zum Hauptinhalt
Ein Mann steht in einem beschädigten Haus nach dem Tornado, das mehrere tschechische Gemeinden zerstört hat.

© Reuters/David W Cerny

Meteorologe zum Unwetter in Tschechien: „Der Tornado hätte auch in Deutschland auftauchen können“

Aus Sicht von Meteorologe Andreas Friedrich war der Tornado in Tschechien überraschend und gefährlich. Er erklärt, wann die Überlebenschancen hoch sind.

Andreas Friedrich ist Meteorologe und Tornadoexperte beim Deutschen Wetterdienst.

Wie überraschend kam der Tornado im Südosten Tschechiens?
Tornados sind eines der seltensten Wetterphänomene überhaupt, daher kann man den Tornado in Tschechien schon als überraschend bezeichnen. In Deutschland können wir jedes Jahr gerade einmal zwischen 20 und 60 solcher Wetterphänomene nachweisen, die auch Schäden verursacht haben. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich höher, denn Meterologen können Tornados weder mit Satelliten noch Radargeräten erkennen.

Um rechtzeitig zu warnen, braucht es also Augenzeugen, die berichten können oder Fotos und Videos bereitstellen. Dann können wir eine Gewitterwolke ausmachen und schätzen, in welchem Kegel sich der Tornado in den nächsten 30 bis 60 Minuten bewegt.

Dass wir eine solche Warnung herausgeben können, passiert allerdings in den seltensten Fällen – so ähnlich wird es auch in Tschechien ablaufen. Deshalb hat der Tornado die Gemeinden vermutlich auch so überrascht. Jedenfalls war der Tornado mit einer Drehgeschwindigkeit zwischen 330 und 420 Kilometer pro Stunde gefährlich, was auch bereits selten ist.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Wie wahrscheinlich ist es, dass ein solcher Tornado wie in Tschechien auch in Deutschland auftritt?
Die Wetterlage in Deutschland war der in Tschechien zuletzt jedenfalls recht ähnlich. Ein solcher Tornado hätte also genauso gut in Deutschland auftauchen können – auch bei der Europameisterschaft in München. Meterologen können aber nicht bei jedem Gewitter Tornadoalarm schlagen, das wäre unangebracht. Deshalb geben wir nur ein Risikopotenzial raus und sagen zum Beispiel: Achtung, in Süddeutschland können sich im Extremfall Tornados bilden. Wann und wo das passiert, können wir aber nicht schon Stunden vorher sagen.

Andreas Friedrich ist Meteorologe und Tornado-Experte beim Deutschen Wetterdienst (DWD).
Andreas Friedrich ist Meteorologe und Tornado-Experte beim Deutschen Wetterdienst (DWD).

© DWD

Nach dem Tornado in Tschechien gab es Tote und Verletzte. Was macht das Wetterphänomen so gefährlich?
Viele Tornadoopfer werden von herumwirbelnden Trümmerteilen erschlagen, diese sind besonders gefährlich. Dazu gehören auch Äste, oder Baumstämme, die sich durch Wände bohren können. Abgesehen davon ist das gefährliche Gebiet um einen Tornado mit einigen Dutzend bis einigen Hundert Metern recht klein. Wer aber in direkter Nähe des Tornados steht, hat kaum eine Chance sich dem Sog zu widersetzen und wird mitgerissen. Vermutlich haben sich die Betroffenen in den tschechischen Gemeinden auch völlig falsch verhalten.

[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt's nun mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

Was sollte man im Fall eines Tornados tun?
Wer in einem Haus wohnt, sollte sich im Falle eines Tornados sofort in den Keller begeben, ansonsten grundsätzlich nach unten gehen. Wer keinen Keller hat, sollte einen Innenraum ohne Fenster aufsuchen oder ins Badezimmer gehen und sich auf die Toilette setzen. Im Keller ist die Chance groß, einen so starken Tornado wie in Tschechien unbeschadet zu überleben.

Draußen sollte man versuchen, von Gebäuden und Bäumen wegzukommen und sich flach mit dem Gesicht nach unten in eine Senke legen. Falsch wäre es auf jeden Fall, mit dem Auto hinterherzufahren und Bilder zu machen. Wer mit dem Auto wegfährt, sollte quer zur Zugrichtung des Tornados ausweichen. Sonst kann es sein, dass Flüchtende im Stau stehen und der Tornado sie von hinten erfasst.

Ein Mann fährt mit seinem Motorrad an einem zertrümmerten Haus in dem tschechischen Dorf Moravska Noval vorbei.
Ein Mann fährt mit seinem Motorrad an einem zertrümmerten Haus in dem tschechischen Dorf Moravska Noval vorbei.

© REUTERS/David W Cerny

Wie beeinflusst die Klimakrise das Auftreten und die Stärke von Tornados?
Die bisherige Klimaerwärmung hat nicht dazu geführt, dass sich Tornados nachweisbar gehäuft haben, zumindest nicht in den vergangenen 30 bis 40 Jahren. Die vermutlich zunehmenden Dürren und Hitzewellen begünstigen zudem keine Tornados. Erwärmt sich die Erde weiter, könnte die Stärke der Tornados aber zunehmen, weil eine wärmere Atmosphäre mehr Energie speichert und sich diese dann letztlich in Tornados entlädt. Die Klimaerwärmung bringt also wahrscheinlich nicht häufiger Tornados mit sich, dafür aber umso gefährlichere.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Sollten wir Städte tornadofest machen?
Häuser lassen sich tornadofest bauen, aber das wären Stahlbetonhäuser ohne Fenster mit zehn Zentimeter dicken Türen. Da will niemand drin wohnen. Bei einem Tornado wie in Tschechien wären in Deutschland einige Dachstühle weg. Zu 100 Prozent kann man Gebäude also nicht vor Tornados sichern – Fenster werden in so einem Fall zerbersten und Trümmerteile hindurchfliegen. Mit diesem Risiko muss man ein stückweit leben.

Trifft ein Tornado auf Häuser, zerbersten häufig die Fenster wie hier in einer Wohnung im tschechischen Dorf Luzice.
Trifft ein Tornado auf Häuser, zerbersten häufig die Fenster wie hier in einer Wohnung im tschechischen Dorf Luzice.

© imago images/Lenka Horakova

Wie entstehen Tornados?
Dafür müssen mehrere Voraussetzungen in der Atmosphäre erfüllt sein. Zum einen braucht es eine Schauer- oder Gewitterwolke, unter der sich ein Tornado bilden kann. Die Wolkenuntergrenze muss recht niedrig sein, in der Regel nicht höher als ein Kilometer über dem Erdboden. Die Luftmasse unter der Wolke muss sehr feucht sein und aufsteigen.

Außerdem braucht es eine Windscherung: Die Windrichtung muss sich vom Boden bis zur Wolkenuntergrenze ändern und auch die Windgeschwindigkeit zunehmen. Die Windscherung versetzt die Luftmassen in Rotation und ein Wolkenrüssel bildet sich. Dabei setzt die Kondensationswärme Energie frei und der Windwirbel dreht sich noch schneller. Weil alle diese Dinge in einer sehr kurzen Zeit passieren müssen, sind Tornados so selten.

Zur Startseite