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Ist der Affe gesund, freut sich der Forscher: Grady, erster Primat, der mit dem Verfahren gezeugt wurde, im Alter von zwei Wochen.

© OHSU

Mögliche Hilfe für in jungem Alter an Krebs Erkrankte: Zeugung mit Hilfe von eingefrorenem Hodengewebe

Wer als Junge Krebs hatte, bleibt später oft zeugungsunfähig. Jetzt ist es bei Rhesusaffen erstmals gelungen, dieses Problem zu lösen. Der Nachweis heißt Grady.

Eine Chemotherapie bei Jungen kann die Hoden schädigen und eine spätere Vaterschaft unmöglich machen. Denn bis zur Pubertät haben sie noch keine Spermien gebildet, die vor der Behandlung entnommen und aufbewahrt werden können. Doch das könnte sich ändern. Erstmals haben Forscher jungen männlichen Primaten Hodengewebe entnommen, es eingefroren und denselben Rhesusaffen nach der Pubertät wieder eingepflanzt. Danach entstanden in dem Gewebe Spermien, die zur Geburt eines gesunden Affenbabys führten. Die Studie sei ein Machbarkeitsnachweis, schreiben die Forscher um Adetunji Fayomi von der Universitätsklinik Pittsburgh im Fachblatt «Science». Auch unabhängige Experten werten die Arbeit als Meilenstein.

Unreife Spermien

Teil der Behandlung von Krebsleiden und auch vielen Erkrankungen des Blut- und Immunsystems wie etwa der Sichelzellanämie sind oft Chemotherapie und Bestrahlung. Dass kann bei männlichen Patienten Samenzellen oder deren Vorläufer so stark schädigen, dass die Betroffenen unfruchtbar werden. Erwachsene Männer können sich Spermien vor der Behandlung entnehmen lassen, einfrieren und damit später im Labor Nachwuchs zeugen lassen. Doch vor der Pubertät und der verstärkten Bildung des Sexualhormons Testosteron sind Spermien noch nicht ausgereift. Allein wegen Krebs bekommen in Deutschland pro Jahr etwa 1000 Jungen eine solche Therapie.

Generell überlebten heutzutage mehr als 80 Prozent der Kinder eine Krebserkrankung, etwa ein Drittel von ihnen bleibe aber unfruchtbar, schreiben die Forscher um Fayomi. Sie zeigen nun erstmals an Primaten einen Weg, der diesen Patienten später Nachwuchs ermöglichen könnte.

Ein Affenbaby namens Grady

Die Forscher entnahmen fünf jungen Rhesusaffen unreifes Hodengewebe, das sie einfroren und den Tieren nach Eintritt der Pubertät wieder einpflanzten. Tatsächlich entwickelten sich in allen Implantaten Vorläuferzellen zu Spermien. Damit befruchteten die Wissenschaftler insgesamt 138 Eizellen, von denen 39 sich zum Zwei-Zellen-Stadium entwickelten. Schließlich wurden insgesamt elf Embryonen sechs weiblichen Rhesusaffen eingesetzt.

Dabei verlief eine Schwangerschaft erfolgreich. «Grady wurde am 16. April 2018 mit einem Gewicht von 471 Gramm geboren», schreibt das Team. «Gradys Geburt ist ein Machbarkeitsnachweis, dass wir präpubertäres Hodengewebe kryokonservieren und später verwenden können, um bei Erwachsenen die Fruchtbarkeit wieder herzustellen», wird Erstautor Fayomi in einer Mitteilung seiner Klinik zitiert.

Als Grund für den Erfolg nennen die Forscher neben Details des Einfrierens vor allem den Umstand, dass sie im Gegensatz zu früheren Versuchen deutlich größere Gewebestücke - 9 bis 20 Kubikmillimeter statt 0,5 bis 1 Kubikmillimeter - entnommen und dann wieder eingepflanzt und vernäht hatten. Allerdings waren alle Rhesusaffen kastriert worden. Nun müsse man bestätigen, dass die Technik auch bei Primaten mit intakten Hoden funktioniere, schreiben die Forscher.

Reproduktionsmediziner: Verfahren auf Menschen übertragbar

Studienleiter Kyle Orwig ergänzt: «Mit der Geburt eines gesunden Babys glauben wir, dass diese Technologie nun klinisch getestet werden kann.» Diese Einschätzung bestätigen Stefan Schlatt und Nina Neuhaus vom Zentrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie der Uniklinik Münster, die nicht an der Arbeit beteiligt waren. Sie schreiben in einem «Science»-Kommentar von einem Durchbruch. Grundsätzlich sei das Verfahren auf den Menschen übertragbar.

Auch Artur Mayerhofer vom BioMedizinischen Centrum München (BMC) der Universität München glaubt, eine ähnliche Transplantation beim Menschen «scheint somit nun in greifbare Nähe zu rücken». Allerdings müsse man unter anderem klären, ob das Vorgehen für die Nachkommen sicher sei. Dies werde noch Jahre dauern.

Allerdings komme das Verfahren nicht für alle Krebspatienten infrage, betonen Fayomi und Kollegen. Bei Jungen mit Leukämie, Lymphom und Hodenkrebs bestehe die Gefahr, dass das entnommene Gewebe bösartige Zellen enthalte.

In Europa bieten mehrere Kryobanken die Einlagerung von Spermien oder Hodengewebe an, unter anderem das Projekt «Androprotect» der Uniklinik Münster. Noch kann man mit Hilfe von eingefrorenem unreifem Hodengewebe keine Kinder zeugen, das könnte sich aber mit den nun vorgestellten Erkenntnissen ändern. (dpa)

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