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Schneise im Wald. Schon ein Forstweg stört das natürliche Gleichgewicht.

© dpa

Mensch und Umwelt: Wir zerstückeln die Natur

Weltweit zerschneiden Straßen die Natur. Die Areale dazwischen sind meist nur einen Quadratkilometer groß - mit erheblichen Folgen für Pflanzen und Tiere.

Wer einen Straßenatlas anschaut, erkennt auf einen Blick, wie der Mensch der Erde seinen Stempel aufdrückt. Mitteleuropäer müssen weit reisen, bis sie Gebiete erreichen, in denen Straßen selten sind. Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und neun Kollegen aus aller Welt untermauern diese Beobachtung jetzt im Fachblatt „Science“ mit einer detaillierten Analyse: Zwar sind achtzig Prozent aller Landflächen frei von Straßen. Nur sind viele dieser Gebiete recht klein.

Rechts und links von einer Straße ziehen oft noch in einem Kilometer Entfernung Lärm, Abgase und andere Nebenwirkungen des Verkehrs die Natur in Mitleidenschaft. Daher haben die Forscher bei allen Straßen, die Datensammlungen wie OpenStreetMap oder gROADS erfassen, eine Pufferzone berücksichtigt. Übrig bleiben 600 000 weglose Landflächen auf dem Globus, von denen die Hälfte weniger als einen Quadratkilometer misst. Nur sieben Prozent dieser Areale sind größer als hundert Quadratkilometer. Derweil ist das Revier eines Wolfsrudels in Mitteleuropa meist größer als hundert Quadratkilometer, die Tiere müssen zwangsläufig über die Straße. Ähnliches gilt für viele Arten, von Kröten bis zu Fischottern. Entsprechend hoch ist die Zahl der Verkehrsopfer.

Es geht nicht nur um Verkehrstote unter den Tieren

„Solche Verkehrstode sind nur die Spitze des Eisberges“, sagt Ibisch. Weitere Einflüsse von Verkehrswegen zeigten sich erst bei genauem Hinschauen. Schon ein Forstweg kappe ein gigantisches Geflecht aus Wurzeln, Pilzen und anderen Organismen, das unterirdisch die Bäume des Waldes miteinander verbindet. Auch wenn dort nur selten ein Fahrzeug fährt und ein Wanderer läuft, bildet der Weg eine lang gezogene Lücke. Im Sommer heizt sich der hellere Untergrund tagsüber viel stärker als der Wald rechts und links davon auf, im Winter sinken die Temperaturen in der Nacht weiter ab. „Das bedeutet für die Pflanzen höheren Stress und kann ihre Lebensbedingungen verschlechtern“, kommentiert Ibisch die Auswirkungen dieses Mikroklimas. Straßen seien zudem Türöffner für invasive Arten wie die Goldrute und können einheimische Pflanzen verdrängen.

In weitgehend unberührten Wäldern nutze eine weitere Art die Straßen als Eingangstor in die Wildnis: der Mensch. Holzfäller und Goldsucher, Jäger und Farmer dringen in die letzten schwer erreichbaren Gebiete vor – und plündern die Natur.

Der Einfluss von Autobahnen oder Hochgeschwindigkeitstrassen der Bahn sei subtiler. An ihrem Rand hindern oft Zäune die Tiere am Weiterkommen, der Geschlechtspartner auf der anderen Seite wird unerreichbar. Langfristig leide so die biologische Vielfalt, sagt Ibisch. Gerade die Laub- und Mischwaldregionen der gemäßigten Regionen seien besonders stark von Straßen zerschnitten, während karge Gebiete wie die Tundra des Hohen Nordens und Felsregionen in den Alpen oft straßenfrei bleiben. In Zukunft werde sich diese Situation eher verschärfen: Von 2010 bis 2050 könnte das Netz der Straßen auf dem Globus um mehr als 60 Prozent wachsen.

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