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Primat der Forschung: Von Javaneraffen (Macaca fascicularis) stammten die Embryonen, in die menschliche Stammzellen injiziert wurden.

© imago images/Peter Schickert

Mischwesen im Labor erzeugt: Der Affenmensch in der Petrischale

Forscher züchten Embryonen, die aus Zellen von Mensch und Makake bestehen. Ziel: in Tieren menschliche Organe zu züchten. Die ethischen Vorbehalte sind groß.

Unerwartet kommt die Nachricht nicht. Denn einer der beteiligten Forscher hatte es schon 2019 ausgeplaudert: Ihm und anderen sei es gelungen, in der Petrischale Mischwesen aus Affe und Mensch zu erzeugen, die sich weiter entwickelt hätten, als dies bei ähnlichen Versuchen bisher möglich gewesen war.

Am Donnerstag folgte nun die offizielle wissenschaftliche Publikation, im Fachjournal „Cell“.

Der Forscher, Juan Carlos Izpisua Belmonte, arbeitet am Salk-Institut in San Diego, das nach dem Erfinder eines Impfstoffes gegen ein einst Millionen bedrohendes Virus benannt ist: Polio. Die Embryonen, die aus Zellen von Javaner-Affen und menschlichen Zellen bestehen, haben aber – dieser Tage muss man fast sagen: ausnahmsweise – gar nichts mit Impfstoffforschung zu tun.

Für Herz und Nieren

Mit einem anderen wichtigen medizinischen Problem aber schon. Diese Art Experimente hat einerseits zum Ziel, besser zu verstehen, wie sich überhaupt Gewebe und Organe bilden. Vor allem aber will man irgendwann einmal in Tieren menschliche Organe erzeugen, die dann Patienten eingepflanzt werden können. Das könnten zum Beispiel Schweine sein – die aussehen wie Schweine, aber Herz und Nieren, Leber und Galle aus menschlichem Gewebe haben. Auch andere Therapien zur Regeneration geschädigter Organe könnten so – irgendwann – möglich werden.

Die Forschenden ließen Javaneraffen-Embryos in Petrischalen ein paar Tage wachsen. Dann spritzten sie in diese hinein jeweils 25 menschliche Stammzellen, die das Potenzial haben, fast alle Gewebe zu bilden. Tatsächlich wurden die Zellen in viele Embryonen integriert. Diese wuchsen weiter und waren nun zusammengesetzt aus Vorläufer-Geweben von Mensch und Macaca fascicularis. Zwar starben ab Tag 15 viele Embryonen ab, und an Tag 19 waren nur drei übrig. Aber in dieser Zeit lieferten sie zahlreicher Erkenntnisse, etwa zur Entwicklung des Nervensystems. Zudem zeigte sich, das die Umgebung des Affen-Embryos die menschlichen Zellen in ihrem Verhalten klar in Richtung Affe beeinflussen kann.

Mischen nicht impossible

Im Vergleich zu früheren Versuchen, etwa mit Misch-Embyronen aus Zellen von Mäusen oder Schweinen einerseits und Menschen andererseits, bedeuten die Resultate zudem einen riesigen Schritt. Denn bei jenen war es fast gar nicht gelungen, sie am Leben zu erhalten oder sich entwickeln zu lassen. Dass es jetzt bei Zellen von Menschen und einer Affenart besser funktioniert hat, ist aufgrund der näheren Verwandtschaft von beiden einerseits plausibel.

Moderne Forschungskunst: Diese Aufnahme eines Embryos im "Blastozysten-Stadium" zeigt per Fluoreszenzmarkierung unterscheidbare Zellen unterschiedlicher Herkunft.
Moderne Forschungskunst: Diese Aufnahme eines Embryos im "Blastozysten-Stadium" zeigt per Fluoreszenzmarkierung unterscheidbare Zellen unterschiedlicher Herkunft.

© Weizhi Ji, Kunming University of Science and Technology

Andererseits sind solche Versuche aber auch besonders umstritten. Denn eben genau jene enge Verwandtschaft erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass Versuche gleichsam "zu erfolgreich" ausgehen könnten und man eben vielleicht auch irgendwann echte, ausgewachsenen Mischwesen erzeugen könnte. Die Option, dass vielleicht Affen oder gar Menschenaffen dereinst als Ersatzteilproduzenten für Menschen gezüchtet werden, ist zudem ethisch und aus tierschützerischer Sicht noch umstrittener als etwa jene, die ohnehin täglich millionenfach zur Ernährung des Menschen getöteten Schweine hierfür zu nutzen.

Dürfen, Können, Sollen

Grundsätzlich – beziehungsweise gesetzlich – wären solche Experimente sogar im bezüglich Stammzell-Thematik und Embryonenschutz extrem restriktiven deutschen Rahmen möglich, sagt Jochen Taupitz, Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht an der Universität Mannheim. Gemacht werden sie nicht. Und ob sie durch Ethikkommissionen der Universitäten oder Institute genehmigt würden, ist mehr als fraglich.

Wie kontrovers solche Versuche auch anderswo gesehen werden, wird auch schlicht durch die Tatsache deutlich, dass Izpisua Belmonte viele der Versuche nicht etwa in seinen eigenen, dafür eigentlich optimal ausgestatteten Labors machte, sondern sie Kollegen in China überließ. Das Projekt sei allerdings „intensiv bioethisch begleitet“ worden, sagte Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster dem Science Media Center. Dies sei „außerordentlich wichtig“, um alle Aspekte berücksichtigen und bewerten zu können. Transparenz sei essentiell.

Ziegen, Schlangen, Löwen, Blei

Für Rüdiger Behr vom Deutsches Primatenzentrum in Göttingen sind Affe-Mensch-Mischwesen „problematisch, besonders, wenn man eine Übertragung eines chimären Embryos auf eine Leihmutter in Betracht ziehen sollte“. Mischwesen aus Maus oder Schwein einerseits und Mensch andererseits, müssten dagegen „anders beurteilt werden“. Bei ihnen ist es mit einer Technik wie der hier angewandten einerseits nach derzeitigem menschlichem Ermessen fast unmöglich, dass sie sich überhaupt weiter als in früheste Embryonalstadien entwickeln können würden. Mit anderen Techniken wiederum wären menschliche und tierische Anteile klar unterscheidbar, etwa ein menschliches Organ, das in einem Schwein wächst. "Dieses Tier wäre für jeden ganz klar erkennbar ein Schwein mit einer Niere oder Bauchspeicheldrüse aus menschlichen Zellen", sagt Behr.

Auf Altgriechisch bedeutet „Chimäre“ schlicht „Ziege“. In der Mythologie wird aus ihr allerdings ein gewalttätiges Mischwesen mit sehr heißem Atem, das zusätzlich zum Ziegenanteil auch noch aus Löwe und Schlange besteht. Der Held Bellerophon tötet es mit Hilfe von Blei, das er ihm in den Rachen schießt und das dort schmilzt. Sowohl die praktisch-wissenschaftlichen als auch die anstehenden ethischen Aufgaben rund um die modernen Chimären erinnern aber eher an Bellerophons Großvater. Der hieß Sisyphos.

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