine „Ausformung Arnimscher Motive“. Auch handele es sich nicht um Beuths Handschrift. Thümer konzediert aber, es könne sich um die „abweichende Schrift des Protokollanten“ handeln.

"Keine preußische oder gar Beuthsche Qualität"

Es sei gleichwohl „äußerst unwahrscheinlich, dass Beuth die Rede gehalten hat“, bilanziert Thümer in der Stellungnahme, die dem Tagesspiegel vorliegt. Insofern sei das Schriftstück „keineswegs hinreichend für eine Klassifizierung Beuths als Antisemit“.

Auch Beuths Wirken als Staatsrat bewertet Thümer neu. In einem Bericht zur möglichen Judenemanzipation in Ostpreußen von 1822 hatte Beuth von einer „niedrigeren geistigen und sittlichen Ausbildung“ und von der Gefahr einer „höchst verderblichen Überschwemmung“ durch „Ostjuden“ gesprochen. Für Thümer war er dabei aber nur „Berichterstatter“ eines Ausschusses und habe die Meinung von Ausschussmitgliedern vertreten. Zudem ließen sich die Stereotypen über Juden „im gesamten ,christlichen Abendland' wiederfinden“. Sie seien „keine preußische oder gar Beuthsche Spezialität“.

Es gibt großen Widerspruch gegen Thümers Thesen

Beuth kein Antisemit? Für Achim Bühl widerspricht Thümers Stellungnahme allen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Und das „ohne einen einzigen Beleg ,mit absurden Argumenten, fiktiven Beweismitteln“, wie Bühl in einer Erwiderung schreibt. Beuth sei ein federführendes Mitglied des Staatsrats gewesen – und sein in dem Bericht artikulierter Antisemitismus keineswegs landläufig. Dass in Preußen angeblich alle Antisemiten waren, sei „ein geläufiges Argumentationsmuster“, mit dem Antisemitismus relativiert werden solle.

Bleibt Thümers Ansatz, die Handschrift des Redemanuskripts stamme nicht von Beuth. Hier stimmt Bühl zu, dass die Handschrift womöglich falsch identifiziert wurde. Tatsächlich sei davon auszugehen, dass es sich um die Schrift eines der Schreiber Beuths oder eines Protokollanten der Tischgesellschaft handelt. Die Echtheit der Rede sei dennoch zweifach belegt: durch von Arnims Notiz auf der Abschrift und dadurch, dass sich von Arnim in der Tischgesellschaft laut Protokoll auf „Bemerkungen" Beuths berief. Es handele sich bei Thümers Annahmen „um ein absurdes Szenario, das einzig und allein dem Wunschdenken des Verfassers entspringt“, sagt Bühl. Der Altpräsident wolle die Debattenteilnehmer an der Hochschule verunsichern, er habe „ein Dokument der Leugnung“ vorgelegt.

Die Hochschulpräsidentin will sich inhaltlich nicht äußern

„Der Kenntnisstand der historischen Forschung zu Beuths Rede vor der Tischgesellschaft gilt als gesichert“, sagt auch Uffa Jensen, stellvertretender Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU. Wolle man daran rütteln, müssten neue historische Fakten präsentiert werden. „Aber die kann ich bisher nicht erkennen.“ Sollte es sich um die Handschrift eines Protokollanten handeln, „wäre erst recht verifiziert, dass die Rede gehalten wurde“. Und als hoher Beamter im Staatsrat habe Beuth zweifelsfrei seine eigene Position vertreten.

Hochschulpräsidentin Monika Gross will sich inhaltlich nicht zur neuen Kontroverse äußern. Die Hochschule befinde sich in einem Prozess der Klärung, was den Namensgeber betreffe. „Der Wissensstand dazu muss sehr hoch sein, denn neben den Aktivisten, die sich für die Umbenennung einsetzen, gibt es andere, die anders denken“, sagt Gross. Altpräsident Thümer werfe zunächst einmal Fragen auf, die nun diskutiert werden müssten. Öffentlich werde das auf einem Symposium Mitte Januar geschehen. Eingeladen seien dazu auch Vertreter der Uni Greifswald, die nach zwanzigjähriger Diskussion auf den Namen Ernst Moritz Arndts verzichtet hatte, und der Martin-Luther-Uni Halle-Wittenberg. Beiden Namensgebern wird wie Beuth Antisemitismus vorgeworfen. „Wir sollten in diese Diskussion nicht mit Vorverurteilungen hineingehen, sondern uns selbst ein Bild machen“, sagt Gross.

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