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Sogenannte Gurgeltests könnten auch für Deutschland eine Entlastung der Labore ermöglichen.

© Uwe Anspach/dpa

Nach PCR-Knappheit in Testzentren: Kommen Gurgeltests auch in Deutschlands Supermärkte?

Kostenlose PCR-Tests sollen bald priorisiert werden. Könnte das Vorbild aus Österreich unser Laborpersonal und unsere Nasen entlasten?

Es scheint ein Traum aus einer weit entfernten Welt: ein Alltag ohne Stäbchen in Rachen und Nase. Seit nunmehr zwei Jahren Corona-Pandemie gehört der Corona-Abstrich schon dazu wie das Zähneputzen vor dem Schlafengehen. Was wäre also, wenn man die beiden Aktivitäten einfach verbindet? Gurgeln soll helfen.

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Wie funktioniert die Gurgeltestung in Österreich?

Deutschlands Nachbarland Österreich hat die Aktion „Alles gurgelt“ ins Leben gerufen und damit den Selbsttest zum zuverlässigen Mittel gegen das Corona-Virus gemacht. Pro 1000 Einwohner kommt das Land laut Hochrechnungen vom Global Change Data Lab auf einen Höchstwert von 73 Tests pro Tag. Zum Vergleich: Der höchste Wert in Deutschland liegt bei 3,3 Tests pro 1000 Einwohner.

Die Gurgeltests erhält man in Österreich buchstäblich an jeder Ecke. Jeder Bürger und jede Bürgerin hat pro Woche Anspruch auf acht kostenlose PCR-Tests – und das seit März 2021. Diese können nach einer einmaligen Registrierung über einen Code in der Drogerie abgeholt werden.

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Zu Hause gelangt man dann über einen QR-Code vom Test auf eine Website, bei der man sich identifizieren muss und anschließend einer Aufzeichnung des Tests zustimmt. Dann wird gegurgelt, Röhrchen verschlossen und der Testbeutel wieder abgegeben.

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Auch das geht in mehreren Supermarktketten, Tankstellen und Stationen vom ÖPNV. Das Testergebnis ist nach spätestens 24 Stunden online verfügbar.

Wie effektiv kann ein Gurgeltest sein?

Der österreichische Gurgeltest funktioniert über eine simple Kochsalzlösung. Eine solche wird auch bei einem Großteil der Pufferlösungen, also der zugegebenen Flüssigkeit auf dem Teststreifen, für herkömmliche Schnelltests genutzt. Solche Gurgeltests wurden in der Vergangenheit auch für den Nachweis anderer Erkrankungen, etwa der Grippe, in Labortests genutzt.

Was die Zuverlässigkeit der Tests anbelangt, sind die Gurgeltests laut Untersuchungen der Universität Wien, die auch die Pilotstudien zum Gurgeltest im Jahr 2020 durchführte, ähnlich effektiv wie der normale PCR-Abstrich, der oft als „Goldstandard“ bezeichneten Methode. „Es gibt kein besseres oder zuverlässigeres Testverfahren“, bestätigt der Sprecher der österreichischen Apothekerkammer, Wolfgang Müller.

Vorteilhaft sei auch, dass sogar bei Kindern, die sonst oft unter dem schmerzhaften Abstrich leiden, ein valides Ergebnis erreicht werden kann. „Es wurden natürlich wissenschaftliche Vergleichsstudien vorgenommen – positive Personen wurden sowohl abgestrichen und man ließ sie Gurgeln – die Ergebnisse waren deckungsgleich“, so Sonja Vicht, Sprecherin der Stadt Wien.

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Vergleiche mit sogenannten Lolli-Tests hingegen weist auch Michael Havel, Gründer des Testlabors Lifebrain, zurück. Anders als bei Lolli-Tests, bei denen man ein Teststäbchen lutsche und auf dieser Grundlage der Speichel analysiert werde, gurgele man bei einem Gurgeltest eine Minute mit Kochsalzlösung. Bei Hunderttausenden von Tests gebe es nur eine Fehlerrate von 0,4 Prozent.

Der zweite große Testanbieter in Österreich, Lead Horizon, kündigte gegenüber dem „Spiegel“ bereits an, die Testkits künftig auch nach Deutschland exportieren zu wollen. Damit würde nicht nur das Know-how der Strategie ins Nachbarland gebracht werden, sondern auch die dazugehörige Web-App.

