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Ein Lockdown ab Ende November? Die Bundesregierung müsste ihn jetzt beschließen.

© Oliver Berg/dpa

Mit einem Lockdown-Beschluss am Mittwoch: Die Bundesregierung muss jetzt Menschenleben retten

Die Überlastung der Kliniken wird kommen. Deshalb ist es dringend nötig, dass die Regierung bis Mittwochnacht einen Lockdown beschließt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sascha Karberg

Dieser Mittwoch wäre der Tag: Der letzte Tag, an dem die Noch-Regierung und die Bundesländer das beschließen könnten, was kein Politiker nach fast zwei Jahren Pandemie noch aussprechen, geschweige denn verkünden mag: einen allgemeinen Lockdown. Am 25. November läuft die „epidemische Notlage“ aus und das neue Infektionsschutzgesetz macht das Unsagbare faktisch unmöglich.

Dabei wären drastische Kontaktbeschränkungen, ob nun Lockdown genannt oder nicht, aus epidemiologischer Sicht spätestens jetzt dringend nötig.

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Nicht um abstrakt die bedrohlich weiter wachsende vierte Corona-Welle zu brechen, sondern um ganz konkret Menschenleben zu retten; um Mitgefühl mit den lebensbedrohlich an Covid-19 erkrankenden Menschen zu zeigen; um Solidarität zu zeigen mit den erschöpften Ärztinnen und Pflegern auf den Intensivstationen; oder auch mit den Krebs- oder Transplantationspatienten, die wegen überfüllter Intensivstationen abgewiesen werden.

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Zwar können die Kliniken jetzt noch letzte Reserven mobilisieren. Aber die Überlastung wird – mindestens regional – kommen. Die Entwicklung des Inzidenzwerts, inzwischen im Bundesdurchschnitt bei über 400, verschafft jedem, der in den vergangenen Monaten die Zusammenhänge von Infektion, R-Wert, exponentiellem Wachstum und Hospitalisierung verstanden hat, einen Blick in die Zukunft: In drei Wochen, kurz vor Weihnachten, werden noch weit mehr Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen zu versorgen sein als heute.

Das steht schon jetzt fest und ist kaum noch zu verhindern: Selbst eine sofortige Impfpflicht würde sich epidemiologisch erst im nächsten Jahr auswirken. Aber ein zweiwöchiger Lockdown könnte noch einen Teil jener Erkrankungen und Todesfälle verhindern, die auf Infektionen zurückzuführen wären, die erst morgen und übermorgen passieren. In Bussen, Restaurants, am Arbeitsplatz, in Schulen und bei häuslichen Zusammentreffen.

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Zwar langsam, aber immerhin setzt sich die Erkenntnis unter den noch und bald Regierenden durch, in diesem Winter zu spät gehandelt zu haben. Umso schneller müssten jetzt wirksame Maßnahmen getroffen werden.

Ob die bisherigen Beschlüsse – 2G-Regelung hier, 2G-Plus dort – ausreichen und vor allem, ob sie eine ähnlich unmissverständliche Signalwirkung auf die Bevölkerung und ihren Willen zur freiwilligen Kontaktbeschränkung haben wie ein Lockdown, ist mehr als fraglich.

Das Virus schert sich nicht um juristisches Geplänkel

Es mag ja formaljuristisch richtig sein, wenn vor allem die Ampelkoalitionäre darauf beharren, dass Lockdown-Maßnahmen nicht immer angemessen und verhältnismäßig seien. Aber es ist befremdlich, wenn sich die neue Bundesregierung mit dem neuen Infektionsschutzgesetz dieser wirksamen Maßnahme der Kontaktbeschränkung gänzlich selbst beraubt.

Der Verdacht drängt sich auf, dass Wahlkampfparolen wie „Nie wieder Lockdown“ in falscher Konsequenz in Paragrafenform gegossen wurden.

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Wenn die politisch Handelnden jetzt so tun, als könnten sie nicht anders, als seien ihnen die Hände gebunden, das zu tun, was die aktuelle, nie dramatischere Corona-Lage eindeutig fordert – nämlich tiefgreifende Kontaktbeschränkungen – dann ist das fatal. Und zwar für das Vertrauen der Wählenden in die Politik generell, unabhängig von Corona.

Wenn die politischen Akteure eines Landes, die qua Mandat mit Handlungsmacht ausgestattet sind, in einer Krise demonstrieren, dass sie jene Macht nicht nutzen, dann führen sie ihre politische Daseinsberechtigung ad absurdum. Politik bedeutet auch immer wieder die Anpassung an die Realität und sich verändernde Rahmenbedingungen.

Anders gesagt: Viren scheren sich nicht um juristisches oder politisches Geplänkel. Wenn Deutschland in drei oder vier Wochen noch mehr Covid-Schwerkranke und Tote zählt, wird man in den Talkshows noch entsetzter als jetzt schon zurückblicken.

Man wird über die Tatenlosigkeit der vermeintlich Mächtigen den Kopf schütteln und sich fragen, warum sie die Macht, die ihnen die Bürger gaben, nicht genutzt haben. Wieder einmal.

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