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Der Volocopter kann senkrecht starten und landen. 2018 soll er zugelassen werden.

© e-volo/Nikolay Kazakov

Mobilität der Zukunft: Fliegen bald Drohnen mit Menschen an Bord durch die Städte?

Kein Platz mehr auf der Erde, also geht es in die Luft. Erste Modelle stehen für Tests mit fliegenden Taxis bereit. Experten halten diese Entwicklung durchaus für möglich.

Wenn die U-Bahnen mal wieder zu voll und die Straßen voller Stau sind, dann wünscht man sich ein Taxi, das sich selbstständig in die Luft erhebt und einen zum gewünschten Ziel fliegt. Klingt futuristisch? Ginge es nach einem deutschen Start-up, könnte ein solches „Taxi der Lüfte“ schon ab 2018 durch deutsche Städte schwirren, um Personen von A nach B zu transportieren. Der Volocopter ist weiß, hat verglaste Türen, Ledersitze und fliegt mit 18 Rotoren – wie eine überdimensionale Drohne. Sobald das Lufttaxi der Bruchsaler Firma e-volo seine Zulassung erhält, wollen die Entwickler in Serienproduktion gehen.

Zwei Personen können in dem rein elektrisch betriebenen Multicopter Platz nehmen, neun Akkus versorgen ihn mit Strom. Und selbstständig fliegen kann die Maschine auch. Dass sie sowohl senkrecht starten und landen als auch in der Luft schweben kann, sind gute Voraussetzungen dafür, dass das „Taxi der Lüfte“ tatsächlich in engem Raum, also etwa in Städten eingesetzt werden könnte. Ein erster Test soll bald in Singapur stattfinden. Der Verkehrsminister der Stadt, Pang Kin Keong, erwägt den Volocopter einzusetzen, um den zunehmenden Verkehr Singapurs in den Griff zu bekommen. Bis 2030 werden sich Transportwege in Singapur stark verändern, meint der Politiker.

Fliegende Taxis in Dubai

Auch in Dubai könnten schon in diesem Sommer Drohnen-Taxis fliegen. Erste Tests laufen bereits. Das Emirat entschied sich allerdings für ein Produkt der chinesischen Firma Ehang. Die acht Rotoren der Drohne sind in gegenläufigen Paaren angeordnet. Genau wie der Volocopter startet und landet die Ehang184 senkrecht. Transportieren kann das von der Firma als „Autonomous Aeral Vehicle“ bezeichnete Fluggerät eine Person und einen Koffer. Zusammengeklappt soll es in jede normal große Parklücke passen. Mit einem einzigen Klick auf die Landkarte bringt es seinen Passagier selbstständig an das Wunschziel.

Immer mehr Firmen befassen sich mit fliegenden Fortbewegungsmitteln. Der amerikanische Fahrdienst Uber hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, mit seinem Projekt Elevate bis 2021 fliegende Taxis in die US-Städte zu bringen. Dutzende Start-ups arbeiten an Drohnen, die Menschen tragen können. Der Flugzeughersteller Airbus präsentierte im März ein fliegendes Auto – je nach Modul können Räder oder acht Rotoren montiert werden.

Die Zukunft der Fortbewegung in Städten liegt in der Luft. Das hält auch Armin Grunwald für möglich, der das Institut für Technikfolgenabschätzung am Karlsruher Institut für Technologie leitet. „Verkehr ist ein Problem, das immer bleiben wird. Auf der Erde sind wir kaum noch beweglich“, sagt er. Deswegen sei das Ausweichen in die Luft eine logische Konsequenz.

Die Drohnen haben Elektroantriebe

Deshalb investierte die Europäische Union schon vor sechs Jahren 3,5 Millionen Euro in Forschungsprojekte, die Technologien für den Personenverkehr in der Luft entwickeln. Bis 2014 entwickelten Wissenschaftler im Projekt „Mycopter“ Steuerungssysteme, Bedieninterfaces und Navigationssysteme, die Menschen in der Luft von einem Ort an den anderen bringen sollen. Gleichzeitig fragten sie potenzielle Nutzer in verschiedenen europäischen Ländern, was sie von einer solchen Technologie erwarten würden. Dabei stellte sich heraus, dass die meisten einem fliegenden, autonom gesteuerten Verkehrsmittel nicht abgeneigt wären. Bedenken äußerten sie bezüglich technischer Fragen wie Lärmbelästigung oder Energieversorgung.