Was ist das Problem in deutschen Laboren?

In der letzten Zusammenkunft von Bund und Ländern wurde beschlossen, dass kostenlose PCR-Test bei möglichem Mangel nur noch an medizinisches Personal und vulnerable Gruppen vergeben werden sollen. Zuvor hatte der Interessenverband Akkreditierte Labor in der Medizin (ALM) eine solche Priorisierung aufgrund fehlender Kapazitäten gefordert. Demnach liegt die durchschnittliche Laborauslastung bei etwa 95 Prozent.

[Lesen Sie außerdem zu diesem Thema: Kapazitäten regional ausgeschöpft: Wer soll künftig noch PCR-Tests machen dürfen? (T+)]

Laut Robert-Koch-Institut (RKI) hat Deutschland eine tägliche Kapazität für PCR-Verfahren von 430.000. In Österreich liegt der Wert durchschnittlich bei knapp einer Million, dafür werden nur noch sehr wenige Schnelltests durchgeführt.

Wichtig ist hier allerdings die Frage der Zählung. „In Österreich wird etwa beim Pooling jede getestete Probe gezählt, in Deutschland berechnen wir die durchgeführten PCR-Reaktionen“, erklärt Dr. Michael Müller, Vorsitzender des ALM.

Ein grundlegendes Problem bei der PCR-Test-Kapazität sind aber auch die Kosten. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich werden diese vom Bund getragen. Durch die hohe Chargenanzahl liegen die Kosten für einen Test im Nachbarland mittlerweile bei gerade einmal 6 Euro pro Test. Deutschland zahlt 30 Euro pro Test, was aber besonders für schnelle Diagnostik eigentlich immer noch zu wenig ist.

Könnten Gurgeltests die Labors entlasten?

Der Vorteil der österreichischen Teststrategie liegt dementsprechend vor allem an der sogenannten Pool-Auswertung. Die eingeschickten Selbsttests werden jeweils in Chargen mit zehn Proben ausgewertet. Nur wenn eine gesamte Charge positiv ausfällt, wird jeder Test einzeln sequenziert.

Durch eine solche Methode wird Zeit und vor allem Aufwand in den Laboren gespart. Dies gilt allerdings nur bei geringer Inzidenz. „Der Nutzen ergibt sich aus der jeweiligen Positiv-Rate. Bei einer hohen Inzidenz ist natürlich die Wahrscheinlichkeit höher, dass man jeden Pool nachtesten muss. Da ist dann der Nutzen in Frage gestellt“, erklärt auch ALM-Vorsitz Dr. Müller.

In Schulen und Kindergärten wird solch ein Pooling-Verfahren auch in Deutschland schon genutzt, allerdings mit den beschriebenen Lolli-Pool-PCR-Tests. Die allgemeine Bewertung anlassloser Massentests, so Dr. Müller, sei in Deutschland auch vonseiten des Robert-Koch-Instituts seit jeher kritisch bewertet worden.

In Wien schaffte man die Kostenminimierung auch durch die neue Infrastruktur, die Teststraßen einspart und die Menschen zuhause testen lässt. „Hinzu kämen bei Abstrichen natürlich wesentlich höhere Kosten, da das personalintensive Abstrichsystem selbstverständlich mehr kosten würde, plus Mieten für die Teststraßen“, so Sonja Vicht.

Für eine Erweiterung fehlt Deutschland zudem die Vorbereitung. „Dieses Verfahren ist vor einem Jahr nicht vorbereitet worden, darum können wir darauf jetzt nicht zurückgreifen“, so Bundesgesundheitsminister Lauterbach kürzlich in der ARD.

„Unabhängig von der Probenahme-Methode ist die Durchführung des PCR-Tests im Labor und die Verifizierung des Testergebnisses mit personellem Aufwand verbunden. Damit bleibt auch bei der Anwendung von Rachenspülwassertests qualifiziertes Personal der limitierende Faktor“, erklärt auch eine Sprecherin des Labordienstleisters Synlab in Berlin.

Unabhängig vom Labor würden die Gurgeltests ohne Frage Bürgerinnen und Bürger entlasten. Nicht nur würde ein PCR-Test dann künftig nicht mehr den aufwendigen Weg zum Testzentrum bedeuten, wo möglicherweise andere angesteckt werden. Auch das unangenehme Gefühl in der Nase gehört dann der Vergangenheit an.

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