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Ur-Zierat. Von Neandertalern verzierte Tropfsteine in der „Cueva de Ardales“ in Spanien.

© Pedro Cantalejo-Duarte

Mögliche Vorläufer der Höhlenkunst: Neandertaler malten schon vor 65.000 Jahren

Kunst könnte es bereits vor Ankunft des Homo sapiens in Europa gegeben haben. Forschende beschreiben Funde in einer Höhle im heutigen Spanien.

Neandertaler haben einer Studie zufolge Teile einer Höhle in Südspanien schon vor mehr 65.000 Jahren mit Farbe verziert. Das schließt ein internationales Forschungsteam nach Analysen roter Verfärbungen in der Höhle von Ardales in der andalusischen Provinz Málaga. Die Forscher vermuten im Fachblatt „PNAS“, dass Generationen von Neandertalern die Verzierung immer wieder erneuerten – möglicherweise über Jahrtausende.

Seit Jahren diskutieren Forscher, ob Neandertaler – die nächsten Verwandten des Menschen – ebenfalls ein Gefühl für Symbolik wie etwa Kunst hatten. Dafür sprechen Funde aus Höhlen etwa in den spanischen Regionen Extremadura und Kantabrien, die mehr als 64 000 Jahre alt sein sollen - und damit rund 20.000 Jahre vor der Ankunft des Homo sapiens in Europa datieren. Dazu zählen geometrische Linien und sogenannte Handnegative. Dabei sprühten die Urheber – vermutlich mit dem Mund – eine Farbpigment-Mischung über eine auf den Fels gehaltene Hand.

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Mehrfache Farbaufträge

Allerdings braucht es schon mehr als nur guten Willen, um die rötlichen Verfärbungen in der Cueva de Ardales als Höhlenkunst zu bewerten. Das räumt das Team um Africa Pitarch Martía und João Zilhãoa von der Universität Barcelona selbst ein. Sie prüften lediglich, ob die Färbungen eher natürlichen oder menschlichen Ursprungs sind.

Die 1,6 Kilometer lange Höhle wurde erst 1821 nach einem Erdbeben entdeckt und enthält Höhlenkunst aus verschiedenen Epochen. Die Forscher untersuchten eine massive Tropfsteinsäule im Zentrum einer großen Halle, der „Sala de las Estrellas“ (Saal der Sterne). Der Sintervorhang um die Säule ist an mehreren Falten rot gefärbt – teilweise sogar jenseits einer Arm-Reichweite. Um zu klären, ob die Färbung natürlichen Ursprungs ist, nahmen die Forscher Abstriche und verglichen sie mit Proben aus verschiedenen Teilen der Höhle.

Den Analysen zufolge kann das Rot nicht durch natürliche Prozesse wie etwa Verwitterung entstanden sein, zudem stamme es nicht aus der Höhle. Weil die Farben sich sowohl in Zusammensetzung als auch in Korngröße unterscheiden, seien sie vermutlich wiederholt hergestellt und in die Höhle gebracht worden.

Per Uran-Thorium-Datierung ermittelten die Forscher für die Färbung einer Falte ein Alter von mindestens 65.500 Jahren, für zwei weitere von mindestens 45.000 Jahren und für eine letzte Falte von etwa 47.000 Jahren. Daraus schließen sie, dass die Farben zu mindestens zwei Zeitpunkten aufgetragen wurden, vermutlich aber öfter.

Symbolische Handlungen unter der Erde

„Unsere Resultate belegen deutlich, das die steinzeitlichen Künstler eisenreiche Klumpen aus geologischen Formationen einer noch unbekannten Quelle nutzten, die wahrscheinlich außerhalb der Höhle liegt“, schreibt das Team. Da die Färbung keinerlei Form aufweist, so spekuliert das Team, habe sie die den Tropfstein wohl als Symbol markiert. Solche Färbungen seien möglicherweise der Ursprung der späteren Höhlenkunst gewesen.

Dass Neandertaler tief unter der Erde symbolische Handlungen vollzogen, zeige vor allem der spektakuläre Fund in der südwestfranzösischen Höhle von Bruniquel. Dort fanden Forscher Strukturen aus abgebrochenen Tropfsteinen – darunter zwei annähernd kreisförmige Ringe aus vier aufeinandergeschichteten Reihen von etwa gleich großen Tropfstein-Stücken. Die Strukturen sind etwa 176 000 Jahre alt.

Erst kürzlich hatten Forscher in einer Höhle im Harz einen etwa 50.000 Jahre alten Riesenhirsch-Knochen entdeckt, den Neandertaler mit sechs Kerben verziert hatten. Die älteste bekannte gegenständliche Höhlenkunst stammt indes vom modernen Menschen auf der indonesischen Insel Sulawesi. Die gut 45.000 Jahre alte Zeichnung eines Tiers ist so detailliert, dass Forscher das Motiv als Sulawesi-Pustelschwein (Sus celebensis) identifizieren konnten.

Walter Willems, dpa

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