Tatsächlich kann Ehang184, der wie der Volocopter rein batteriebetrieben ist, maximal 30 Minuten in der Luft bleiben. Lange Flüge sind noch nicht möglich, aber an besseren Akkus wird gearbeitet. Der Sorge um die Lärmbelastung lässt sich mit modernen, geräuscharmen Elektroantrieben entgegenwirken. Doch die Skepsis potenzieller Nutzer gegenüber den autonomen Fortbewegungsmitteln scheint zu wachsen. Rund zwei Drittel der kürzlich von der Bertelsmann-Stiftung zum autonomen Fahren Befragten wollen sich nicht in ein solches Fahrzeug setzen. Als Hauptgrund nennen sie mögliche Unfälle. Von der Technik begeistert ist der Umfrage nach nur jeder Vierte.

Im Flugzeug fliegt zu 95 Prozent der Autopilot

Laut Grunwald ist es realistischer, autonome Verkehrsmittel zuerst in der Luft einzusetzen. „Obwohl es sehr futuristisch klingt, ist es technisch einfacher“, sagt er. Denn in der Luft müssten Geräte nicht plötzlich Kindern ausweichen, die auf die Straße laufen. Also sinkt die potenzielle Unfallgefahr. Dass keiner die fliegenden Drohnen nutzen wolle, glaubt Grunwald nicht. „Wir setzen uns ja auch ins Flugzeug. Und da fliegt 95 Prozent der Zeit der Autopilot“, sagt er. Einige Firmen entwickeln auch Modelle, die ein Passagier unter Umständen auch selbst steuern könnte, darunter auch der Volocopter. Voraussetzung dafür wäre aber ein entsprechender Führerschein.

Aktuell sei das größte Problem bei autonomen Fahrzeugen die Software, sagt Grunwald. Da es sich dabei um selbstlernende Systeme handelt, müsse überwacht werden, was genau das Gerät am Ende des Tages gelernt habe. „Lernen ist nicht automatisch etwas Positives“, sagt der Physiker. Eine Prüfsoftware, die automatisch anspringt, bevor jemand einsteigt, sei vorstellbar. Das Programm würde dann sicherstellen, dass das autonome Fahrzeug keine falschen Regeln gelernt hat, die nicht der Straßenverkehrsordnung entsprächen. Auch Taxi-Drohnen bräuchten solch ein Sicherheitssystem. Neben technischen Problemen muss die rechtliche Situation geklärt werden. Erst im März hat die Bundesregierung das Gesetz zum autonomen Fahren verabschiedet, das Haftungsfragen sowie Datenschutz regeln soll.

„Es ist eine Evolution“

Für den autonomen Verkehr in der Luft ist die Situation noch vollkommen ungeklärt. Es fehlen die rechtlichen Grundlagen. „Die unmittelbar bevorstehende Herausforderung ist und bleibt, überhaupt die Grundlagen für eine sichere und faire Integration von Drohnen in den bestehenden Luftverkehr zu legen“, sagt Stefan Jaekel von der Deutschen Flugsicherung. „Im Moment gibt es noch nicht einmal eine Registrierung von Drohnen in Deutschland“, sagt Jaekel. Deshalb seien noch viele Hürden zu nehmen, bis Passagier-Drohnen-Szenarien in Europa vorstellbar sind. Vor allem müsse die Ortung von Drohnen ermöglicht werden. Die DFS geht davon aus, dass bis zum Jahr 2020 rund eine Million Drohnen im deutschen Luftraum unterwegs sein werden. Die Bundesregierung arbeitet aktuell an einer Drohnenverordnung, die zumindest eine Kennzeichnungspflicht vorsieht. Wann sie in Kraft tritt, ist unklar – und auch inwieweit bemannte Drohnen in dem Gesetz überhaupt berücksichtigt werden.

Viele Vorteile hätte ein urbanes Mobilitätskonzept, das auf autonome Fluggeräte in der Luft setzt, durchaus: weniger Staus, weniger Abgase, mehr Freizeit. „Man darf auch nicht vergessen, dass 95 Prozent der Unfälle von Menschen verursacht werden“, sagt Grunwald. Er ist überzeugt: „Wenn die autonome Fortbewegung in der Luft oder an Land funktioniert, sind die Vorteile so groß, dass sich Akzeptanz einstellt.“ Man müsse nur aufhören, von Revolution zu sprechen. Bis sich das Stadtbild verändere, vergingen bestimmt noch 30 Jahre. „Es ist eine Evolution“, sagt Grunwald. „Und der Mensch ist sehr anpassungsfähig.“

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