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Klaus Töpfer (CDU) hat es geschafft, in der Politik und der Wissenschaft Erfolg zu haben, lobte Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU).

© Ingo Wagner/picture alliance / dpa

Nachhaltigkeitsforschung: Klaus Töpfer und die Nachhaltigkeit

Der Gründungsdirektor des Potsdamer IASS-Instituts hat seine Mission, ein transdisziplinäres Forschungsinstitut mit Ausstrahlung in die Gesellschaft aufzubauen, erfüllt.

So alt wie der gerade verstorbene Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) müsse er mindestens werden, sagte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwochabend beim Abschiedssymposium für Klaus Töpfer in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Nach sechs Jahren gibt der 77-Jährige die Leitung des vom ihm in Potsdam aufgebauten Instituts IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) ab. Altmaier saß auf dem Podium und gab zum Besten, dass Töpfer ihn vor Jahren im Saarland in die Politik geholt habe. Er wisse „bis heute nicht, ob das die richtige Entscheidung war“.

Dafür war sich Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) ganz sicher, „dass nur Sie dieses neuartige Institut in so kurzer Zeit positionieren konnten“. Töpfer gehöre „zu den wenigen“, die es geschafft hätten, sich sowohl in der Politik als auch in der Wissenschaft Respekt zu verschaffen, „erfolgreich zu sein“ und noch dazu „mehrfach zwischen beiden Seiten hin- und herzuwechseln“. Einig waren sich alle im Festsaal, dass die Nachhaltigkeitsdebatte in Deutschland „und der Welt“ ohne Klaus Töpfer nie so weit gekommen wäre, wie es Peter Altmaier ausdrückte.

Fehlt nur noch die Kultur

Adrienne Göhler (Grüne) warb dafür, Nachhaltigkeit umfassender zu verstehen. Dass Nachhaltigkeit etwas mit Ökologie, dem Sozialen und der Wirtschaft zu tun habe, sei inzwischen fast jedem klar. Aber eine Dimension fehle, das habe Töpfer selbst mehrfach bedauert: die Kultur. Und mit den „drei Säulen“ wollte Göhler in diesem Zusammenhang nicht belästigt werden, „denn Säulen können nicht miteinander kommunizieren. Die stehen im Gegenteil ziemlich dumm herum“. Göhler, die auch einmal Berliner Kultursenatorin gewesen ist, und sich mit Johanna Wanka, die damals Forschungsministerin in Brandenburg gewesen war, „schon immer gut verstanden hat“, wies darauf hin, dass Töpfer selbst immer wieder das Fehlen der kulturellen Dimension bedauert habe. Nur eine "Säule" solle die Kultur nicht werden. Das bat sie sich aus.

Ortwin Renn versteht sich als "Brückenbilder"

Am Mittwochabend war jedoch auch sichtbar, dass Göhler mit ihrer Forderung nach Räumen, in denen ein Austausch zwischen Nachhaltigkeitswissenschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur möglich werden soll, am IASS nicht unbedingt auf Anhieb ankommen dürfte. Töpfers Nachfolger, der Stuttgarter Risikoforscher Ortwin Renn, meinte halb ernst, dass sich das IASS in Zukunft wohl „vor dem Wissenschaftsrat“ fürchten müsse.

Ortwin Renn ist Professor in Stuttgart und im Präsidium der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech). 2016 übernimmt er die Leitung des Potsdamer IASS-Instituts.
Ortwin Renn ist Professor in Stuttgart und im Präsidium der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech). 2016 übernimmt er die Leitung des Potsdamer IASS-Instituts.

© Acatech/David Ausserhofer/dpa-tmn

Der 64-Jährige, der im kommenden Jahr die Institutsleitung übernimmt, scheint jedenfalls ziemlichen Respekt vor dem Gremium zu haben. Denn der Wissenschaftsrat hatte in seiner Bewertung des IASS vor allem das bemängelt, was sein Gründungsauftrag war: den Dialog zwischen einer „transdisziplinären Wissenschaft“, in der Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaftler gemeinsam an Themen arbeiten, und der Politik sowie der Gesellschaft in Gang zu bringen. Renn betonte deshalb, das IASS habe „in erster Linie einen wissenschaftlichen Auftrag“. Renn sprach davon, das Institut solle der „Brückenbildung zwischen den Disziplinen“ dienen und „den Diskurs mit den betroffenen Menschen“ suchen.

Die Taliban brauchen Hilfe

Natürlich hat das IASS zum Abschied auch noch einmal wissenschaftliche und politische Ehrengäste aufgeboten, um Töpfer zu würdigen. Der Nobelpreisträger Paul Crutzen hat es sich nicht nehmen lassen, anzureisen. Der indisch-amerikanische Klimaforscher Veerabhadran Ramanathan - von seinen Freunden nur Ram gerufen - berichtete davon, wie er Klaus Töpfer während seiner Zeit als Chef des UN-Umweltprogramms Unep einmal nach Nepal eingeladen hatte. Ramanathan fand, dass sich Töpfer dringend einmal die "große braune Wolke", die sich über China, Indien und halb Asien gebildet hatte, anschauen sollte. Das war so eindrucksvoll, dass Töpfer danach versprach, das Phänomen erfoschen zu lassen, woran Ramanathan maßgeblich beteiligt war, und es dann auch lösen zu wollen.

Der Höhepunkt des Abends waren aber die Einblicke, die der finnische Parlamentsabgeordnete und ehemalige Minister Pekka Haavisto zu bieten hatte. Bei Unep hatte Töpfer etwas geradezu Unerhörtes getan. Er begann nach den kriegerischen Konflikten der späten 1990er und der frühen 2000er Jahre, auf dem gesamten Balkan aber auch im Irak und in Afghanistan sogenannte Post-Conflict Assessements, also Studien über den Zustand der Umwelt nach Kriegen, anfertigen zu lassen. Pekka Haavisto war zehn Jahre dabei, und aus dieser Zeit stammen auch seine guten Verbindungen zu den Warlords dieser Welt. Diese Erfahrungen nutzten ihm später als Sonderbeauftragter der Europäischen Union für den Friedensprozess in der westsudanesischen Krisenregion Darfur auch weiter. Vor kurzem aber ist Haavisto wieder einmal in Afghanistan gewesen. Und da ist ihm folgendes passiert, berichtete er in Berlin: "Ein Taliban, der heute eine Universität leitet, an der nach seinen Angaben auch Frauen studieren dürfen, sagte: Wir Taliban, wir brauchen Hilfe." Haavisto zuckte kurz und fragte dann vorsichtig: "Was für eine Hilfe brauchen die Taliban denn?" Darauf der Rektor: "Der ,Islamische Staat' rekrutiert auf unserem Campus und radikalisiert unsere Jugend." Der Saal bog sich vor Lachen.

Töpfer macht einfach weiter

Adrienne Göhler war der Abschied des IASS-Gründungsdirektors jedoch sichtlich nicht avantgardistisch genug. Sie lud Klaus Töpfer deshalb gleich am Abend ein, mit ihr gemeinsam Botschafter für „die kulturelle Dimension der Nachhaltigkeit“ zu werden. Dabei, stellte Mark Lawrence, Direktor und bis Renn einsteigt auch geschäftsführender Direktor des IASS, fest, dass sich bei Klaus Töpfer eigentlich nichts verändert habe. „Sein Terminkalender ist weiterhin übervoll“, und dass er irgendwie kürzertreten wolle, sei nun wirklich nicht zu erwarten.

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